Lesezeit: 7 Minuten

Die Wegwarte und das Virus

Die „Gemei­ne Weg­war­te“ ist 2020 zur „Heil­pflan­ze des Jah­res“ ernannt wor­den. Mit hei­len­den Wir­kun­gen hat die Zeit­schrift „Weg­war­te“, die sich mit der Pflan­ze schmückt, aber nichts zu tun. Ganz im Gegen­teil. Die Zeit­schrift, die in den letz­ten Tagen mit ihrer an Haus­hal­te adres­sier­ten März-Aus­­­ga­­be ver­schickt wur­de, ver­brei­tet ziem­lich „kran­ke“ Mel­dun­gen – über das angeb­lich unproblematische […]

25. Mrz 2020

Bei ihrer Schlag­zei­le auf der Titel­sei­te kann man der „Weg­war­te“ noch zugu­te hal­ten, dass sie mitt­ler­wei­le durch das Coro­na-Virus ein­ge­holt wur­de: „US-geführ­tes Manö­ver übt Krieg gegen Ruß­land: Größ­te Trup­pen­be­we­gung in Euro­pa seit dem 2. Weltkrieg!“

Gemeint ist das NATO-Manö­ver „Defen­der Euro­pe 2020“, das für einen Zeit­raum zwi­schen Jän­ner und Mai 2020 geplant war. Kei­ne Fra­ge, das NATO-Manö­ver hät­te das Poten­zi­al an Span­nung und Dro­hung in Euro­pa wei­ter erhö­hen kön­nen. Aber es ist nach eini­gen Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen abge­pfif­fen wor­den. Wegen des Corona-Virus.

Cover "Wegwarte" März 2020
Cover „Weg­war­te” März 2020

Auf­grund einer vira­len Bedro­hung, die es für die Redak­ti­on der „Weg­war­te“ eigent­lich gar nicht gibt. Der wich­tigs­te redak­tio­nel­le Bei­trag beschäf­tigt sich näm­lich mit die­sem Virus und den „vie­len Unge­reimt­hei­ten“ dazu, die die „Weg­war­te“ ent­deckt haben will. Der ers­te Tipp dazu: „alter­na­ti­ve Medi­en und Inter­net­blog­ger zu die­sem The­ma auf­merk­sam“ver­fol­gen. Die „Weg­war­te“ wüss­te da auch schon, wel­che: Wolf­gang Wodarg etwa, der als „Viro­lo­ge und Poli­ti­ker“ und mit dem Satz vor­ge­stellt wird: „Dem Coro­na-Hype liegt kei­ne außer­ge­wöhn­li­che medi­zi­ni­sche Gefahr zugrunde.“

Was die Gefahr von Sars-CoV‑2 betrifft, liegt Wodarg, der zwar kein Viro­lo­ge ist, aber als Lun­gen­fach­arzt und Gesund­heits­exper­te durch­aus aner­kannt war, nach Ansicht fast aller ande­ren Exper­ten ziem­lich dane­ben. Ein gut ver­ständ­li­cher Text, der Wodargs Argu­men­te sorg­fäl­tig zer­pflückt, fin­det sich auf spiegel.de. Die empi­risch sicht­ba­re Wider­le­gung sei­ner The­sen ist aktu­ell gera­de in Ita­li­en und Spa­ni­en zu beobachten.

Die „Weg­war­te“ hat aber noch ganz ande­re Kali­ber im Köcher. Oli­ver Janich, ein bekann­ter deut­scher Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker, Truther und Bör­sen­jour­na­list , wird mit sei­ner Aus­sa­ge vor­ge­stellt, dass durch die ver­wen­de­ten Tests die Zahl der posi­tiv Getes­te­ten und in Qua­ran­tä­ne Geschick­ten „viel zu hoch“ sei. Janich schafft es sogar, in einem ein­zi­gen Video Menin­gi­tis-Imp­fun­gen, Madon­na mit ihrem „Madame X“-Album und die 5G-Tech­no­lo­gie für Mobil­funk so zusam­men zu rüh­ren, dass er sie irgend­wie für die der­zei­ti­ge Pan­de­mie ver­ant­wort­lich macht. Wie das geht? Etwa so: Madon­na hat ein Video pro­du­ziert, auf dem hin­ter ihr alle Per­so­nen umfal­len – der ers­te Hin­weis! Der zwei­te: Auf dem Cover ihres „Madame X“-Albums ist eine „Corona“-Schreibmaschine abge­bil­det. Und damit dann drit­tens alles klar ist: Das X ist ein Freimaurer-Symbol!

