Neonazis, Rechtsextremen und Revisionisten ist der § 3h Verbotsgesetz, der als neuer Tatbestand mit der Verbotsgesetznovelle 1992 beschlossen wurde, natürlich ein Dorn im Auge. In ihm heißt es:
VerbG § 3 h: „Nach § 3 g wird auch bestraft, wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, daß es vielen Menschen zugänglich wird, den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost, gutheißt oder zu rechtfertigen sucht.“
Der neue Tatbestand wurde nicht zuletzt deshalb geschaffen, weil in den Jahren und Jahrzehnten zuvor immer häufiger Neonazis und Revisionisten die „Auschwitzlüge“, also die Leugnung bzw. Verharmlosung des Holocaust bemühten. Mit dem § 3h erfolgte die notwendige Präzisierung, dass es sich dabei ebenfalls um ein Verbrechen nach dem Verbotsgesetz handelt, für das der besondere Vorsatz nicht erforderlich ist. Die getroffene Wortwahl („Leugnen, Verharmlosen, Gutheißen, Rechtfertigen“) stellt – so die Erläuterungen zur Novelle – klar, „daß es dem Täter um das direkte oder indirekte Leugnen, gutheißen oder grobe Verniedlichen des nationalsozialistischen Massenmordes gehen muß“.
Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Wels betrifft das auch diese Sätze aus dem Plädoyer des Welser Rechtsanwaltes:
„Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasungen und Verbrennungen stattgefunden haben. (…) Was man seinerzeit in Mauthausen zu Gesicht bekommen hat, ist eine sogenannte Gaskammer, die nachträglich eingebaut wurde. (…) Unbekannt ist, ob dort jemals eine Gaskammer vorhanden war.“
Die Stellungnahme des Weisungsrates, der eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft unterbunden hat, ist aus verschiedenen Gründen skandalös. Wenn der Weisungsrat aber behauptet, dass die Einstellung deshalb gerechtfertigt sei, weil der Anwalt nicht den Holocaust generell, sondern nur partiell geleugnet habe (weil er die Existenz von Gaskammern in Hartheim „einräumte“), dann wird die Luft auch für den Weisungsrat sehr dünn.
Sehr ähnlich waren die Fragen des Skandalrichters Hans-Peter Januschke, der 1996 in einem Prozess wegen Wiederbetätigung gegen einen Berufsschullehrer, der die Vergasung von Juden in Mauthausen in Abrede gestellt hatte, einen Schüler fragte, ob der Lehrer generell oder „bloß partiell“ den Holocaust geleugnet habe. Januschke wurde daraufhin wegen Befangenheit vom Prozess abgezogen. Im Prozess hatte er als „Spontanzeugen“ den Holocaustleugner Wolfgang Fröhlich (der später mehrmals wegen Wiederbetätigung nach § 3h verurteilt wurde) sagen lassen: „Der Erkenntnisstand der Wissenschaft ist, daß im Altreich keine Gaskammern existierten.” Der Richter antwortete auf diese Provokation von Fröhlich so: „Ich bedanke mich, daß Sie den Versuch gemacht haben, in diesem Verfahren einen Beitrag zu leisten.“ (Die Presse, 24.5. 1996)
1996 war es ein Wiener Richter, der einem Holocaustleugner die Mauer machte. Zehn Jahre später, im April 2006, wurden von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt die Ermittlungen wegen Wiederbetätigung gegen den ehemaligen Präsidenten der Finanzlandesdirektion Kärnten, Siegfried Lorber, mit einer fadenscheinigen Begründung eingestellt. Lorber hatte 2005 der Kärntner Kirchenzeitung einen Leserbrief geschrieben, in dem er vorschlug, Religionslehrer sollten „andere Prioritäten setzen als Mauthausen-Besuche zu organisieren und unserer Schuljugend Einrichtungen zeigen zu lassen, die nachweislich erst nach dem Zweiten Weltkrieg für touristische Zwecke errichtet wurden.“
In einem weiteren Brief an die Zeitung „Nedelja“ hatte er noch eines draufgesetzt und behauptet: „Es steht aber seit 1948 fest, dass in Mauthausen keine Gaskammer in Betrieb war.” Dabei nahm er auf das schon längst widerlegte, aber von Rechtsextremen und Neonazis gerne verwendete „Müller-Dokument“ Bezug. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt stellte die Ermittlungen ein, weil er sich bei seiner Gaskammerleugnung auf Dokumente gestützt habe, die „nicht korrekt“ gewesen seien.
