Wochenschau KW 10/20

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Tät­li­cher anti­se­mi­ti­scher Angriff auf einen Jugend­li­chen in Graz, die mas­si­ve Beschä­di­gung eines Mahn­mals für Roma und Sin­ti in Salz­burg und die FPÖ, die wie­der ein­mal eine „Schmutz­kü­bel­kam­pa­gne“ wit­tert, wenn’s um einen „Ein­zel­fall“ bei ihr geht; dabei zwar kei­ne Erklä­run­gen lie­fert, dafür aber Medi­en mit juris­ti­schen Kon­se­quen­zen droht.

Kla­gen­furt: Nazi-Bil­der aus Angst vorm Chef
Salz­burg: Beschä­di­gung des Roma-/Sin­ti-Mahn­mals
Wien: brau­ne Paro­len, Lie­der und eine Spritzennadel
Graz: Anti­se­mi­ti­scher Über­griff gegen Jugendlichen
Stei­er­mark: FPÖ wit­tert „Schmutz­kü­bel­kam­pa­gne“
Inns­bruck: Auf­re­gung wegen T‑Shirts mit ange­deu­te­tem Hakenkreuz

Kla­gen­furt: Nazi-Bil­der aus Angst vorm Chef

Eine uns bis­lang unbe­kann­te Vari­an­te einer Erklä­rung, war­um man Nazi-Bil­der ver­schickt, hat ein 52-jäh­ri­ger Kla­gen­fur­ter vor Gericht gelie­fert. Der schick­te näm­lich sei­nem Chef via Whats­App Sujets wie „ein Foto, das Adolf Hit­ler mit dem Unter­ti­tel ‚Gute Zei­ten‘ und Ange­la Mer­kel mit dem Unter­ti­tel ‚Schlech­te Zei­ten‘ zeigt“ oder den Spruch „Ein Volk ein Reich ein F – War­tet ihr Volks­ver­rä­ter, wir schän­den eure Grä­ber“ (kaernten.orf.at, 5.3.20) und begrün­de­te das damit, er habe sol­che Bil­der vom Chef erhal­ten, und weil er von dem abhän­gig sei, habe er aus Angst vor einem Job­ver­lust geglaubt, Ähn­li­ches retour­nie­ren zu müs­sen. Und über­haupt sei alles nur Sati­re gewe­sen. Ein ein­stim­mi­ger Schuld­spruch und 15 Mona­te bedingt (nicht rechts­kräf­tig) waren die Fol­ge die­ser „Sati­re“. Blie­be nur die Fra­ge, was „der Chef“ wirk­lich geschickt hat.

Salz­burg: Beschä­di­gung des Roma-/Sin­ti-Mahn­mals

Ende Febru­ar ist das Mahn­mal „Nie­mals Ver­ges­sen” in Salz­burg-Leo­polds­kron-Moos, das an die Roma und Sin­ti, die wäh­rend des NS in das Lager Max­glan ver­bracht wor­den waren, erin­nern soll, schwer beschä­digt wor­den. „In dem Salz­bur­ger Ort wur­den ab 1939 230 Roma und Sin­ti von den Natio­nal­so­zia­lis­ten inter­niert, zur Zwangs­ar­beit gezwun­gen und spä­ter nach Ausch­witz depor­tiert. (…) Der Salz­bur­ger Netz­werk­ko­or­di­na­tor von _erinnern.at_, Robert Ober­mair, ist ent­setzt: ‚Es ist schreck­lich, dass wir in der Stadt Salz­burg und ihrer Umge­bung stän­dig wie­der mit der­ar­ti­gen ewig­gest­ri­gen Zer­stö­rungs­ak­tio­nen kon­fron­tiert sind. In den letz­ten Jah­ren wur­den Stol­per­stei­ne her­aus­ge­ris­sen, das Eutha­na­sie­mahn­mal zer­trüm­mert und die Gedenk­ta­fel für die Gold­eg­ger Wehr­machts­de­ser­teu­re beschmiert, um hier nur eini­ge weni­ge Über­grif­fe zu nen­nen.’“ (erinnern.at)

Wie auch Fotos bele­gen, wur­de die 2009 errich­te­te, meh­re­re hun­dert Kilo schwe­re Metall­skulp­tur, die als Hör­mahn­mal kon­zi­piert ist, von sei­nem Stein­so­ckel gekippt.