Oliver Janich entlarvt Madonna mit Corona
Oli­ver Janich ent­larvt Madon­na mit Corona

Die Krö­nung der über das Coro­na-Virus ver­brei­te­ten Schwach­sin­nig­kei­ten in der „Weg­war­te“ stellt aber zwei­fel­los der Hin­weis auf die Viren-Theo­rie von Ste­fan Lan­ka dar. Für den Impf­geg­ner und AIUDS-Leug­ner Lan­ka gibt es kei­ne Viren, die Krank­hei­ten ver­ur­sa­chen könn­ten. AIDS wird für ihn eben­so wenig durch ein Virus ver­ur­sacht wie die Masern oder die Vogel­grip­pe H5N1 – „poli­ti­sche Krank­hei­ten“ wer­den sie von Lan­ka genannt. Wo kein Virus, braucht es auch kei­ne Gegen­maß­nah­men. Schon Goe­the habe übri­gens im „Faust“ vor „Tami­f­lu“ gewarnt, so Lanka.

Die „Weg­war­te“ schließt ihren Bei­trag mit den „kri­ti­schen Gedan­ken“ zum „Coro­na-Virus“ (die Anfüh­rungs­zei­chen zum Virus wur­den in kon­se­quen­ter Anwen­dung der Lan­ka-The­sen von der „Weg­war­te“ gesetzt) mit dem tröst­li­chen Hin­weis „Denn die Natur ist ganz sicher nicht unser Feind.“ Wer dann? Das erfah­ren wir auf den fol­gen­den zwei Sei­ten, die nach genau­er Instruk­ti­on gefal­tet ein „Info-Blatt“ erge­ben sol­len, „das zum Her­aus­neh­men und Wei­ter­ver­brei­ten gedacht ist“.

Dar­in ist dann eini­ges über den „Feind“ der „Weg­war­te“ zu lesen: „Es sind seit Jah­ren Armeen(!) von vor­wie­gend jun­gen Män­nern, die zum Ein­drin­gen in die weni­gen Län­der Euro­pas mit ver­gleichs­wei­se hohen Sozi­al­leis­tun­gen (in ers­ter Linie Deutsch­land und Öster­reich) von mäch­ti­gen Draht­zie­hern in Bewe­gung gesetzt wer­den.“ (Her­vor­he­bung im Original)

Die Draht­zie­her wür­den uns, den Betrof­fe­nen, zwar weit­ge­hend ver­schwie­gen, aber die „Weg­war­te“ ver­spricht trotz­dem Auf­klä­rung auf den fol­gen­den Sei­ten. Die erfolgt aber nur in sehr unbe­stimm­ter Form: „Die Mas­sen­zu­wan­de­rung ist gewollt und geplant von all denen, die seit vie­len Jah­ren in supra­na­tio­na­len Gre­mi­en, ins­be­son­de­re der EU, die Natio­nal­staa­ten Schritt für Schritt zuguns­ten der Glo­ba­li­sie­rung abschaf­fen wol­len.“ (Her­vor­he­bung im Original)

Kon­kre­ter wird es nicht; den Rest kann man sich ja ohne­hin den­ken. Wer sind denn die­se Glo­ba­lis­ten, die vater­lands­lo­sen Gesel­len? Ver­mut­lich die glei­chen, die das Was­ser in den Brun­nen ver­gif­ten, uns mit Chem­trails besprü­hen und mit künst­li­chen Seu­chen überziehen …

Womit wir schon fast am Ende wären. Das „Wie­ner Memo­ran­dum 2020“, das sich mit dem Krieg in Syri­en beschäf­tigt und einen Auf­guss des „Memo­ran­dums“ von 2015 dar­stellt, beju­belt auf zwei Sei­ten zunächst die Assad-Dynas­tie („mus­ter­haft geführ­ter Staat“), um schließ­lich unter ande­rem die Auf­kün­di­gung der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on zu for­dern. Gezeich­net ist das Memo­ran­dum des „Wie­ner Aka­de­mi­ker-Krei­ses“ von Eva-Maria Bar­ki, die schon mehr­mals auf „Stoppt die Rech­ten“ vor­ge­stellt wurde.

