Die Situation für Teile der heimischen Landwirtschaft ist in der Tat prekär, vor allem für jene, deren Erträge nun zu ernten sind. Bislang reisten Tausende von Arbeitskräften aus dem Ausland an, um hierzulande oft mit minimalen Löhnen den Spargel und andere bäuerliche Produkte einzubringen. Die fallen nun wegen der Grenzsperren aus. Hier tritt nun die Grazer Burschenschaft „Marko Germania“ auf den Plan und ruft Freiwillige zum Ernteeinsatz auf. Das Magazin des freiheitlichen Akademikerverbands (FAV) „Freilich“ verbreitet den Aufruf, und dabei ist auch das identitärennahe Onlinemagazin „Tagesstimme“. Dass nun kein Getreide geerntet wird, wie das Beitragsbild suggeriert, sollte irgendjemand den Aufrufenden mitteilen.
Diese „Hilfsgemeinschaft“ ist kein Zufall. Ganz nach dem Motto „Alte Liebe rostet nicht“, stehen als Scharnier dahinter der Grazer FPÖ-Gemeinderatsabgeordnete und Freilich-Geschäftsführer Heinrich Sickl und der Marko-Germane Stefan Juritz. Die Querverbindungen zwischen Identitären, Juritz und Sickl sowie deren Medienprojekte hat die antifaschistische Recherche im April 2019 eindrücklich dargestellt. Dass „Freilich“ ein neurechtes Magazin mit identitärer Zuarbeit ist, haben auch wir bereits mehrfach aufgezeigt.
Der IBÖ-Aktivist Juritz ist Obmann des „AK Nautilus“, der „Die Tagesstimme“ betreibt – nach Selbstdefinition ein Nachrichtenportal für „patriotischen Qualitätsjournalismus“. Chefredakteur ist Stefan Juritz. Beide Projekte agieren im Dunstkreis der Identitären. Wie verzahnt Juritz mit den Identitären ist, zeigt auch seine letzte Reise nach Griechenland. Dort focht er noch vor wenigen Wochen beim identitären Abwehrkampf gegen Flüchtende auf Lesbos – er nach Eigendarstellung nur, um über die dortige Lage zu berichten.
Zurück zum Ernteeinsatz: Wer, wo unter welchen – vor allem auch rechtlichen – Bedingungen eingesetzt werden soll, darüber schweigen sich die Beteiligten aus, auch darüber, wie viele sich – nunmehr immerhin bereits zwei Wochen nach dem Aufruf – für den freiwilligen Ernteeinsatz gemeldet haben.
Die steirischen Burschenschaften übernehmen „Koordination und Organisation“; ob deren Mitglieder auch selbst zur Arbeit ausrücken, ob Juritz und Kameraden den Säbel statt auf der Bude nun im Spargelfeld schwingen, ob der Burschenschafter Sickl und seine „Freilich“-Autoren selbst Hand anlegen, wurde bislang noch nicht kundgetan.
Die Aktion knüpft jedenfalls nahtlos an eine besonders auch von den Identitären eingesetzte Propagandaform an: So war in einem internen identitären Papier unter „Basisaktivismus“ zwischen Flyern und Freizeitaktivitäten wie Selbstverteidigung auch das Sammeln von Spenden für Bedürftige angeführt.
Während unzählige Organisationen und Firmen darunter massiv leiden, dass die ausländischen Arbeitskräfte nicht mehr einreisen können, das gerade jetzt immens wichtige Gesundheits- und Pflegesystem vor einem Kollaps steht, setzen FPÖ und rechte Gruppierungen propagandistisch auf heimische Arbeitskräfte. Woher die nun zu Abertausenden kommen sollen, sagen sie freilich nicht dazu. Der Aufruf zu freiwilligen Ernteeinsätzen wird mit Sicherheit keine Lösung sein. Besser wäre es jenen unzähligen Nicht-ÖsterreicherInnen Wertschätzung entgegen zu bringen, die wesentliche Teile unseres Systems am Laufen halten. Aber vielleicht sehen wir ja Kunasek & Co zukünftig wild „entschlossen“ auf den Feldern, am Bau, in der Gastronomie und in den Pflegeheimen. Das blaue Österreich zuerst!