Die Wegwarte und das Virus

Die „Gemeine Weg­warte“ ist 2020 zur „Heilpflanze des Jahres“ ernan­nt wor­den. Mit heilen­den Wirkun­gen hat die Zeitschrift „Weg­warte“, die sich mit der Pflanze schmückt, aber nichts zu tun. Ganz im Gegen­teil. Die Zeitschrift, die in den let­zten Tagen mit ihrer an Haushalte adressierten März-Aus­gabe ver­schickt wurde, ver­bre­it­et ziem­lich „kranke“ Mel­dun­gen – über das ange­blich unprob­lema­tis­che Coro­na-Virus oder auch über das „Pro­jekt Überleben“.

Bei ihrer Schlagzeile auf der Titel­seite kann man der „Weg­warte“ noch zugute hal­ten, dass sie mit­tler­weile durch das Coro­na-Virus einge­holt wurde: „US-geführtes Manöver übt Krieg gegen Ruß­land: Größte Trup­pen­be­we­gung in Europa seit dem 2. Weltkrieg!“

Gemeint ist das NATO-Manöver „Defend­er Europe 2020“, das für einen Zeitraum zwis­chen Jän­ner und Mai 2020 geplant war. Keine Frage, das NATO-Manöver hätte das Poten­zial an Span­nung und Dro­hung in Europa weit­er erhöhen kön­nen. Aber es ist nach eini­gen Vor­bere­itung­shand­lun­gen abgep­fif­f­en wor­den. Wegen des Corona-Virus.

Cover "Wegwarte" März 2020

Cov­er „Weg­warte” März 2020

Auf­grund ein­er viralen Bedro­hung, die es für die Redak­tion der „Weg­warte“ eigentlich gar nicht gibt. Der wichtig­ste redak­tionelle Beitrag beschäftigt sich näm­lich mit diesem Virus und den „vie­len Ungereimtheit­en“ dazu, die die „Weg­warte“ ent­deckt haben will. Der erste Tipp dazu: „alter­na­tive Medi­en und Inter­net­blog­ger zu diesem The­ma aufmerk­sam“ver­fol­gen. Die „Weg­warte“ wüsste da auch schon, welche: Wolf­gang Wodarg etwa, der als „Virologe und Poli­tik­er“ und mit dem Satz vorgestellt wird: „Dem Coro­na-Hype liegt keine außergewöhn­liche medi­zinis­che Gefahr zugrunde.“

Was die Gefahr von Sars-CoV­‑2 bet­rifft, liegt Wodarg, der zwar kein Virologe ist, aber als Lun­gen­facharzt und Gesund­heit­sex­perte dur­chaus anerkan­nt war, nach Ansicht fast aller anderen Experten ziem­lich daneben. Ein gut ver­ständlich­er Text, der Wodargs Argu­mente sorgfältig zerpflückt, find­et sich auf spiegel.de. Die empirisch sicht­bare Wider­legung sein­er The­sen ist aktuell ger­ade in Ital­ien und Spanien zu beobachten.

Die „Weg­warte“ hat aber noch ganz andere Kaliber im Köch­er. Oliv­er Janich, ein bekan­nter deutsch­er Ver­schwörungs­the­o­retik­er, Truther und Börsen­jour­nal­ist , wird mit sein­er Aus­sage vorgestellt, dass durch die ver­wen­de­ten Tests die Zahl der pos­i­tiv Getesteten und in Quar­an­täne Geschick­ten „viel zu hoch“ sei. Janich schafft es sog­ar, in einem einzi­gen Video Menin­gi­tis-Imp­fun­gen, Madon­na mit ihrem „Madame X“-Album und die 5G-Tech­nolo­gie für Mobil­funk so zusam­men zu rühren, dass er sie irgend­wie für die derzeit­ige Pan­demie ver­ant­wortlich macht. Wie das geht? Etwa so: Madon­na hat ein Video pro­duziert, auf dem hin­ter ihr alle Per­so­n­en umfall­en – der erste Hin­weis! Der zweite: Auf dem Cov­er ihres „Madame X“-Albums ist eine „Corona“-Schreibmaschine abge­bildet. Und damit dann drit­tens alles klar ist: Das X ist ein Freimaurer-Symbol!

Oliver Janich entlarvt Madonna mit Corona

Oliv­er Janich ent­larvt Madon­na mit Corona

Die Krö­nung der über das Coro­na-Virus ver­bre­it­eten Schwachsin­nigkeit­en in der „Weg­warte“ stellt aber zweifel­los der Hin­weis auf die Viren-The­o­rie von Ste­fan Lan­ka dar. Für den Impfgeg­n­er und AIUDS-Leugn­er Lan­ka gibt es keine Viren, die Krankheit­en verur­sachen kön­nten. AIDS wird für ihn eben­so wenig durch ein Virus verur­sacht wie die Masern oder die Vogel­grippe H5N1 – „poli­tis­che Krankheit­en“ wer­den sie von Lan­ka genan­nt. Wo kein Virus, braucht es auch keine Gegen­maß­nah­men. Schon Goethe habe übri­gens im „Faust“ vor „Tam­i­flu“ gewarnt, so Lanka.

