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Tom Rohrböck & die Österreich-Connections (Teil 1)

Zuge­ge­ben: Die Recher­chen von NDR, WDR und „Die Zeit“ über den „Strip­pen­zie­her“, das „Phan­tom“ Tom Rohr­böck wer­fen mehr Fra­gen auf, als sie beant­wor­ten – zumin­dest, was Öster­reich betrifft. Da ist von einem die Rede, der ein Königs­ma­cher sei, vor dem selbst hoch­ran­gi­ge Politiker*innen Angst hät­ten. Aber die Recher­chen machen das Sys­tem Rohr­böck sicht­ba­rer. Das reicht […]

28. Jun 2021

Mehr als drei Jah­re Recher­che hat ein Ver­bund von Journalist*innen von NDR, WDR und „Die Zeit“ benö­tigt, um Infos über den sich wahl­wei­se als Jour­na­lis­ten, Unter­neh­mens­be­ra­ter, Han­dels­ver­tre­ter, Ver­si­che­rungs­ver­tre­ter geben­den Tho­mas Peter „Tom“ Rohr­böck zusammenzutragen.

Rohr­böck selbst hat gegen­über Geschäfts­part­nern ein­mal gesagt, er sei ein Mann an der Schnitt­stel­le von „brau­nen Hor­den, motor­rad­fah­ren­den Jungs und ehe­ma­li­gen Mili­tärs“. Eini­ge Poli­ti­ker sagen, sie hät­ten nach dem Ende der Zusam­men­ar­beit mit Rohr­böck ihren Wohn­ort und ihren Nach­na­men gewech­selt. Ein Spit­zen­funk­tio­när der AfD sagt über eine Begeg­nung mit Rohr­böck: „Ich habe die Zäh­ne des Tigers gese­hen.“ (zeit.de, 23.6.21; Paywall!)

Rohr­böck wird vor allem mit der AfD in Ver­bin­dung gebracht. Sein Geschäfts­mo­dell: Er bie­tet Politiker*innen sei­ne Unter­stüt­zung an – mit Bera­tung, Coa­ching, Kon­tak­ten, Intri­gen und media­len Jubel­ar­ti­keln. Das reich­te bis zur Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Ali­ce Wei­del, die auch offen zugab, mit Rohr­böck in Kon­takt gestan­den zu sein. Mit ihr sol­len es um die 30 Abge­ord­ne­ten allei­ne aus der AfD-Bun­des­tags­frak­ti­on sein.

Rohrböck in einer Chatnachricht 2018: "Die AfD ist keine Partei, mehr eine Versorgungschance für Geschieterte Existenzen." (Quelle: https://story.ndr.de/afd-netzwerk-rohrboeck/index.html)
Rohr­böck in einer Chat­nach­richt 2018: „Die AfD ist kei­ne Par­tei, mehr eine Ver­sor­gungs­chan­ce für Geschei­ter­te Exis­ten­zen.” (Quel­le: story.ndr.de)

Rohr­böck stellt auch Geld auf. Woher der Rubel rollt, ist bis­lang unbe­kannt; da kur­sie­ren ein­zel­ne Namen wie jener des Mil­li­ar­därs August von Finck juni­or, der als Bewun­de­rer von Jörg Hai­der gilt und Diet­rich Mat­te­schitz des­sen Red Bull-„Haupt­sitz (…) nur eine hal­be Stun­de von der Vil­la am Matt­see ent­fernt [liegt], in der Rohr­böck wohnt“ (zeit.de). Mit Rohr­böck zugleich ver­bun­den ist auch ein weit­rei­chen­des, undurch­sich­ti­ges Firmengeflecht.

Ali­ce Wei­del, so heißt es, habe Rohr­böck erst­mals in Öster­reich getrof­fen. Im Salz­bur­gi­schen sol­len rei­hen­wei­se Tref­fen statt­ge­fun­den haben, etwa im Schloß Fuschl, aber auch in ande­ren Luxus­res­sorts, in die Rohr­böck sei­ne Kon­takt­per­so­nen ein­ge­la­den hat­te. Das Bun­des­land Salz­burg spielt über­haupt eine zen­tra­le Rol­le, nicht nur, weil dort eines der Domi­zi­le von Rohr­böck liegt.

