Hier die ursprüngliche Version, die eine Reaktion auf den Kommentar von Gernot Bauer in „profil“ Nr. 45 vom 7.11.2016 mit dem Titel „Urteilsvermögen“ war.
Leserbrief von Karl Öllinger
„Ein Welser Strafverteidiger versteigt sich in einem Plädoyer vor Geschworenen und einer Schulklasse zu der ungeheuerlichen Behauptung: „Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasungen und Verbrennungen stattgefunden haben […] Was man seinerzeit in Mauthausen zu Gesicht bekommen hat, ist eine sogenannte Gaskammer, die nachträglich eingebaut wurde […] Unbekannt ist, ob dort jemals eine Gaskammer vorhanden war“.
Das ist so ziemlich die gleiche Argumentation, wie sie der österreichische Schmalspur-Revisionist Emil Lachout in den 80er Jahren mit dem sogenannten „Lachout-Dokument“, einem primitiv gefälschten Rundschreiben, unter die Leute bringen wollte. In einigen Konzentrationslagern des „Deutschen Reiches“ habe es keine Gaskammern gegeben, behauptete Lachout – und mit ihm all die Nazis wie Gerd Honsik, die in dieser behaupteten Gaskammer- Lücke einen geeigneten Hebel sahen, um jede Form von Holocaust-Leugnung voranzutreiben. Mit der Novelle zum NS-Verbotsgesetz und dem neu eingeführten § 3 h Verbotsgesetz schob der Gesetzgeber 1992 dem einen Riegel vor, indem der nationalsozialistische „Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ unter die Strafandrohung des Verbotsgesetzes gestellt wurde.
Ein solches Verbrechen gegen die Menschlichkeit war es zweifellos, wenn in Mauthausen Tausende Kriegsgefangene und Zivilisten durch Giftgas in der Gaskammer ermordet wurden. Als John Gudenus, der mittlerweile verstorbene Ex-Bundesrat der FPÖ, den Lachout-Schmäh wieder aufwärmen wollte, dass es wohl Gaskammern in Polen gegeben habe, aber nicht im „Dritten Reich“, wurde er deshalb 2006 wegen Wiederbetätigung auch verurteilt. 2015 wurde ein Zahnarzt verurteilt, der einerseits behauptete, dass es keine Gaskammern gegeben habe, andererseits aber KZ-Häftlingen vorsätzliche Lügen vorwarf, weil sie den Vergasungsvorgang unterschiedlich beschrieben hätten. Erst vor kurzem hat ihn der Gemeindevorstand von Mauthausen neuerlich angezeigt, weil er es als infame Lüge bezeichnete, dass es in Mauthausen eine Gaskammer gegeben habe. 2016 bildete sich auf Facebook eine Gruppe, die sich den schlichten Titel gab „Neueröffnung Mauthausen!!“.
Ausgerechnet in dieser Zeit stark anschwellender Hass –und Vernichtungsorgien kommt der Weisungsrat des Justizministeriums, der auf mysteriöse Weise mit einer Standard-Entscheidung von Staatsanwaltschaft Wels und Oberstaatsanwaltschaft Linz befasst wurde, auf die meines Erachtens atemberaubende Argumentation, dass der Welser Anwalt zwar die Gaskammer in Mauthausen bestritten hat, aber die Vergasungen in der Mordanstalt Hartheim „eingeräumt“ habe. Ja, da schau her! Laut „Salzburger Nachrichten“ hat der Anwalt „seine Sicht der Vergangenheit“ bei der Einvernahme durch die Polizei zwar noch einmal wiederholt. Er wurde also offensichtlich nicht allein „aufgrund seiner Tätigkeit“ („profil“), seines Plädoyers, angeklagt. Und wenn schon! Ich möchte nicht noch einmal Plädoyers von Strafverteidigern erleben, die den Hitlergruß zeigen, das Deutschland-Lied singen oder ihr Plädoyer für die Holocaustleugnung durch einen Auftritt bei der Holocaust-Leugner-Konferenz in Teheran ergänzen. Alles straffrei bitte!
Für den Weisungsrat und Gernot Bauer, der da quasi als dessen Pressesprecher agiert, war die rechtskräftige (!) Anklage „Übereifer“ und musste daher durch eine Weisung dringend gestoppt werden. Gefahr im Verzug? Ja, beim Weisungsrat und dessen „Übereifer“! Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass nicht einmal der Rechtsschutzbeauftragte des Justizministeriums die Entscheidung des Weisungsrates beeinspruchen kann, weil die Weisung so spät erfolgte, dann hat der Rechtsstaat ein ernsthaftes Problem und „profil“ einen guten Grund, neuerlich zu recherchieren.
Karl Öllinger, Abg. z. NR”
Leserbrief von Robert Eiter
Auch Robert Eiter, Sprecher des oö. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus, hat einen Leserbrief an „profil“ geschrieben, den wir hier wiedergeben.
„Der Weisungsrat im Justizministerium stellte das Strafverfahren gegen einen Welser Anwalt ein, der in einen Plädoyer die historisch belegten Vergasungen im KZ Mauthausen für „strittig“ erklärt hatte. Damit liegt der Weisungsrat richtig, meint Gernot Bauer. Wesentliche Argumente, die er anführt, sind aber nachweislich falsch. So ist der Tatbestand des § 3h Verbotsgesetz erfüllt, wenn ein NS-Verbrechen gegen die Menschlichkeit (z.B. die Vergasungen im KZ Mauthausen) geleugnet, gröblich verharmlost, gerechtfertigt oder gutgeheißen wird. Voraussetzung ist sicher nicht, dass mehrere dieser Verbrechen oder gar alle geleugnet oder gröblich verharmlost etc. werden. Erforderlich ist außerdem kein Wiederbetätigungsvorsatz, sondern nur ein (bedingter) Leugnungsvorsatz. Wer also zumindest billigend in Kauf nimmt, dass seine Äußerung ein NS-Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet oder gröblich verharmlost etc., erfüllt den Tatbestand. Keinesfalls überzeugen kann auch die Behauptung, die Geschworenen hätten in diesem Fall ohnehin nicht verurteilt. Dasselbe ließe sich auch bei vielen anderen Verbotsgesetzverfahren mutmaßen – und trotzdem werden sie durchgeführt. Dass gerade ein Anwalt, der doch mit dem Strafrecht vertraut sein sollte, vom Weisungsrat gegenüber anderen Angeklagten privilegiert wird, ist völlig inakzeptabel.
Dr. Robert Eiter, OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus, Wels”
Zum Nachlesen: Der Kommentar von Gernot Bauer im profil Nr. 45 vom 7.11.2016 mit dem Titel „Urteilsvermögen“ (Seite 1, Seite 2)