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Gaskammerlüge wieder möglich?

Der Stan­dard vom 16.11.2016 beschäf­tigt sich mit der nicht enden wol­len­den Kri­tik an der Ent­schei­dung des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums, über sei­nen Wei­sungs­rat die Ein­stel­lung einer rechts­kräf­ti­gen Ankla­ge wegen Wie­der­be­tä­ti­gung gegen einen Wel­ser Anwalt zu ver­fü­gen. Karl Öllin­ger hat dazu eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an den Jus­tiz­mi­nis­ter ein­ge­bracht und einen Leser­brief an „pro­fil“ ver­fasst, der wegen Platz­man­gels nur in […]

17. Nov 2016

Hier die ursprüng­li­che Ver­si­on, die eine Reak­ti­on auf den Kom­men­tar von Ger­not Bau­er in „pro­fil“ Nr. 45 vom 7.11.2016 mit dem Titel „Urteils­ver­mö­gen“ war.

Nebenraum der ehemaligen Gaskammer in der heutigen KZ Gedenkstätte Mauthausen - Bildquelle: Wikipedia, public domain.
Neben­raum der ehe­ma­li­gen Gas­kam­mer in der heu­ti­gen KZ Gedenk­stät­te Maut­hau­sen samt Infor­ma­ti­ons­ta­fel zur Gas­kam­mer — Bild­quel­le: Wiki­pe­dia, public domain

Leser­brief von Karl Öllinger

„Ein Wel­ser Straf­ver­tei­di­ger ver­steigt sich in einem Plä­doy­er vor Geschwo­re­nen und einer Schul­klas­se zu der unge­heu­er­li­chen Behaup­tung: „Es ist strit­tig, ob in Maut­hau­sen Ver­ga­sun­gen und Ver­bren­nun­gen statt­ge­fun­den haben […] Was man sei­ner­zeit in Maut­hau­sen zu Gesicht bekom­men hat, ist eine soge­nann­te Gas­kam­mer, die nach­träg­lich ein­ge­baut wur­de […] Unbe­kannt ist, ob dort jemals eine Gas­kam­mer vor­han­den war“.

Das ist so ziem­lich die glei­che Argu­men­ta­ti­on, wie sie der öster­rei­chi­sche Schmal­spur-Revi­sio­nist Emil Lachout in den 80er Jah­ren mit dem soge­nann­ten „Lachout-Doku­ment“, einem pri­mi­tiv gefälsch­ten Rund­schrei­ben, unter die Leu­te brin­gen woll­te. In eini­gen Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern des „Deut­schen Rei­ches“ habe es kei­ne Gas­kam­mern gege­ben, behaup­te­te Lachout – und mit ihm all die Nazis wie Gerd Hon­sik, die in die­ser behaup­te­ten Gas­kam­mer- Lücke einen geeig­ne­ten Hebel sahen, um jede Form von Holo­caust-Leug­nung vor­an­zu­trei­ben. Mit der Novel­le zum NS-Ver­bots­ge­setz und dem neu ein­ge­führ­ten § 3 h Ver­bots­ge­setz schob der Gesetz­ge­ber 1992 dem einen Rie­gel vor, indem der natio­nal­so­zia­lis­ti­sche „Völ­ker­mord oder ande­re natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit“ unter die Straf­an­dro­hung des Ver­bots­ge­set­zes gestellt wurde.

Ein sol­ches Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit war es zwei­fel­los, wenn in Maut­hau­sen Tau­sen­de Kriegs­ge­fan­ge­ne und Zivi­lis­ten durch Gift­gas in der Gas­kam­mer ermor­det wur­den. Als John Gude­nus, der mitt­ler­wei­le ver­stor­be­ne Ex-Bun­des­rat der FPÖ, den Lachout-Schmäh wie­der auf­wär­men woll­te, dass es wohl Gas­kam­mern in Polen gege­ben habe, aber nicht im „Drit­ten Reich“, wur­de er des­halb 2006 wegen Wie­der­be­tä­ti­gung auch ver­ur­teilt. 2015 wur­de ein Zahn­arzt ver­ur­teilt, der einer­seits behaup­te­te, dass es kei­ne Gas­kam­mern gege­ben habe, ande­rer­seits aber KZ-Häft­lin­gen vor­sätz­li­che Lügen vor­warf, weil sie den Ver­ga­sungs­vor­gang unter­schied­lich beschrie­ben hät­ten. Erst vor kur­zem hat ihn der Gemein­de­vor­stand von Maut­hau­sen neu­er­lich ange­zeigt, weil er es als infa­me Lüge bezeich­ne­te, dass es in Maut­hau­sen eine Gas­kam­mer gege­ben habe. 2016 bil­de­te sich auf Face­book eine Grup­pe, die sich den schlich­ten Titel gab „Neu­eröff­nung Mauthausen!!“.