Das von Rohr­böck for­mu­lier­te Ziel: eine Par­tei nach dem Vor­bild von Hai­ders BZÖ auf­zu­stel­len, die rechts der Uni­ons­par­tei­en steht bzw. einen all­ge­mei­nen Links­ruck zu ver­hin­dern. Es scheint ihm jeden­falls gelun­gen zu sein, „ein unfass­ba­res Netz­werk“ (der Unter­neh­mens­be­ra­ter und Ex-Wei­del-Mit­ar­bei­ter Frie­del Opitz im Zeit-Pod­cast „Der Schat­ten­mann der AfD”) das sich aus Politiker*innen aus AfD, CDU und FDP speist, auf­zu­bau­en. Das über­ge­ord­ne­te Ziel, sei­ne dahin­ter­ste­hen­den per­sön­li­chen Inter­es­sen, „das wis­sen nicht mal die Men­schen, die mit ihm zusam­men­ge­ar­bei­tet haben in der AfD“ (der Jour­na­list Chris­ti­an Fuchs im Zeit-Pod­cast). Er intri­giert, sticht Infor­ma­tio­nen durch, hilft mit Kon­tak­ten und Geld. Tom Rohr­böck ist ein Polit­stra­te­ge und Unter­neh­mer. Zu sei­nen Geschäfts­part­nern zäh­len ver­ur­teil­te Straf­tä­ter, dar­un­ter eine Betrü­ge­rin und ein Mann, der ille­gal Diplo­ma­ten­päs­se ver­mit­tel­te. Rohr­böck ver­kehrt mit den Mana­gern halb­sei­de­ner Invest­ment­fir­men und mit Leu­ten aus dem Neo­na­zi­mi­lieu“, fasst es Die Zeit zusammen.

Noch bevor Rohr­böck Ein­fluss auf die Grün­dung der AfD nahm, ver­such­te er bei ande­ren Grup­pie­run­gen anzu­do­cken – erfolg­los. Mit dem mehr­fach vor­be­straf­ten Dettl­eff Schil­de gelang es Rohr­böck schließ­lich, beim Auf­bau der AfD kräf­tig mit­zu­mi­schen. Schil­de, der Anfang April 2014 ver­starb, hat­te auch Kon­tak­te zum BZÖ:

Schil­de, ein vor­be­straf­ter Betrü­ger, der wäh­rend sei­ner Haft ein rechts­ra­di­ka­les Mani­fest ver­fass­te, bau­te 2013 meh­re­re Lan­des­ver­bän­de der Alter­na­ti­ve für Deutsch­land mit auf. Er war damals an der Sei­te des Par­tei­grün­ders Bernd Lucke zu sehen. Spä­ter war Schil­de offen­bar auch in Öster­reich poli­tisch aktiv, für das Bünd­nis Zukunft Öster­reich (BZÖ), eine Par­tei, die der Rechts­po­pu­list Jörg Hai­der gegrün­det hat­te. Schil­des Enga­ge­ment war nicht ehren­amt­lich. Es war ein lukra­ti­ver Job, für den ihn Tom Rohr­böck ent­lohn­te: Aus inter­nen E‑Mails geht her­vor, dass Schil­de als Gegen­leis­tung für sei­ne poli­ti­sche Arbeit ein „monat­li­ches Salär“ von 7000 Euro ver­lang­te. Rohr­böck wil­lig­te ein. (zeit.de)

Dettleff Schilde mit Gerald Grosz (Quelle: wanus.de 2014)
Dettl­eff Schil­de mit Gerald Grosz (Quel­le: wanus.de 2014)

2013 spricht der deut­sche Publi­zist Jür­gen Roth in sei­nem Buch „Spin­nen­netz der Macht“ von „natio­nal-frei­heit­li­chen Strip­pen­zie­hern”, deren Kon­tak­te zwi­schen Wien und Flens­burg, zwi­schen Rügen und dem Boden­see“ (S. 33) lau­fen wür­den. Rohr­böck sei einer davon, der dabei zwi­schen ver­schie­de­nen, alle­samt rechts ste­hen­den Par­tei­en her­ums­witch­te: von CDU/CSU, FDP bis zur rechts­extre­men NDP – in Öster­reich FPÖ, BZÖ und auch ÖVP und Neos.

Ursprüng­lich in Hes­sen von der CDU, dann der FDP kom­mend, wird Rohr­böck Pres­se­spre­cher der 2009 gegrün­de­ten rechts­po­pu­lis­ti­schen Kleinst­par­tei „Auf­bruch 21 – Die Frei­heit­li­chen“, mit der er aber kei­nen Erfolg erzie­len konnte.

Bereits damals, im Jahr 2009, kri­ti­sier­te der stell­ver­tre­ten­de Bun­des­vor­sit­zen­de die­ser Par­tei unter ande­rem die Kon­tak­te des Pres­se­spre­chers Rohr­böck zur öster­rei­chi­schen FPÖ des Rechts­po­pu­lis­ten Jörg Hai­der. Den Vor­wurf, dass Auf­bruch 21 ein Sam­mel­be­cken für Rechts­po­pu­lis­ten sei, wies Rohr­böck zurück. „Wir sind mit Sicher­heit ein Sam­mel­be­cken für die­je­ni­gen, denen die Uni­ons­par­tei­en zu weit nach links gerückt sind.“ (Roth, S. 34)

Rohrböck auf FB 2010: "Jörg Haider begründete den Weg..."
Rohr­böck auf FB 2010: „Jörg Hai­der begrün­de­te den Weg…”
Rohrböck auf FB 2010: "...Uwe Scheuch geht ihn weiter."
Rohr­böck auf FB 2010: „…Uwe Scheuch geht ihn weiter.”