Bar­ki bil­det jetzt auch die Brü­cke zum Bei­trag auf der letz­ten Sei­te der „Weg­war­te“, einer Buch­emp­feh­lung und Ein­la­dung zur Bür­ger­ver­samm­lung mit Hein­rich Birn­leit­ner und des­sen „Pro­jekt Über­le­ben“. Das Pro­jekt, das er in sei­nem gleich­na­mi­gen Buch und auf Bür­ger­ver­samm­lun­gen vor­stel­len will, schließt fast naht­los dort an, wo die ande­ren Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen enden.

„Unzensuriert.at“ fasst das so zusammen:

Nach Thi­lo Sar­ra­zin und ande­ren befasst sich nun auch der ehe­ma­li­ge öster­rei­chi­sche Bot­schaf­ter, Hein­rich Birn­leit­ner, kri­tisch mit der Mas­sen­ein­wan­de­rung – über­wie­gend aus mos­le­mi­schen Län­dern – und der offen­sicht­li­chen Selbst­auf­ga­be der auto­chtho­nen Bevöl­ke­rung Zen­tral­eu­ro­pas. Dabei geht der jet­zi­ge Eigen­tü­mer des Was­ser­schlos­ses Ais­ters­heim in sei­nem Buch “Das Pro­jekt Über­le­ben – anstel­le uns abzu­schaf­fen” nicht nur den Ursa­chen auf den Grund, son­dern ver­mit­telt auch Lösungs­an­sät­ze.

Und was wäre der Lösungs­an­satz des Hein­rich Birn­leit­ner? Die Tren­nung der Alters­ver­sor­gung vom Vor­han­den­sein eige­ner Kin­der, der Ersatz der Nächs­ten­lie­be durch die Frem­den­lie­be, die Erzie­hung zur Schuld­haf­tig­keit – das alles und noch viel mehr soll­te nach Ansicht Birn­leit­ners ver­schwin­den, ein iden­ti­täts­be­zo­ge­nes Staats­ziel in die Ver­fas­sung auf­ge­nom­men wer­den („die Ver­an­ke­rung des Schut­zes und Erhalts der his­to­ri­schen Zusam­men­set­zung der öster­rei­chi­schen Bevöl­ke­rung“, heißt das in der Rezen­si­on auf unzensuriert.at). Über­setzt: Die auto­chtho­ne Bevöl­ke­rung Öster­reichs muss wie­der mehr Kin­der krie­gen, die Pen­si­ons­hö­he bei den „Auto­chtho­nen“ abhän­gig von der Kin­der­zahl gestal­tet wer­den. So ähn­lich steht das bereits im „Hand­buch frei­heit­li­cher Poli­tik“, für das Nor­bert Hofer, mitt­ler­wei­le Chef der FPÖ, ver­ant­wort­lich zeichnet.

Birn­leit­ner ist der Besit­zer von Schloss Ais­ters­heim, wo im März 2018 der zwei­te Kon­gress der „Ver­tei­di­ger Euro­pas“ abge­hal­ten wur­de. Beim ers­ten Kon­gress der „Ver­tei­di­ger Euro­pas“ 2016 in Linz durf­te übri­gens Eva-Maria Bar­ki refe­rie­ren. Bar­ki und Hofer wie­der­um ver­bin­den gemein­sa­me Auf­trit­te für die Initia­ti­ve Hei­mat & Umwelt, die die „Weg­war­te“ seit mitt­ler­wei­le 30 Jah­ren herausgibt.