Aus­ge­rech­net in die­ser Zeit stark anschwel­len­der Hass –und Ver­nich­tungs­or­gi­en kommt der Wei­sungs­rat des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums, der auf mys­te­riö­se Wei­se mit einer Stan­dard-Ent­schei­dung von Staats­an­walt­schaft Wels und Ober­staats­an­walt­schaft Linz befasst wur­de, auf die mei­nes Erach­tens atem­be­rau­ben­de Argu­men­ta­ti­on, dass der Wel­ser Anwalt zwar die Gas­kam­mer in Maut­hau­sen bestrit­ten hat, aber die Ver­ga­sun­gen in der Mord­an­stalt Hart­heim „ein­ge­räumt“ habe. Ja, da schau her! Laut „Salz­bur­ger Nach­rich­ten“ hat der Anwalt „sei­ne Sicht der Ver­gan­gen­heit“ bei der Ein­ver­nah­me durch die Poli­zei zwar noch ein­mal wie­der­holt. Er wur­de also offen­sicht­lich nicht allein „auf­grund sei­ner Tätig­keit“ („pro­fil“), sei­nes Plä­doy­ers, ange­klagt. Und wenn schon! Ich möch­te nicht noch ein­mal Plä­doy­ers von Straf­ver­tei­di­gern erle­ben, die den Hit­ler­gruß zei­gen, das Deutsch­land-Lied sin­gen oder ihr Plä­doy­er für die Holo­caust­leug­nung durch einen Auf­tritt bei der Holo­caust-Leug­ner-Kon­fe­renz in Tehe­ran ergän­zen. Alles straf­frei bitte!

Für den Wei­sungs­rat und Ger­not Bau­er, der da qua­si als des­sen Pres­se­spre­cher agiert, war die rechts­kräf­ti­ge (!) Ankla­ge „Über­ei­fer“ und muss­te daher durch eine Wei­sung drin­gend gestoppt wer­den. Gefahr im Ver­zug? Ja, beim Wei­sungs­rat und des­sen „Über­ei­fer“! Wenn es tat­säch­lich so sein soll­te, dass nicht ein­mal der Rechts­schutz­be­auf­trag­te des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums die Ent­schei­dung des Wei­sungs­ra­tes beein­spru­chen kann, weil die Wei­sung so spät erfolg­te, dann hat der Rechts­staat ein ernst­haf­tes Pro­blem und „pro­fil“ einen guten Grund, neu­er­lich zu recherchieren.
Karl Öllin­ger, Abg. z. NR

Der RFJ besucht die Gedenkstätte Mauthausen.
Der RFJ besucht die Gedenk­stät­te Mauthausen.

Leser­brief von Robert Eiter
Auch Robert Eiter, Spre­cher des oö. Netz­werks gegen Ras­sis­mus und Rechts­extre­mis­mus, hat einen Leser­brief an „pro­fil“ geschrie­ben, den wir hier wiedergeben.

„Der Wei­sungs­rat im Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um stell­te das Straf­ver­fah­ren gegen einen Wel­ser Anwalt ein, der in einen Plä­doy­er die his­to­risch beleg­ten Ver­ga­sun­gen im KZ Maut­hau­sen für „strit­tig“ erklärt hat­te. Damit liegt der Wei­sungs­rat rich­tig, meint Ger­not Bau­er. Wesent­li­che Argu­men­te, die er anführt, sind aber nach­weis­lich falsch. So ist der Tat­be­stand des § 3h Ver­bots­ge­setz erfüllt, wenn ein NS-Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit (z.B. die Ver­ga­sun­gen im KZ Maut­hau­sen) geleug­net, gröb­lich ver­harm­lost, gerecht­fer­tigt oder gut­ge­hei­ßen wird. Vor­aus­set­zung ist sicher nicht, dass meh­re­re die­ser Ver­bre­chen oder gar alle geleug­net oder gröb­lich ver­harm­lost etc. wer­den. Erfor­der­lich ist außer­dem kein Wie­der­be­tä­ti­gungs­vor­satz, son­dern nur ein (beding­ter) Leug­nungs­vor­satz. Wer also zumin­dest bil­li­gend in Kauf nimmt, dass sei­ne Äuße­rung ein NS-Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit leug­net oder gröb­lich ver­harm­lost etc., erfüllt den Tat­be­stand. Kei­nes­falls über­zeu­gen kann auch die Behaup­tung, die Geschwo­re­nen hät­ten in die­sem Fall ohne­hin nicht ver­ur­teilt. Das­sel­be lie­ße sich auch bei vie­len ande­ren Ver­bots­ge­setz­ver­fah­ren mut­ma­ßen – und trotz­dem wer­den sie durch­ge­führt. Dass gera­de ein Anwalt, der doch mit dem Straf­recht ver­traut sein soll­te, vom Wei­sungs­rat gegen­über ande­ren Ange­klag­ten pri­vi­le­giert wird, ist völ­lig inakzeptabel.
Dr. Robert Eiter, OÖ. Netz­werk gegen Ras­sis­mus und Rechts­extre­mis­mus, Wels

Zum Nach­le­sen: Der Kom­men­tar von Ger­not Bau­er im pro­fil Nr. 45 vom 7.11.2016 mit dem Titel „Urteils­ver­mö­gen“ (Sei­te 1, Sei­te 2)