Die „Weg­warte“ schließt ihren Beitrag mit den „kri­tis­chen Gedanken“ zum „Coro­na-Virus“ (die Anführungsze­ichen zum Virus wur­den in kon­se­quenter Anwen­dung der Lan­ka-The­sen von der „Weg­warte“ geset­zt) mit dem tröstlichen Hin­weis „Denn die Natur ist ganz sich­er nicht unser Feind.“ Wer dann? Das erfahren wir auf den fol­gen­den zwei Seit­en, die nach genauer Instruk­tion gefal­tet ein „Info-Blatt“ ergeben sollen, „das zum Her­aus­nehmen und Weit­er­ver­bre­it­en gedacht ist“.

Darin ist dann einiges über den „Feind“ der „Weg­warte“ zu lesen: „Es sind seit Jahren Armeen(!) von vor­wiegend jun­gen Män­nern, die zum Ein­drin­gen in die weni­gen Län­der Europas mit ver­gle­ich­sweise hohen Sozialleis­tun­gen (in erster Lin­ie Deutsch­land und Öster­re­ich) von mächti­gen Drahtziehern in Bewe­gung geset­zt wer­den.“ (Her­vorhe­bung im Original)

Die Drahtzieher wür­den uns, den Betrof­fe­nen, zwar weit­ge­hend ver­schwiegen, aber die „Weg­warte“ ver­spricht trotz­dem Aufk­lärung auf den fol­gen­den Seit­en. Die erfol­gt aber nur in sehr unbes­timmter Form: „Die Massen­zuwan­derung ist gewollt und geplant von all denen, die seit vie­len Jahren in supra­na­tionalen Gremien, ins­beson­dere der EU, die Nation­al­staat­en Schritt für Schritt zugun­sten der Glob­al­isierung abschaf­fen wollen.“ (Her­vorhe­bung im Original)

Konkreter wird es nicht; den Rest kann man sich ja ohne­hin denken. Wer sind denn diese Glob­al­is­ten, die vater­land­slosen Gesellen? Ver­mut­lich die gle­ichen, die das Wass­er in den Brun­nen vergiften, uns mit Chem­trails besprühen und mit kün­stlichen Seuchen überziehen …

Wom­it wir schon fast am Ende wären. Das „Wiener Mem­o­ran­dum 2020“, das sich mit dem Krieg in Syrien beschäftigt und einen Auf­guss des „Mem­o­ran­dums“ von 2015 darstellt, bejubelt auf zwei Seit­en zunächst die Assad-Dynas­tie („muster­haft geführter Staat“), um schließlich unter anderem die Aufkündi­gung der Gen­fer Flüchtlingskon­ven­tion zu fordern. Geze­ich­net ist das Mem­o­ran­dum des „Wiener Akademik­er-Kreis­es“ von Eva-Maria Bar­ki, die schon mehrmals auf „Stoppt die Recht­en“ vorgestellt wurde.

Bar­ki bildet jet­zt auch die Brücke zum Beitrag auf der let­zten Seite der „Weg­warte“, ein­er Buchempfehlung und Ein­ladung zur Bürg­erver­samm­lung mit Hein­rich Birn­leit­ner und dessen „Pro­jekt Über­leben“. Das Pro­jekt, das er in seinem gle­ich­nami­gen Buch und auf Bürg­erver­samm­lun­gen vorstellen will, schließt fast naht­los dort an, wo die anderen Ver­schwörungserzäh­lun­gen enden.

„Unzensuriert.at“ fasst das so zusammen:

Nach Thi­lo Sar­razin und anderen befasst sich nun auch der ehe­ma­lige öster­re­ichis­che Botschafter, Hein­rich Birn­leit­ner, kri­tisch mit der Massenein­wan­derung – über­wiegend aus moslemis­chen Län­dern – und der offen­sichtlichen Selb­stauf­gabe der autochtho­nen Bevölkerung Zen­traleu­ropas. Dabei geht der jet­zige Eigen­tümer des Wasser­schloss­es Ais­ter­sheim in seinem Buch “Das Pro­jekt Über­leben – anstelle uns abzuschaf­fen” nicht nur den Ursachen auf den Grund, son­dern ver­mit­telt auch Lösungsan­sätze.

