Wien/Oberösterreich: Sellner-Mails, Sellner-Hausdurchsuchung und oberösterreichisches Schwanken
Oberösterreich: Wiesinger da, Wiesinger weg
Vorarlberg: blaue Ortsgruppen lösen sich auf
Seekirchen/Wallersee: dubiose Weinbergschule geschlossen
Wien/Oberösterreich: Identitäre
Bevor Ibiza kam, erregten noch Meldungen zu den Identitären einigermaßen Aufsehen. Da wurden Details zur Hausdurchsuchung bei Martin Sellner bekannt und sein Mail-Verkehr mit dem Attentäter von Christchurch, der doch weit mehr umfasste als eine kurze, formale Dankesantwort, wie Sellner ursprünglich behauptet hatte. Nach dem Eintreffen der Spende hatte Sellner sich tatsächlich einmal bedankt:
‚Ich möchte dir persönlich für deine unglaubliche Spende danken‘, schrieb Sellner. Er sei ‚wirklich überrascht und begeistert’. ‚Das hier ist meine persönliche E‑Mail-Adresse – kontaktiere mich jederzeit, wenn du willst‘, so Sellner.Daraus entwickelt sich ein kurzer E‑Mail-Verlauf zwischen Sellner und dem mutmaßlichen Rechtsterroristen T. (…) T.s Worte, so schreibt Sellner zurück, gäben ihm ‚wirklich Energie und Motivation‘. ‚Wenn du je nach Wien kommst, müssen wir auf einen Kaffee oder ein Bier gehen.‘ Die Einladung wird erwidert. ‚Das gilt auch für dich, wenn du je Australien oder Neuseeland besuchst‘, antwortet T. dem Wiener Rechtsextremisten. Fakt ist, dass T. in den Monaten darauf mehrere Tage in Österreich verbringt – und einen Tag nach dem letzten E‑Mail Kontakt zwischen Sellner, T. ‚und anderen‘ online ein Mietauto in Österreich reserviert. (derstandard.at, 14.5.19)
Kurz darauf wurde dann noch erstaunliche Details zur Hausdurchsuchung bei Sellner bekannt. Demnach traf die Polizei um 13 Uhr bei Sellner Wohnung ein, klopfte einige Zeit an seine Wohnungstüre.
„Danach wurde ‚mehrmals an die Wohnungstür geklopft‘. Obwohl zu diesem Zeitpunkt ‚vermeintliche [sic!] Geräusche aus dem Wohnungsinneren vernommen werden’ konnten, ergriffen die Polizisten keine Maßnahmen. Sie warten ganze zwölf Minuten, bevor ihnen ‚nach beharrlichem Klopfen und dem verbalen Ersuchen um Öffnung der Wohnungstür‘ diese von Sellner geöffnet wurde. Ein mit Polizeivorgängen vertrauter Experte bezeichnet diese Wartezeit als ein Vorgehen, das ‚gegen jegliche taktische Gebote’ verstößt – gerade weil Sellner für das BVT als mutmaßlicher ‚Teil eines international agierenden rechtsextremen Netzwerks‘ gilt, der Geld von einem Terroristen erhalten hat.“ (derstandard.at, 16.5.19)
Dass Sellner knapp davor noch seinen Mailverkehr mit dem späteren Attentäter löschte und das ungewöhnliche Vorgehen der Polizei bei der Razzia nährten die Vermutung, dass Sellner vorgewarnt worden war, es also ein Leck im Innenministerium gegeben hatte. Es wird eine der vielen Dinge sein, die nach dem Abgang von Kickl im Innenministerium zu klären sein werden.
In Oberösterreich hatten der Linzer SPÖ-Bürgermeister und der ÖVP-Landeshauptmann ihre Kooperationen mit der FPÖ vor dem Ibiza-Gate einzementiert. Die tiefe Verstrickung gerade der FPÖ-Oberösterreich zu den Identitären, deren Konsequenzen überschaubar blieben, waren keine gewichtigen Gründe, um das Arbeitsübereinkommen in Linz und die Regierung auf Landesebene zu lösen. Erst das Strache-Gudenus-Video und die bevorstehende Nationalratswahl zwangen Luger in Linz zu handeln, um die SPÖ nicht noch mehr in die Bredouille zu bringen. Der Abgang des politisch schwer angeschlagen Rechtsaußen-Landesrats Podgorschek eröffnete für LH Stelzer die Chance, an der Koalition festzuhalten. Und damit sind wir gleich beim nächsten Thema, Odin sei Dank!
Oberösterreich: Wiesinger da, Wiesinger weg
Am Montag, 13.5. war allen Warnungen und Protesten zum Trotz der FPÖ-Pinselschwinger Manfred „Odin“ Wiesinger in den oberösterreichischen Landeskulturbeirat gewählt worden. Für seine Aufnahme stimmte auch die ÖVP.