Lorber hatte seine Gaskammer-Lügen ausdrücklich dem FPÖ-Bundesrat John Gudenus gewidmet, gegen den ebenfalls um diese Zeit wegen seiner Behauptungen, wonach es Gaskammern nur in Polen, nicht aber im Dritten Reich, daher auch nicht in Mauthausen, gegeben habe, wegen Wiederbetätigung ermittelt wurde. John Gudenus hatte bei einem demonstrativen Besuch von Mauthausen außerdem nach dem Betrachten von Fotos über die KZ-Häftlinge und Haftbedingungen noch gespottet: „Die schauen eh gut aus, da schau ich dagegen schlecht aus.“ (ORF-Report, 25.4.2006) Die Staatsanwaltschaft Wien klagte John Gudenus mit einer Begründung an, die ziemlich konträr zur Einstellungsbegründung von Klagenfurt lag: „Gudenus habe bewusst den Stand der Geschichtswissenschaften negiert und den nationalsozialistischen Völkermord sowie Nazi-Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleugnet, hieß es in der Anklage.“ (wien.orf.at, 11.04.2012) John Gudenus wurde 2006 von einem Geschworenengericht in Wien zu einem Jahr Haft bedingt verurteilt.
INFOBOX:
Das Konzentrationslager Mauthausen nimmt in Bezug auf Tötungen durch Giftgas, betrachtet man die Entwicklung innerhalb des Systems der Konzentrationslager, eine besondere Stellung ein. Sieht man von Auschwitz ab, ist Mauthausen nicht nur jenes Lager, in dem als erstes Zyklon B systematisch zur Tötung von Menschen eingesetzt wurde, es sind auch mehr Häftlinge durch Giftgas getötet worden als in den anderen Konzentrationslagern auf Reichsgebiet. In einer 1941/42 in Mauthausen eigens errichteten Gaskammer wurden mindestens 3.455 Menschen mit Zyklon B erstickt; mindestens 823 Menschen waren Opfer einzelner improvisierter Tötungsaktionen unter Verwendung von Zyklon B im Zweiglager Gusen 1942 und 1945; in einem Gaswagen, der im Zeitraum 1942/43 zwischen den Lagern Mauthausen und Gusen verkehrte, wurden mindestens 900 Häftlinge ermordet.
Morsch/Perz (Hrsg): Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas. Metropol-Verlag, Berlin, 2011.
Wolfgang Fröhlich, der 1996 in der Verhandlung von Januschke noch als „Spontanzeuge“ für Holocaustleugnung aufgetreten war, ist in den Jahren seither mehrmals wegen Wiederbetätigung nach § 3h verurteilt worden. Ähnlich wie der ebenfalls mehrmals wegen Wiederbetätigung verurteilte Gerd Honsik leugnete auch er in seinen Schriften immer wieder die Ermordung von KZ-Insassen mittels Gaskammer in Mauthausen (ausführlich dazu Bailer-Galanda, Lasek, Schiedel: „Revisionismus“ und das Konzentrationslager Mauthausen).
Die Justiz hat in den letzten Jahren, nach den schweren Einbrüchen 1996 und 2006, keine Zweifel beim § 3h aufkommen lassen. 2015 wurde ein Zahnarzt (ausgerechnet aus Mauthausen! ) zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt, weil er in Briefen an den Gemeinderat unter anderem die Existenz einer Gaskammer im KZ Mauthausen bestritten hatte. Der Gemeindevorstand von Mauthausen ist auch jetzt wieder aktiv geworden, nachdem der Zahnarzt eine Gaskammer in Mauthausen als „infame Lüge“ bezeichnet hatte, und hat ihn neuerlich angezeigt.
Mit der fatalen Argumentation des Weisungsrates des Justizministers gegenüber einem Anwalt, der der Bruder des Vizepräsidenten der oö. Rechtsanwaltskammer ist, scheint vieles wieder möglich, was eigentlich unmöglich ist.