Und was wäre der Lösungsansatz des Hein­rich Birn­leit­ner? Die Tren­nung der Altersver­sorgung vom Vorhan­den­sein eigen­er Kinder, der Ersatz der Näch­sten­liebe durch die Frem­den­liebe, die Erziehung zur Schuld­haftigkeit – das alles und noch viel mehr sollte nach Ansicht Birn­leit­ners ver­schwinden, ein iden­titäts­be­zo­genes Staat­sziel in die Ver­fas­sung aufgenom­men wer­den („die Ver­ankerung des Schutzes und Erhalts der his­torischen Zusam­menset­zung der öster­re­ichis­chen Bevölkerung“, heißt das in der Rezen­sion auf unzensuriert.at). Über­set­zt: Die autochthone Bevölkerung Öster­re­ichs muss wieder mehr Kinder kriegen, die Pen­sion­shöhe bei den „Autochtho­nen“ abhängig von der Kinderzahl gestal­tet wer­den. So ähn­lich ste­ht das bere­its im „Hand­buch frei­heitlich­er Poli­tik“, für das Nor­bert Hofer, mit­tler­weile Chef der FPÖ, ver­ant­wortlich zeichnet.

Birn­leit­ner ist der Besitzer von Schloss Ais­ter­sheim, wo im März 2018 der zweite Kongress der „Vertei­di­ger Europas“ abge­hal­ten wurde. Beim ersten Kongress der „Vertei­di­ger Europas“ 2016 in Linz durfte übri­gens Eva-Maria Bar­ki referieren. Bar­ki und Hofer wiederum verbinden gemein­same Auftritte für die Ini­tia­tive Heimat & Umwelt, die die „Weg­warte“ seit mit­tler­weile 30 Jahren herausgibt.

Welche Gemein­samkeit­en es zwis­chen den „Vertei­di­gern Europas“ und dem US- und NATO-Manöver „Defend­er Europe“ gibt, kön­nte eigentlich ein guter Stoff für eine andere Ver­schwörungs­geschichte wer­den. Erzäh­lerIn­nen dafür gäbe es ja genug. Noch eine Absage gibt es: Dem Virus fall­en auch die in der „Weg­warte“ angekündigten Bürg­erver­samm­lun­gen zum „Pro­jekt Über­leben“ mit Hein­rich Birn­leit­ner zum Opfer. Das Virus hat auch seine guten Seiten!

„Weg­warte“ und IHU

Die Zeitschrift „Weg­warte“ wird seit 1990 von der Ini­tia­tive Heimat & Umwelt (IHU) her­aus­gegeben. Fall­weise wird die Zeitschrift an einen bre­it­en Verteil­erkreis ver­schickt. Inge Rausch­er ist seit 1990, als sich die IHU auch als Partei reg­istri­eren ließ, deren Vor­sitzende und war zuvor in der Partei Vere­inte Grüne Öster­re­ichs (VGÖ) an deren extremen recht­en Rand aktiv. Franz Schan­dl schreibt dazu in seinem Beitrag „Die vierte Kraft. Zur Her­aus­bil­dung der Grü­nen in Niederöster­re­ich“ in der Zeitschrift „Streifzüge“: „Die dama­lige Führungsriege um Inge Rausch­er, Her­mann Soy­ka oder Ilse Hans (die später FPÖ-Land­tagsab­ge­ord­nete wer­den sollte) tendierten alle­mal zur äußer­sten Recht­en.

Das hat sich bei Inge Rausch­er auch später nicht geän­dert. Im Jahr 2000 war Rausch­er Ref­er­entin bei der hochtra­bend „Akademie“ genan­nten jährlichen Ver­samm­lung der neon­azis­tisch ori­en­tierten „Aktion­s­ge­mein­schaft für Poli­tik“ (AfP). Zulet­zt unter­stützte die IHU den Präsi­dentschaftswahlkampf von Nor­bert Hofer – nach eige­nen Angaben mit 800.000 Flug­blät­tern und mehreren Ver­anstal­tun­gen, bei denen Hofer teil­weise per­sön­lich als Red­ner auf­trat. Das DÖW schrieb dazu 2017:

Seinen Jän­ner-Auftritt hat­te Hofer genutzt, um Inge Rausch­er per­sön­lich für ihr Engage­ment um seine Präsi­dentschaft­skam­pagne zu würdi­gen, für das er ‚unendlich dankbar’ sei. Rausch­ers Ein­satz ‚für dieses Land’ (O‑Ton Hofer) schließt den Ver­trieb von ‚ÖXIT’-Aufklebern und den Vor­sitz in jen­em Per­so­n­enkomi­teemit ein, das 2015 das EU-Aus­tritts-Volks­begehren ini­ti­ierte und bei den anste­hen­den Wahlen eben­falls die FPÖ unter­stützt. Im IHU-Peri­odikum Weg­wartewird u. a. gegen die ‚US-Hoch­fi­nanz’ agi­tiert und insinuiert, dass die bei­den Weltkriege den USA dazu gedi­ent hät­ten, einem ‚kom­menden Crash durch Krieg zuvorzukom­men’ (3/2017, S. 6).

Rausch­er und die IHU waren 1997 am „Schilling-Volks­begehren“ der FPÖ beteiligt, das sich gegen die Teil­nahme an der Euro-Währung­sunion richtete. 2015 ini­ti­ierte die IHU das Volks­begehren zum Aus­tritt aus der EU. Bei­de Volks­begehren erre­icht­en nur rund eine Viertelmil­lion UnterzeichnerInnen.