Der aus Puchenau stammende Autor Thomas Baum, seit fast acht Jahren Mitglied im Kulturbeirat, hat auf Facebook seinen sofortigen Rücktritt bekannt gegeben. Mit Wiesingers Bestellung setze sich ‚auch in diesem hochkarätig besetzten Gremium die besorgniserregende Unkultur der dauernden und massiven Überschreitungen einer roten Linie fort‘, so der Krimi-Autor. Der Ruf des Landeskulturbeirats werde damit nicht nur aufs Spiel gesetzt, sondern nachhaltig beschädigt. (nachrichten.at, 14.5.19)
Wiesinger startete ganz in blauer Opfermanier einen Rundumschlag gegen KritikerInnen seiner Bestellung, nämlich an „all die vom Hass Zerfressenen, die Denunzianten und selbsternannten Moralapostel, an die Inquisitoren, an die Unterdrücker der Meinungsfreiheit, an all die Selbstgerechten, Berufsbetroffenen und ansonsten Toleranzbesoffenen, an die Heuchler und an die ideologisch Verderbten, etc. … und an die grünen und roten Hetzer: … ihr seid widerlich mit eurer Menschenjagd auf mich!“ (zit. nach nachrichten.at)
Ein Interview mit dem „profil“ und wohl auch die Ausschläge der Ibiza-Affäre brachten sein jähes Ende im Kulturbeirat, Landeshauptmann Stelzer musste reagieren. „Was Wiesingers Mitarbeit bei der im Vorjahr eingestellten FPÖ-Postille ‚Aula’ betrifft, in der KZ-Häftlinge als ‚Landplage‘ bezeichnet wurden, resümiert der erklärte Lieblingsmaler von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ):
‚Nur feine Menschen, angenehme Zeitgenossen waren da sicher nicht darunter. Diese Herrschaften’ hätte bereits der damalige Landeshauptmannstellvertreter in den 1960er-Jahren in seinen Memoiren so bezeichnet. Zum Vorwurf der ‚Nähe zu NS-Ideologien’ entgegnet Wiesinger, dass ihm ‚Sozialismus in seiner Gesamtheit – der nationale wie internationale – nicht behagt. Ich sehe beides als Völkergefängnis an’. Er lehne den Sozialismus jeder Ausprägung ab: ‚Verbrecherisch in ihren Auswirkungen waren beide, Nationalsozialismus wie Sozialismus. Das muss man ohne ideologische Scheuklappen sagen dürfen.’ Bei der Frage nach der ‚Ausschwitzlüge’ entgegnet der Maler: ‚Das ist bis heute nicht mein Ressort. Außerdem gibt es auch immer wieder neue Erkenntnisse darüber.’“ (profil.at, 18.5.19)
Die „neuen Erkenntnisse“ des Manfred Wiesinger hätten uns doch interessiert, die wird er uns jedoch so schnell nicht mitteilen, denn am Wochenende erfolgte sein Rückzug: „Odin Wiesinger tritt den Posten des oberösterreichischen Landeskulturbeirats nicht an. Das teilte die oberösterreichische FPÖ in einer Presseaussendung mit. Die getätigten Aussagen Wiesingers zu ‚KZ-Häftlingen‘ bezeichnete sie als ‚unglückliche oder missverständliche Äußerungen‘.“ (kurier.at, 18.5.19) Ja, Unglück und Missverständnisse – zuweilen auch „bsoffene Geschichten“ – pflastern den Weg der FPÖ.
Vorarlberg: blaue Ortsgruppen lösen sich auf
Noch bevor das Debakelwochenende für die FPÖ da war, wirbelte es schon in Vorarlberg. Am 16.5. wurde bekannt, dass die Ortsgruppe Götzis einige Abgänge zu verzeichnen hatte, darunter den bisherigen Ortsparteiobmann und blauen Bundesrat Christioph Längle. Der Bundesrat wird nun als wilder Abgeordneter in Wien weiterwerken. Am Tag danach zu Mittag kam Nachricht aus der nächsten Ortsgruppe:
Die FPÖ-Ortsgruppe Lorüns gibt am Freitagmittag in einer Presseaussendung den Austritt aus der Freiheitlichen Partei Vorarlberg bekannt. Auch für die Landtagswahl 2019 stehe man nicht mehr zur Verfügung, heißt es in der Aussendung. Die FPÖ entwickle sich in eine Richtung, die für die Ortsgruppe nicht mehr tragbar sei. Auch in anderen Ortsgruppen herrscht Unzufriedenheit mit der Parteileitung. So war etwa dem Gemeinderat in Meiningen (Bezirk Feldkirch) das Rattengedicht ‚ein Zufall zu viel‘. (vol.at, 17.5.19)
Die Ortsgruppe Lorüns wurde jedoch wenige Stunden später wieder auf blauen Kurs gebracht und trat von ihrem Austritt zurück. „Landesgeschäftsführer Christian Klien bestätigte, es habe Missverständnisse gegeben, diese seien aber nun ausgeräumt.“ (vol.at, 17.5.19). Also wieder einmal ein Missverständnis …
Seekirchen/Wallersee: Dubiose Weinbergschule geschlossen
Die Angelegenheit hat sich über Jahre hinweggezogen, reagiert hat das Bildungsministerium allerdings erst in der letzten Woche. Wir haben in anderen Beiträgen bereits auf den ideologisch rechtsextremen Background der sektenartig geführten Weinbergschule der „Werktätigen Christen“ hingewiesen. Eine ORF-Doku aus 2017, ein Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft, Interventionen der Jugendwohlfahrt, Bemühungen der Grünen im Land Salzburg und auf Bundesebene hatten zwar Untersuchungen zur Folge, das Bildungsministerium konnte sich dennoch nicht dazu durchringen, die Schließung der Schule, die das Öffentlichkeitsrecht besaß, zu veranlassen.

Was nun das reichlich verspätete Handeln des Ministeriums ausgelöst hat, wurde offenbar nicht bekannt gegeben.
Argumentiert wurde der Entzug des Rechts auf die Schulführung nun mit zahlreichen ‚schwerwiegenden Gründen‘. So wird nicht nur die praktizierte Unterrichtsmethode infrage gestellt, die Behörde sah sich offenbar auch aus Sorge um das Kindeswohl zum Handeln gezwungen. Zudem wurden nicht genehmigte Räume als Unterrichtszimmer benutzt. (APA via salzburg24.at, 17.5.19)