Jener Verdächtige, der in der Vorwoche verhaftet wurde, weil er für diverse Attacken auf die Transparente der Aktion „88 gegen Rechts“ verantwortlich gemacht wurde, hat in der Untersuchungshaft mittlerweile fast alle unaufgeklärten neonazistischen Aktionen der letzten Zeit in Salzburg gestanden. Die Polizei präsentiert ihren Ermittlungserfolg bereits mit einer passenden Geschichte vom „einsamen Wolf“.
Eine Serie von neonazistischen Attacken beschäftigte die Salzburger Öffentlichkeit und die Ermittlungsbehörden, auch nachdem zwei junge Männer wegen Dutzender neonazistischer Schmierereien, vorrangig bei Stolpersteinen, verhaftet und im Jänner dieses Jahres auch zu empfindlich hohen Haftstrafen verurteilt worden waren.

Die Polizei, die sichtlich unter Ermittlungsdruck stand, weil die Serie von neonazistischen Attacken einfach nicht aufhörte, hat allein im Jahr 2015 dreißig Hausdurchsuchungen und elf Festnahmen durchgeführt. Ein durchschlagender Ermittlungserfolg blieb ihr die längste Zeit verwehrt. Für die Zerstörung des Mahnmals für die Zwangsarbeiter bei der Staatsbrücke konnte sie zwar einen Täter ausfindig machen, der seine Tat aber mit „Grant auf den Staat“ wegen seiner Obdachlosigkeit begründete.
Jetzt hat die Salzburger Polizei ebenfalls einen obdachlosen Menschen als jene Person präsentiert, die für faktisch alle neonazistischen Attacken der letzten Monate verantwortlich sein soll. Auch Delikte, von denen die Öffentlichkeit bislang nichts erfahren hat, sind darunter, so etwa eine weitere Attacke auf das Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus am Salzburger Kommunalfriedhof, wie aus dem Bericht der „Wiener Zeitung“ hervorgeht. Das Denkmal war nicht nur im Dezember 2013 mit „Horst Wessel“, im Jänner 2014 mit „Horst Mahler“ und im November 2014 einfach mit schwarzer Farbe beschmiert worden, sondern im April 2014 offensichtlich auch mit 2Adolf Hitler” und Hakenkreuzen.
Polizeifoto NS Schmieraktion Kommunalfriedhof, Wiener Zeitung
Dem 39-jährigen Verdächtige konnten, so die Salzburger Polizei, bislang 47 einschlägige Straftaten nachgewiesen werden, „darunter mehrere Beschmierungen eines Widerstandsdenkmals, politischer Einrichtungen und Parteizentralen, die Zerstörung eines Euthanasiemahnmals, die Verunstaltung der Synagoge, mehrerer Gedenksteine und –tafeln“ (Wiener Zeitung).
Da es keine umfassende und detaillierte öffentliche Liste der ungeklärten neonazistischen Attacken seit 2013 in Salzburg gibt, ist die Behauptung der Polizei, dass jetzt faktisch alle neonazistischen Attacken geklärt seien, so nur schwer nachvollziehbar.
Der andere Teil der polizeilichen Erzählung, wonach es sich bei dem Täter um einen „einsamen Wolf“ handle, der seine Taten solo verübt hat, ohne in eine Szene eingebunden zu sein, mag angesichts der Biographie, die miterzählt wurde, durchaus stimmen. Daraus aber, wie es die Polizei tut, abzuleiten, dass es in Salzburg keine organisierte Szene gebe, sondern „lauter Einzeltäter, die isoliert gehandelt haben“ (Polizeidirektor Ruf in der Krone, 18.6.15), ist doch ziemlich kühn.
⇒ Salzburger Nachrichten: Salzburger Polizei klärt Serie rechter Straftaten auf