Schwer beschädigtes Roma-/Sinti-Mahnmal in Salzburg Leopoldskron (Foto Radiofabrik)

Schwer beschä­dig­tes Roma-/Sin­ti-Mahn­mal in Salz­burg Leo­polds­kron (Foto Radio­fa­brik)

Wien: brau­ne Paro­len, Lie­der und eine Spritzennadel

Ein Lokal im drit­ten Wie­ner Bezirk wur­de zuerst Schau­platz einer Ran­da­le durch einen 60-Jäh­ri­gen, der dann auch noch NS-Paro­len und ein­schlä­gi­ge Lie­der von sich gab. „Zeu­gen alar­mier­ten gegen 20.00 Uhr die Poli­zei, nach­dem der Öster­rei­cher in einem Lokal in der Ung­ar­gas­se bei der Schnell­bahn­sta­ti­on Renn­weg ran­da­lier­te, „Heil Hit­ler“ und „Sieg heil“ skan­dier­te und NS-Lie­der sang. Der 60-Jäh­ri­ge rann­te zur S‑Bahn. Dort wur­de er von Poli­zis­ten in einem Zug ange­hal­ten. „Er beschimpf­te die Beam­ten und äußer­te wei­te­res natio­nal­so­zia­lis­ti­sches Gedan­ken­gut“, berich­te­te Poli­zei­spre­cher Paul Eiden­ber­ger. Außer­dem ver­such­te der Mann, die Beam­ten mit Trit­ten und Schlä­gen zu ver­let­zen. Er wur­de über­wäl­tigt und wegen natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Wie­der­be­tä­ti­gung fest­ge­nom­men.“ (wien.orf.at, 3.3.20)

Als Drauf­ga­be wur­de auch noch ein Poli­zist durch eine Sprit­zen­na­del, die der offen­bar dro­gen­ab­hän­gi­ge Fest­ge­nom­me­ne bei sich trug verletzt.

Graz: Anti­se­mi­ti­scher Über­griff gegen Jugendlichen

Die Gra­zer Jüdi­sche Gemein­de berich­tet in einer Pres­se­aus­sendung von einem tät­li­chen Angriff auf einen Schü­ler, der – so die Kro­nen Zei­tung – zum Juden­tum kon­ver­tie­ren woll­te. „Am 4.3. wird ein sech­zehn­jäh­ri­ger Schü­ler der einen Ring mit einem David­stern trägt, unweit des Bischöf­li­chen Gym­na­si­ums in Graz von zwei Jugend­li­chen tät­lich ange­grif­fen. Die etwa fünf­zehn bis sieb­zehn Jah­re alten Jun­gen spre­chen den Schü­ler auf sei­nen Ring an und wol­len wis­sen, ob er Jude sei. Er bejaht und wird von den Angrei­fern auf­ge­for­dert sich zu ‚ver­pis­sen‘. Als er dem nicht unmit­tel­bar nach­kommt, ver­setzt ihm einer der Jugend­li­chen mehr­mals mit der fla­chen Hand sowie der Faust Schlä­ge ins Gesicht. Gleich­zei­tig wird das Opfer als ‚Scheiß Jude‘ beschimpft. Der Schü­ler erlei­det Häma­to­me sowie meh­re­re Schürf­wun­den, sei­ne Lip­pen sind auf­ge­platzt. Er wird im Lan­des­kran­ken­haus Graz erst­ver­sorgt.“ (OTS)

Stei­er­mark: FPÖ wit­tert „Schmutz­kü­bel­kam­pa­gne“

Schon wie­der hat es die FPÖ getrof­fen, schon wie­der vor einer Wahl. „Links­extre­mis­ten“ haben just mit der Mail-Adres­se eines gänz­lich unbe­kann­ten stei­ri­schen FPÖ-Jung­po­li­ti­kers bereits 2011 sehr vor­aus­schau­end einen Account mit den Pro­fil­na­men „Lord Nes­ti“ auf der bei Neo­na­zis belieb­ten Gamer-Platt­form Steam ange­legt und haben ihm 2014 das Pseud­onym „Adolf Hit­ler der Füh­rer“ und 2016 „Hein­rich Himm­ler“ samt ent­spre­chen­dem Pro­fil­bild ver­passt. Und nun, nach­dem dem Lord in der Metro­po­le Groß­wil­fers­dorf als blau­er Spit­zen­kan­di­dat für die Gemein­de­rats­wahl eine bedeu­ten­de Kar­rie­re bevor steht, hat laut FPÖ-Pres­se­aus­sendung der Stan­dard „mit Unter­stüt­zung eines anony­men und links­extre­men Hetz­por­tals“ – gemeint ist hier „FPÖ Fails“ – eine „Schmutz­kü­bel­kam­pa­gne“ los­ge­tre­ten. Man wer­de dage­gen juris­tisch vor­ge­hen. „Der ‚Stan­dard‘ und ande­re ‚Qua­li­täts­me­di­en‘ wer­den von unse­ren Anwäl­ten hören“, so der Lan­des­par­tei­se­kre­tär der FPÖ Stei­er­mark Ste­fan Her­mann.“ (OTS) Wei­te­re Kon­se­quen­zen gab es keine.

