Der Wiener Polizeisprecher Thomas Keiblinger hat nicht ganz Unrecht, wenn er über die Bürgerwehren sagt: „[S]olange das nur auf Facebook ist, ist das ein Fantasiekonstrukt. Wenn man dort 3000 Freunde hat, ist das wie 3000 Euro in Monopoly.“ (Kurier, 24.1.16)
Wir haben uns bei den Bürgerwehren umgesehen und Facebook-Auftritte sowie Zeitungsmeldungen analysiert, um ein Bild zeichnen zu können. Aber was ist eigentlich eine Bürgerwehr? Im Unterschied zu den Bürgerwehren des 19. Jahrhunderts oder auch zu den paramilitärischen Verbänden der Ersten Republik, die aus dem Saalschutz von Parteien bzw. zerfallenden soldatischen Verbänden hervorgegangen sind, sollte eigentlich eines klar sein: Das staatliche Gewaltmonopol bedeutet für Bürgerwehren, dass sie unbewaffnet sein müssen.
Selbst in Situationen, wo Mitglieder einer Bürgerwehr eine Person bei einer Straftat erwischen, dürfen sie dabei keine Waffe einsetzen, um beispielsweise die Personen bis zum Eintreffen der Exekutive festzuhalten. Bürgerwehren sind also unbewaffnete und freiwillige Formationen, die auf Straßen und in Vierteln patrouillieren, um das Sicherheitsgefühl ihrer MitbürgerInnen zu erhöhen. Nach dieser Definition, die auch eine Abgrenzung zu Nachbarschaftsinitiativen und Begleitangeboten und bezahlten Security-Angeboten darstellt, sind mehr als die Hälfte der auf Facebook vertretenen „Bürgerwehren“ aus Österreich gar keine. Warum?
Weil sie – zumindest derzeit – keine Patrouillen durchführen, sondern nur propagandistisch (gegen Flüchtlinge, gegen Kriminalität, gegen „Ausländer” bzw. für eine Partei, für die Selbstbewaffnung) tätig sind. Die Bezeichnung „Bürgerwehr“ ist keineswegs dafür maßgeblich, dass es sich tatsächlich um eine solche im Sinn der Definition handelt. Einige wie die „Nachbarschaftshilfe Südoststeiermark“ oder die „Deutschkreutzer Spaziergänger“ nennen sich wohl bewusst anders: „Das klingt nicht so aggressiv”, sagen etwa die Deutschkreutzer.
Während die „Deutschkreutzer Spaziergänger“ aber tatsächlich auf Patrouille waren – oder noch sind, ist die geschlossene Facebook-Gruppe „Bürgerwehr Ö‑DE-CH“ auf einem anderen Trip. Ihre Mitglieder posten Hitler-Videos genauso wie Fotos von ihren Waffen oder auch Tipps.
Uwe W., ein „stolzes FPÖ-Mitglied“, schlägt den Kameraden zunächst einmal vor, den Status der Gruppe von „geschlossen“ auf „geheim“ umzustellen – bürgerfreundliches Verhalten eben! Er erläutert warum: „Im FB heute ist nichts mehr sicher vor Ratten und Linken Zecken !!“ Uwe W. gibt sich in der Folge als Mitglied einer geheimen Gruppe zu erkennen: „Ich bin Mitbereiter von Aktionen in unserer geheimen Gruppe …..Wir schreiben und posten nicht nur, WIR HANDELN !“ Auf seinem persönlichen FB-Konto macht das „stolze FPÖ-Mitglied“ deutlich, worin sein Handeln besteht: Kauf von Waffen, Werbung für ein Hitler-Video und jede Menge rechtsextremer und hetzerischer Postings.
Aber auch andere in der geschlossenen FB-Gruppe ticken ähnlich wie Uwe. Siegfried T. etwa äußert sich besonders deutlich zu den kriminellen Vorfällen beim Kölner Hauptbahnhof: „Für solche die Gas Kammer wieder öffnen, sofort.“ Zwar geben die beiden Administratoren in der Gruppe, ein Vorarlberger und ein Linzer, vor, dass sie die rund tausend Mitglieder nach Postleitzahlen ordnen wollen, damit die Bildung von Bürgerwehren leichter falle, aber die Mitglieder wollen sich vorwiegend über Schilderungen von Schlägereien, ihres Waffeneinsatzes und ihrer Waffen beweisen.
Robert I. kann seine kranken Phantasien fast lyrisch oder eben auch brutal aufbereiten: “ich mag keinen lärm nur das leise summen scharfen klingen“ bzw. „ich bin jetzt nicht der typ der rausgeht und jeden neger umlackiert…..aber in gewissen situationen bin ich bereit bis zum äussersten zu gehen…..selbst wenn ich dabei zur hölle fahre.“
Was sich in der geschlossenen Gruppe „Bürgerwehr Ö‑DE-CH“ abspielt, sollte eigentlich die Ermittlungsbehörden bzw. die Gerichte beschäftigen. Mit einer „Bürgerwehr“ im Sinn der Definition, geschweige denn mit dem Schutz von MitbürgerInnen, hat die Gruppe nichts zu schaffen.
➡️ Bürgerwehren in Österreich (I): Fast immer rechtsextrem
➡️ Bürgerwehren in Österreich (III): „Wir verjagen Bettler und Asylanten“