2009–2013: 1135 Verfahren wegen Wiederbetätigung oder Verhetzung abgebrochen!

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Die Staats­an­walt­schaft (StA) Eisen­stadt ermit­telt wegen des Ver­dachts der Wie­der­be­tä­ti­gung gegen jene fünf Per­so­nen, die im Ulrich Seidl-Film „Im Kel­ler“ vor Hit­ler-Bild und Haken­kreuz posiert und gesun­gen haben. Eine Anzei­ge sei schon vor ein­ein­halb Wochen erstat­tet wor­den, so die StA. Die StA Kla­gen­furt „prüft“, ob Ermitt­lun­gen gegen den Gur­ker Bür­ger­meis­ter Kampl nach dem NS-Ver­bots­ge­setz ein­ge­lei­tet wer­den. Was aber pas­siert nach den Ermittlungen?

Eine Anfra­ge der Abge­ord­ne­ten Wal­ser und Stein­hau­ser zu den Nazi-Schmie­re­rei­en bei der KZ-Gedenk­stät­te Maut­hau­sen lie­fert etli­ches Mate­ri­al in der Beant­wor­tung durch den Jus­tiz­mi­nis­ter. Damit sind nicht bloß die Wider­sprü­che in den Aus­sa­gen von Jus­tiz- und Innen­mi­nis­te­ri­um gemeint, son­dern in ers­ter Linie die nüch­ter­nen Zah­len, die im Anhang zur Anfra­ge­be­ant­wor­tung nach­ge­reicht wurden.

Die sechs­te Fra­ge von Walser/Steinhauser lau­tet näm­lich: „In wel­chen und wie vie­len Fäl­len wur­den in den Jah­ren 2009 bis 2013 Ermitt­lungs­ver­fah­ren wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung abge­bro­chen? Bit­te um eine exak­te Auf­lis­tung der regis­trier­ten Straf­ta­ten, sowie des Zeit­rau­mes zwi­schen der Bege­hung der jewei­li­gen Straf­tat und dem Abbruch des Ermittlungsverfahrens.“

Die durch­aus detail­lier­te Ant­wort hat es in sich: In den fünf Jah­ren von 2009 bis 2013 wur­den ins­ge­samt 1.135 Ver­fah­ren nach dem Ver­bots­ge­setz und nach dem Ver­het­zungs­pa­ra­gra­fen abgebrochen.


Aus­schnitt aus dem 24-sei­ti­gen Anhang zur Anfragebeantwortung

Die „Abbre­chung des Ermitt­lungs­ver­fah­rens gegen Abwe­sen­de und gegen unbe­kann­te Täter“ ist in der Straf­pro­zess­ord­nung gere­gelt. Dem­nach ist eine „Abbre­chung“ dann mög­lich, wenn der oder die Beschul­dig­te flüch­tig, unbe­kann­ten Auf­ent­halts oder ein­fach unbe­kannt ist. Das unter­schei­det die „Abbre­chung“ grund­sätz­lich von der „Ein­stel­lung“ eines Ver­fah­rens, die dann erfolgt, wenn die Tat nicht mit Stra­fe bedroht ist bzw. kein tat­säch­li­cher Grund zur wei­te­ren Ver­fol­gung des Beschul­dig­ten gege­ben ist.

Um das Aus­maß der abge­bro­che­nen Ver­fah­ren bes­ser dar­stel­len zu kön­nen, set­zen wir es in Bezie­hung zur Gesamt­zahl der den Staats­an­walt­schaf­ten ange­zeig­ten Delik­te zum Ver­het­zungs­pa­ra­gra­fen und zum Ver­bots­ge­setz. Das ist mög­lich, wenn wir dazu die Zah­len für 2013 aus der Anfra­ge­be­ant­wor­tung Stein­hau­ser betr. Anwen­dung des Ver­bots­ge­set­zes und § 283 StGB (Ver­het­zung) verwenden.

Dem­nach wur­den von den Staats­an­walt­schaf­ten im Jahr 2013 ins­ge­samt 241 Anzei­gen wegen Ver­het­zung und 668 nach dem Ver­bots­ge­setz bear­bei­tet. Wegen „Abbre­chung“ aus­ge­schie­den wur­den 2013 61 Anzei­gen wegen Ver­het­zung (§ 283 StGB) und 152 nach dem Ver­bots­ge­setz, ins­ge­samt also 213. Wegen „Ein­stel­lung“ wur­den 116 (§ 283) bzw. 552 (Ver­bots­ge­setz) Anzei­gen aus­ge­schie­den. Zur Ankla­ge kam es 2013 nur in 21 Fäl­len wegen Ver­het­zung und in 147 nach dem Verbotsgesetz!

Da die Zeit­räu­me zwi­schen dem Ein­lan­gen der Anzei­gen bei der Staats­an­walt­schaft und ihrer „Erle­di­gung“ (durch Ankla­ge, Ein­stel­lung, Abbruch usw.) auch die Kalen­der­jah­re über­schrei­ten, kommt es zu sehr ver­wir­ren­den Zah­len­an­ga­ben. Zusam­men­fas­send lässt sich jeden­falls erken­nen, dass die Zahl der abge­bro­che­nen bzw. ein­ge­stell­ten Ermitt­lungs­ver­fah­ren (bezo­gen auf die Gesamt­zahl) extrem hoch ist. Dazu kommt noch die omi­nö­se Zahl von 221 Erle­di­gun­gen durch „Sons­ti­ges“.

Noch etwas irri­tiert: 105 der 2013 wegen „Abbre­chung“ aus­ge­schie­de­nen Anzei­gen (ins­ge­samt waren das 213) wur­den spä­tes­tens inner­halb von drei Tagen nach dem Ein­lan­gen der Anzei­ge aus­ge­schie­den. Das deu­tet auf nicht gera­de inten­si­ve Ermitt­lun­gen zur Aus­for­schung der Täter hin.