Mehr als drei Jahre Recherche hat ein Verbund von Journalist*innen von NDR, WDR und „Die Zeit“ benötigt, um Infos über den sich wahlweise als Journalisten, Unternehmensberater, Handelsvertreter, Versicherungsvertreter gebenden Thomas Peter „Tom“ Rohrböck zusammenzutragen.
Rohrböck selbst hat gegenüber Geschäftspartnern einmal gesagt, er sei ein Mann an der Schnittstelle von „braunen Horden, motorradfahrenden Jungs und ehemaligen Militärs“. Einige Politiker sagen, sie hätten nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Rohrböck ihren Wohnort und ihren Nachnamen gewechselt. Ein Spitzenfunktionär der AfD sagt über eine Begegnung mit Rohrböck: „Ich habe die Zähne des Tigers gesehen.“ (zeit.de, 23.6.21; Paywall)
Rohrböck wird vor allem mit der AfD in Verbindung gebracht. Sein Geschäftsmodell: Er bietet Politiker*innen seine Unterstützung an – mit Beratung, Coaching, Kontakten, Intrigen und medialen Jubelartikeln. Das reichte bis zur Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel, die auch offen zugab, mit Rohrböck in Kontakt gestanden zu sein. Mit ihr sollen es um die 30 Abgeordneten alleine aus der AfD-Bundestagsfraktion sein.
Rohrböck stellt auch Geld auf. Woher der Rubel rollt, ist bislang unbekannt; da kursieren einzelne Namen wie jener des Milliardärs August von Finck junior, der als Bewunderer von Jörg Haider gilt und Dietrich Matteschitz dessen Red Bull-„Hauptsitz (…) nur eine halbe Stunde von der Villa am Mattsee entfernt [liegt], in der Rohrböck wohnt“ (zeit.de). Mit Rohrböck zugleich verbunden ist auch ein weitreichendes, undurchsichtiges Firmengeflecht.
Alice Weidel, so heißt es, habe Rohrböck erstmals in Österreich getroffen. Im Salzburgischen sollen reihenweise Treffen stattgefunden haben, etwa im Schloß Fuschl, aber auch in anderen Luxusressorts, in die Rohrböck seine Kontaktpersonen eingeladen hatte. Das Bundesland Salzburg spielt überhaupt eine zentrale Rolle, nicht nur, weil dort eines der Domizile von Rohrböck liegt.
Das von Rohrböck formulierte Ziel: eine Partei nach dem Vorbild von Haiders BZÖ aufzustellen, die rechts der Unionsparteien steht bzw. einen allgemeinen Linksruck zu verhindern. Es scheint ihm jedenfalls gelungen zu sein, „ein unfassbares Netzwerk“ (der Unternehmensberater und Ex-Weidel-Mitarbeiter Friedel Opitz im Zeit-Podcast „Der Schattenmann der AfD”) das sich aus Politiker*innen aus AfD, CDU und FDP speist, aufzubauen.
Das übergeordnete Ziel, seine dahinterstehenden persönlichen Interessen, „das wissen nicht mal die Menschen, die mit ihm zusammengearbeitet haben in der AfD“ (der Journalist Christian Fuchs im Zeit-Podcast). „Er intrigiert, sticht Informationen durch, hilft mit Kontakten und Geld. Tom Rohrböck ist ein Politstratege und Unternehmer. Zu seinen Geschäftspartnern zählen verurteilte Straftäter, darunter eine Betrügerin und ein Mann, der illegal Diplomatenpässe vermittelte. Rohrböck verkehrt mit den Managern halbseidener Investmentfirmen und mit Leuten aus dem Neonazimilieu“, fasst es Die Zeit zusammen.