2009, ein Jahr nach dem Tod von Hai­der, spal­te­ten sich alle Mit­glie­der des Land­tags­klubs vom BZÖ ab und näher­ten sich als for­mal noch unab­hän­gi­ge FPK wie­der der blau­en Mut­ter­par­tei an. Das BZÖ über­leb­te im Bund unter Klub­ob­mann Josef Bucher noch bis zur Natio­nal­rats­wahl 2013, bei der Kärn­ten-Wahl 2013 erreich­te die oran­ge Rest­trup­pe mit 6% noch ein letz­tes Mal den Ein­zug in den Land­tag. Rohr­böcks und Schil­des Enga­ge­ment hat­ten nichts gehol­fen: Die Par­tei ver­sank in inter­nen Strei­te­rei­en und dezi­mier­te sich auch ohne Wah­len durch Aus­schlüs­se und Über­trit­te in die FPÖ und ins damals neue, inzwi­schen aber eben­falls ver­senk­te Team Stro­nach. Da nütz­ten auch Buch­ers Auf­trit­te mit Rohr­böck nichts: Nach dem Desas­ter bei der Natio­nal­rats­wahl trat er als Par­tei­ob­mann zurück. Gerald Grosz über­nahm das BZÖ.

Rohrböck mit Wilhelm Hankel und Josef Bucher (Quelle: skylla.at)
Rohr­böck mit Wil­helm Han­kel und Josef Bucher (Quel­le: skylla.at)
Rohrböck mit Bucher, Ramb, Deml bei "Europäisches Investoren Forum Sinn & Invest“ in Landshut 2012 (Quelle: skylla.at)
Rohr­böck mit Bucher, Ramb, Deml bei „Euro­päi­sches Inves­to­ren Forum Sinn & Invest“ in Lands­hut 2012 (Quel­le: skylla.at)

Bucher war auch im Bei­rat eines rechts­ste­hen­den, neo­li­be­ra­len Netz­wer­kes, der „Deut­schen Gesell­schaft für Finanz- und Haus­halts­po­li­tik e. V., wo – wie könn­te es anders sein? – Rohr­böck eben­falls mit­misch­te. Im Bei­rat fand sich auch Kon­rad Steindl, bis 2013 ÖVP-Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter, danach bis 2019 Prä­si­dent der Salz­bur­ger Wirtschaftskammer.

Auf den zwei Face­book-Accounts von Rohr­böck sind noch Res­te sei­nes wohl als geschei­tert zu bezeich­nen­den Enga­ge­ments für BZÖ-„Granden“ zu fin­den. Befreun­det ist er noch immer mit den ehe­ma­li­gen Nationalrät*innen Ste­fan Petz­ner, Mar­ti­na Schenk, Josef Bucher, Rai­ner Wid­mann und mit Micha­el Tschar­nut­ter, einst Lan­des­chef des BZÖ Wien.

FB-Freund*innen Rohrböck: u.a. Thomas Schellenbacher (Ex-FPÖ-NR), Rainer Widmann, Martina Schenk, Stefan Petzner (Ex-BZÖ-NR); Bucher und Harmuss (Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender) gratulieren Rohrböck auf FB häufig zum Geburtstag (Quelle: FB Rohrböck)
FB-Freund*innen Rohr­böck: u.a. Tho­mas Schel­len­ba­cher (Ex-FPÖ-NR), Rai­ner Wid­mann, Mar­ti­na Schenk, Ste­fan Petz­ner (Ex-BZÖ-NR); Bucher und Har­muss (Ring Frei­heit­li­cher Wirt­schafts­trei­ben­der) gra­tu­lie­ren Rohr­böck auf FB häu­fig zum Geburts­tag (Quel­le: FB Rohrböck)

➡️ Tom Rohr­böck & die Öster­reich-Con­nec­tions (Teil 2)
➡️ Tom Rohr­böck & die Öster­reich-Con­nec­tions (Teil 3)
➡️ Tom Rohr­böck & die Öster­reich-Con­nec­tions (Teil 4)
➡️ Tom Rohr­böck und der Neonazi

Gehei­mes AfD-Netz­werk: was will Strip­pen­zie­her Tom Rohr­böck? (STRG_F 2021, 29′42″)