Wir hät­ten da aller­dings ein paar Fra­gen: Wie ist es erklär­bar, dass kurz nach Anruf des Stan­dard beim Betrof­fe­nen (oder der FPÖ Stei­er­mark) der ins Visier gera­te­ne Steam-Account auf „pri­vat“ gestellt wur­de und offen­bar auch noch You­Tube-Vide­os von „Lord Nes­ti“, die nicht ein­mal Teil der Bericht­erstat­tung waren, gelöscht wurden?

War­um bie­ten weder der Betrof­fe­ne noch die FPÖ Stei­er­mark auch nur irgend­ei­nen Erklä­rungs­ver­such an, wie es zum angeb­li­chen Miss­brauch der Mail­adres­se gekom­men sein kann, ohne dass er davon etwas gemerkt hat, zumal beim Anle­gen des Steam-Accounts eine Veri­fi­zie­rungs­auf­for­de­rung an sei­ne Mail­adres­se offen­bar bestä­tigt wur­de? Schließ­lich: Benutzt die FPÖ neu­er­dings die sofor­ti­ge Dro­hung mit juris­ti­schem Vor­ge­hen als Ein­schüch­te­rung, um etwa­ige „Ein­zel­fäl­le“ so unter der Decke zu halten?

Inns­bruck: Auf­re­gung wegen T‑Shirts mit ange­deu­te­tem Hakenkreuz

Natür­lich kön­nen wir von außen den tat­säch­li­chen Sach­ver­halt nicht abschlie­ßend beur­tei­len, aber die Erklä­rung des Shop-Besit­zers, in des­sen Aus­la­ge ein T‑Shirt mit vier Ein­kaufs­wä­gen, die in Haken­kreuz­form ange­ord­net sind und das die Auf­schrift „Kauf­rausch tyrol“ trägt, klingt durch­aus glaub­haft und nach­voll­zieh­bar: „Der Besit­zer des T‑Shirt-Shops, Thom Mel­mer, spricht von einer anti­fa­schis­ti­schen Inten­ti­on. ‚Das ist im Kon­text künst­le­ri­scher Pro­vo­ka­ti­on zu sehen‘, sagt er. ‚Wir wol­len Nazis anpran­gern, es geht dar­um, den Kon­sum­rausch als faschis­ti­sche Akti­on dar­zu­stel­len.‘ Das Shirt sei vor zehn Jah­ren von einem über­zeug­ten Anti­fa­schis­ten ent­wor­fen wor­den, die Auf­schrift ‚Kauf­rausch Tyrol‘ sei eine kri­ti­sche Anspie­lung dar­auf, dass das vor zehn Jah­ren wie­der­eröff­ne­te Inns­bru­cker Kauf­haus Tyrol einst durch die Nazis ari­siert wor­den war.“ (derstandard.at, 6.3.20)

Die Poli­zei ist nach einer Anzei­ge ein­ge­schrit­ten, das bean­stan­de­te T‑Shirt wur­de ent­fernt. Es ist zu hof­fen, dass es nicht zu einer Wie­der­ho­lung jenes Fal­les kommt, in dem die Ver­wen­dung des sehr gän­gi­gen anti­fa­schis­ti­schen Sym­bols eines Haken­kreu­zes, das in einem Mist­korb lan­det, als Anlass zu Ermitt­lun­gen wegen Wie­der­be­tä­ti­gung genom­men wur­de. Auch das war in Tirol!

Entfernung des T-Shirts "Kaufrausch tyrol" aus einem Online-Shop "Bis die Untersuchungen abgeschlossen sind"

Ent­fer­nung des T‑Shirts „Kauf­rausch tyrol” aus einem Online-Shop „Bis die Unter­su­chun­gen abge­schlos­sen sind”

Über den Auf­marsch der Iden­ti­tä­ren vor der grie­chi­schen Bot­schaft in Wien, am Lue­ger-Platz und dem Über­griff auf die SJ am Karls­platz wer­den wir in einem eige­nen Bei­trag berichten.