Wel­che Gemein­sam­kei­ten es zwi­schen den „Ver­tei­di­gern Euro­pas“ und dem US- und NATO-Manö­ver „Defen­der Euro­pe“ gibt, könn­te eigent­lich ein guter Stoff für eine ande­re Ver­schwö­rungs­ge­schich­te wer­den. Erzäh­le­rIn­nen dafür gäbe es ja genug. Noch eine Absa­ge gibt es: Dem Virus fal­len auch die in der „Weg­war­te“ ange­kün­dig­ten Bür­ger­ver­samm­lun­gen zum „Pro­jekt Über­le­ben“ mit Hein­rich Birn­leit­ner zum Opfer. Das Virus hat auch sei­ne guten Seiten!

„Weg­war­te“ und IHU

Die Zeit­schrift „Weg­war­te“ wird seit 1990 von der Initia­ti­ve Hei­mat & Umwelt (IHU) her­aus­ge­ge­ben. Fall­wei­se wird die Zeit­schrift an einen brei­ten Ver­tei­ler­kreis ver­schickt. Inge Rauscher ist seit 1990, als sich die IHU auch als Par­tei regis­trie­ren ließ, deren Vor­sit­zen­de und war zuvor in der Par­tei Ver­ein­te Grü­ne Öster­reichs (VGÖ) an deren extre­men rech­ten Rand aktiv. Franz Schandl schreibt dazu in sei­nem Bei­trag „Die vier­te Kraft. Zur Her­aus­bil­dung der Grü­nen in Nie­der­ös­ter­reich“ in der Zeit­schrift „Streif­zü­ge“: „Die dama­li­ge Füh­rungs­rie­ge um Inge Rauscher, Her­mann Soy­ka oder Ilse Hans (die spä­ter FPÖ-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te wer­den soll­te) ten­dier­ten alle­mal zur äußers­ten Rech­ten.

Das hat sich bei Inge Rauscher auch spä­ter nicht geän­dert. Im Jahr 2000 war Rauscher Refe­ren­tin bei der hoch­tra­bend „Aka­de­mie“ genann­ten jähr­li­chen Ver­samm­lung der neo­na­zis­tisch ori­en­tier­ten „Akti­ons­ge­mein­schaft für Poli­tik“ (AfP). Zuletzt unter­stütz­te die IHU den Prä­si­dent­schafts­wahl­kampf von Nor­bert Hofer – nach eige­nen Anga­ben mit 800.000 Flug­blät­tern und meh­re­ren Ver­an­stal­tun­gen, bei denen Hofer teil­wei­se per­sön­lich als Red­ner auf­trat. Das DÖW schrieb dazu 2017:

Sei­nen Jän­ner-Auf­tritt hat­te Hofer genutzt, um Inge Rauscher per­sön­lich für ihr Enga­ge­ment um sei­ne Prä­si­dent­schafts­kam­pa­gne zu wür­di­gen, für das er ‚unend­lich dank­bar’ sei. Rauschers Ein­satz ‚für die­ses Land’ (O‑Ton Hofer) schließt den Ver­trieb von ‚ÖXIT’-Aufklebern und den Vor­sitz in jenem Per­so­nen­ko­mi­teemit ein, das 2015 das EU-Aus­tritts-Volks­be­geh­ren initi­ier­te und bei den anste­hen­den Wah­len eben­falls die FPÖ unter­stützt. Im IHU-Peri­odi­kum Weg­war­te­wird u. a. gegen die ‚US-Hoch­fi­nanz’ agi­tiert und insi­nu­iert, dass die bei­den Welt­krie­ge den USA dazu gedient hät­ten, einem ‚kom­men­den Crash durch Krieg zuvor­zu­kom­men’ (3/2017, S. 6).

Rauscher und die IHU waren 1997 am „Schil­ling-Volks­be­geh­ren“ der FPÖ betei­ligt, das sich gegen die Teil­nah­me an der Euro-Wäh­rungs­uni­on rich­te­te. 2015 initi­ier­te die IHU das Volks­be­geh­ren zum Aus­tritt aus der EU. Bei­de Volks­be­geh­ren erreich­ten nur rund eine Vier­tel­mil­li­on UnterzeichnerInnen.