Noch bevor Rohrböck Einfluss auf die Gründung der AfD nahm, versuchte er bei anderen Gruppierungen anzudocken – erfolglos. Mit dem mehrfach vorbestraften Dettleff Schilde gelang es Rohrböck schließlich, beim Aufbau der AfD kräftig mitzumischen. Schilde, der Anfang April 2014 verstarb, hatte auch Kontakte zum BZÖ:
Schilde, ein vorbestrafter Betrüger, der während seiner Haft ein rechtsradikales Manifest verfasste, baute 2013 mehrere Landesverbände der Alternative für Deutschland mit auf. Er war damals an der Seite des Parteigründers Bernd Lucke zu sehen. Später war Schilde offenbar auch in Österreich politisch aktiv, für das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), eine Partei, die der Rechtspopulist Jörg Haider gegründet hatte. Schildes Engagement war nicht ehrenamtlich. Es war ein lukrativer Job, für den ihn Tom Rohrböck entlohnte: Aus internen E‑Mails geht hervor, dass Schilde als Gegenleistung für seine politische Arbeit ein „monatliches Salär“ von 7000 Euro verlangte. Rohrböck willigte ein. (zeit.de)
2013 spricht der deutsche Publizist Jürgen Roth in seinem Buch „Spinnennetz der Macht“ von „national-freiheitlichen Strippenziehern”, deren Kontakte „zwischen Wien und Flensburg, zwischen Rügen und dem Bodensee“ (S. 33) laufen würden. Rohrböck sei einer davon, der dabei zwischen verschiedenen, allesamt rechts stehenden Parteien herumswitchte: von CDU/CSU, FDP bis zur rechtsextremen NDP – in Österreich FPÖ, BZÖ und auch ÖVP und Neos.
Ursprünglich in Hessen von der CDU, dann der FDP kommend, wird Rohrböck Pressesprecher der 2009 gegründeten rechtspopulistischen Kleinstpartei „Aufbruch 21 – Die Freiheitlichen“, mit der er aber keinen Erfolg erzielen konnte.
Bereits damals, im Jahr 2009, kritisierte der stellvertretende Bundesvorsitzende dieser Partei unter anderem die Kontakte des Pressesprechers Rohrböck zur österreichischen FPÖ des Rechtspopulisten Jörg Haider. Den Vorwurf, dass Aufbruch 21 ein Sammelbecken für Rechtspopulisten sei, wies Rohrböck zurück. „Wir sind mit Sicherheit ein Sammelbecken für diejenigen, denen die Unionsparteien zu weit nach links gerückt sind.“ (Roth, S. 34)
2009, ein Jahr nach dem Tod von Haider, spalteten sich alle Mitglieder des Landtagsklubs vom BZÖ ab und näherten sich als formal noch unabhängige FPK wieder der blauen Mutterpartei an. Das BZÖ überlebte im Bund unter Klubobmann Josef Bucher noch bis zur Nationalratswahl 2013, bei der Kärnten-Wahl 2013 erreichte die orange Resttruppe mit 6% noch ein letztes Mal den Einzug in den Landtag.
Rohrböcks und Schildes Engagement hatten nichts geholfen: Die Partei versank in internen Streitereien und dezimierte sich auch ohne Wahlen durch Ausschlüsse und Übertritte in die FPÖ und ins damals neue, inzwischen aber ebenfalls versenkte Team Stronach. Da nützten auch Buchers Auftritte mit Rohrböck nichts: Nach dem Desaster bei der Nationalratswahl trat er als Parteiobmann zurück. Gerald Grosz übernahm das BZÖ.
Bucher war auch im Beirat eines rechtsstehenden, neoliberalen Netzwerkes, der „Deutschen Gesellschaft für Finanz- und Haushaltspolitik e. V., wo – wie könnte es anders sein? – Rohrböck ebenfalls mitmischte. Im Beirat fand sich auch Konrad Steindl, bis 2013 ÖVP-Nationalratsabgeordneter, danach bis 2019 Präsident der Salzburger Wirtschaftskammer.
Auf den zwei Facebook-Accounts von Rohrböck sind noch Reste seines wohl als gescheitert zu bezeichnenden Engagements für BZÖ-„Granden“ zu finden. Befreundet ist er noch immer mit den ehemaligen Nationalrät*innen Stefan Petzner, Martina Schenk, Josef Bucher, Rainer Widmann und mit Michael Tscharnutter, einst Landeschef des BZÖ Wien.
➡️ Tom Rohrböck & die Österreich-Connections (Teil 2)
➡️ Tom Rohrböck & die Österreich-Connections (Teil 3)
➡️ Tom Rohrböck & die Österreich-Connections (Teil 4)
➡️ Tom Rohrböck und der Neonazi
Geheimes AfD-Netzwerk: was will Strippenzieher Tom Rohrböck? (STRG_F 2021, 29′42″)