Lesezeit: 3 Minuten

Linz/Salzburg: Problematische Urteile bei Stolpersteine-Berufung

Das Ober­lan­des­ge­richt Linz hat sich in der Vor­wo­che mit den Beru­fun­gen zu den Urtei­len gegen die bei­den Salz­bur­ger „Stolpersteine“-Angeklagten vom Jän­ner 2015 aus­ein­an­der­ge­setzt und dabei bei bei­den Ange­klag­ten das Straf­aus­maß ver­än­dert. Die Ent­schei­dun­gen des Lin­zer Ober­lan­des­ge­richts , die von den Medi­en als leich­te Ände­run­gen kom­men­tiert wur­den, hal­ten wir für pro­ble­ma­tisch. Zur Erin­ne­rung: Mona­te­lang tapp­te die […]

28. Aug 2015

Zur Erin­ne­rung: Mona­te­lang tapp­te die Poli­zei im Dun­keln, bis im Okto­ber 2013 der ers­te Stol­per­stein-Schmie­rer fest­ge­nom­men wer­den konn­te. Einen Monat spä­ter setz­te es dann die zwei­te Ver­haf­tung. Zunächst schien es so, dass damit die Serie von Beschmie­run­gen von Stol­per­stei­nen und zahl­rei­chen ande­ren Nazi-Schmie­re­rei­en ein Ende gefun­den habe. Ein Irr­tum, wie sich rasch her­aus­stell­te, denn noch wäh­rend sich die bei­den in Unter­su­chungs­haft befan­den, wur­den wei­te­re Stol­per­stei­ne beschmiert und ande­re neo­na­zis­ti­sche Atta­cken aus­ge­führt. Mit der Ver­haf­tung eines Ver­däch­ti­gen im Juni 2015 konn­ten offen­sicht­lich die meis­ten Fol­ge­de­lik­te auf­ge­klärt wer­den (die gericht­li­che Klä­rung steht aller­dings noch aus).

Rund 60 beschmier­te Stol­per­stei­ne bzw. ins­ge­samt mehr als 130 neo­na­zis­ti­sche Tat­hand­lun­gen, die zwi­schen Febru­ar und Novem­ber 2013 ver­übt wor­den sind, warf die Ankla­ge den bei­den Haupt­tä­tern vor. Im Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zess vom Jän­ner 2015 gab es durch­aus dras­ti­sche Urtei­le. Der Erst­an­ge­klag­te Patrick (21) wur­de zu fünf Jah­ren Haft (unbe­dingt) ver­ur­teilt, der Zweit­an­ge­klag­te (22) zu vier Jah­ren, davon ein Jahr unbedingt.


Beschä­dig­ter Stolperstein

Die­se Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen den bei­den Tätern durch das Salz­bur­ger Lan­des­ge­richt war ange­mes­sen und durch­aus nicht zufäl­lig. Patrick, der Erst­an­ge­klag­te, hat­te schon eine ein­schlä­gi­ge Vor­ge­schich­te. Im Sep­tem­ber 2012 war er vom Lan­des­ge­richt Salz­burg wegen Ver­het­zung ver­ur­teilt wor­den, weil er auf sei­nem Face­book-Pro­fil gepos­tet hat­te: „Bringt alle Tür­ken end­lich um, Sieg heil für das Arier-Reich”

Die Rich­te­rin sprach ihn damals schul­dig, ver­häng­te aber kei­ne Stra­fe, son­dern setz­te sie für drei Jah­re zur Bewäh­rung aus, obwohl er schon zuvor im Jän­ner 2012 sei­ne Diver­si­on (50 Stun­den gemein­nüt­zi­ge Leis­tung) plat­zen hat­te las­sen. Die­se Bewäh­rung hat Patrick mit sei­nen neo­na­zis­ti­schen Schmie­re­rei­en im Jahr 2013 ordent­lich ver­sem­melt. Das hin­der­te ihn aber nicht dar­an, noch im Pro­zess und auch danach fälsch­li­cher­wei­se zu behaup­ten, er ken­ne die Täter, die das Eutha­na­sie-Denk­mal zer­stört haben.

Im August 2014 hat­te er sich gegen­über dem ORF gar als geläu­ter­ter Aus­stei­ger aus der Neo­na­zi-Sze­ne prä­sen­tiert – ein star­kes Stück, denn genau zu die­ser Zeit war er nicht nur als kri­mi­nel­ler Ein­stei­ger bei sei­ner Stie­fo­ma unter­wegs, son­dern prä­sen­tier­te sich auf sei­nem Face­book-Pro­fil nach wie vor mit rechts­extre­men und het­ze­ri­schen Sprü­chen. Weni­ge Wochen nach sei­nem „Aussteiger“-Interview muss­te Patrick wegen der Ein­brü­che wie­der in die U‑Haft „ein­stei­gen“ und wur­de dafür im Juni 2015 wegen schwe­ren gewerbs­mä­ßi­gen Ein­bruchs­dieb­stahls und Urkun­den­un­ter­drü­ckung zu wei­te­ren 18 Mona­ten Haft (teil­be­dingt) verurteilt.

War­um das Ober­lan­des­ge­richt Linz aus­ge­rech­net sei­ner Beru­fung statt­gab und die Haft von fünf Jah­ren auf vier Jah­re ver­kürz­te (dazu kom­men noch die 18 Mona­te teil­be­ding­ter Stra­fe) und bei dem Zweit­an­ge­klag­ten, der tat­säch­lich und im Unter­schied zu Patrick in einem Aus­stei­ger­pro­jekt tätig ist, die Haft­stra­fe von vier auf fünf Jah­re erhöh­te, das bleibt wohl das Geheim­nis der Beru­fungs­rich­ter. Die Begrün­dung für die Erhö­hung der Stra­fe beim Zweit­an­ge­klag­ten „trotz der güns­ti­gen Täter­pro­gno­se“ ist ver­we­gen: Vier Jah­re Haft, davon ein Jahr unbe­dingt, ist zu gering, sag­te die Vor­sit­zen­de laut APA.

Die güns­ti­ge Täter­pro­gno­se hat der Zweit­an­ge­klag­te nicht nur wegen sei­ner Mit­ar­beit in einem Aus­stei­ger­pro­jekt erhal­ten, son­dern auch, weil er mitt­ler­wei­le wie­der eine Beschäf­ti­gung gefun­den hat. Die wird er samt güns­ti­ger Täter­pro­gno­se mög­li­cher­wei­se ver­lie­ren, wenn er die Haft antre­ten muss. Das wäre dann so etwas wie eine Justizgroteske.