an.schläge-Interview: Rechte Spektakel

Das fem­i­nis­tis­che Mag­a­zin an.schläge hat in der Aus­gabe 5/2017 ein Inter­view mit Judith Götz zur Frage, wie mit dem beson­deren medi­alem Inter­esse an den neuen Aktions­for­men recht­sex­tremer Grup­pierun­gen umge­gan­gen wer­den kann, geführt. Wir dür­fen hier fre­undlicher­weise das Inter­view wiedergeben.

Rechte Spek­takel
Wie kön­nen Medi­en mit neuen Aktions­for­men recht­sex­tremer Grup­pierun­gen umgehen?

Recht­sex­trem­istis­che Straftat­en sind in Öster­re­ich zulet­zt gestiegen. Warum gibt es darüber wenig medi­ale Berichterstattung?
Redak­tio­nen haben aktuell nicht so leicht Zugang, wenn Ver­bots­gset­zde­lik­te vor öster­re­ichis­chen Gericht­en ver­han­delt wer­den, da diese Ter­mine oft nicht im Inter­net veröf­fentlicht und auch nicht an die Presse weit­ergegeben wer­den. Hinzu kommt, dass oft­mals nicht so ein­fach erkennbar ist, ob es sich um bedeut­same Prozesse gegen wichtige Neon­azis oder „nur“ um inzwis­chen alltäglich gewor­dene Holo­caust-Rel­a­tivierun­gen in einem sozialen Medi­um han­delt. Außer­dem hält sich der Neuigkeitswert, dass wieder ein­mal eine Per­son den Hit­ler­gruß gezeigt oder im Inter­net den Holo­caust rel­a­tiviert, ver­harm­lost oder geleugnet hat, in Gren­zen. Recht­sex­treme Grup­pierun­gen wie die „Iden­titären“ hinge­gen pro­duzieren mit ihren Aktio­nen aufmerk­samkeits­garantierende Bilder und Sto­ries, über die sich ganz ein­fach (und meist ohne beglei­t­ende kri­tis­che Analyse) bericht­en lässt.

Welchen Umgang empfehlen Sie Jour­nal­istIn­nen mit Grup­pierun­gen wie den Identitären?
Es muss mit großer Sorgfalt über­legt wer­den, wie berichtet wer­den kann, ohne damit recht­sex­tremer Selb­stin­sze­nierung in die Hände zu spie­len. Dazu braucht es kri­tis­che Analy­sen, die den hin­ter dem iden­titären Welt­bild ste­hen­den Ras­sis­mus und Sex­is­mus ent­lar­ven und offen­le­gen. Auch kön­nte man z.B. ana­lytis­che Monat­szusam­men­fas­sun­gen recht­sex­tremer Umtriebe veröf­fentlichen – statt bebilderte Mini-Artikel über jede einzelne Aktion. Dies bet­rifft aber auch ihr Bild­ma­te­r­i­al. Inzwis­chen gibt es zahlre­iche Fotos von Aktio­nen gegen die „Iden­titären“, die anstelle ihrer eige­nen Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­alien ver­wen­det wer­den könnten.

Inwiefern sollte das Ver­bots­ge­setz reformiert werden?
Zunächst wäre eine bessere Aus­bil­dung für Richter_innen, Staatsanwält_innen, aber auch Anwält_innen erstrebenswert, da diese
selb­st oft­mals nicht über das notwendi­ge Wis­sen ver­fü­gen bzw. selb­st durch ver­harm­losende und rel­a­tivierende Äußerun­gen aufge­fall­en sind. Auch Geschworene ver­fü­gen oft­mals nicht über das notwendi­ge Wis­sen über den Nation­al­sozial­is­mus und Neon­aziszenen, über verk­lausuliert geäußerte For­men der Holo­caustleug­nung und recht­sex­treme Vertei­di­gungsstrate­gien, um entsprechende Urteile fällen zu kön­nen. Hinzu kommt, dass ide­ol­o­gisch gefes­tigte Neon­azis heute oft­mals sehr genau wis­sen, was sie sagen dür­fen, um strafrechtlich­er Ver­fol­gung zu ent­ge­hen. Dementsprechend wären Nach­schär­fun­gen sin­nvoll. Viel wichtiger wäre es jedoch, präven­tive Maß­nah­men zu set­zen und der Aus­bre­itung von recht­sex­tremen Ein­stel­lungsmustern vor­beu­gend entgegenzuwirken.

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