Über das Verfahren im Jänner gab es keine Medienberichte und daher auch keine Darstellung der Anklage. Auch jetzt hält sich das öffentliche Interesse in engen Grenzen. Nur die „Bezirksrundschau Perg“ berichtet über das Verfahren. Die Zeitung hatte schon im Dezember 2011 berichtet. Unter dem Titel „Wegen Euch sperren wir Mauthausen wieder auf!“ kamen damals einige von dem Jugendlichen wiederholt beschimpfte und verfolgte Personen zu Wort. Die Drohungen des rechtsextremen Jugendlichen waren sehr massiv, die Angst der Betroffenen groß. Die Frauen wurden als „Scheiß Ausländer“, „Huren“, „Schlampen“ beschimpft und mit der „Vergasung in Mauthausen“ bedroht. „Zu einer Frau meinte der Jugendliche, dass sie erschlagen, vergraben, zerstochen und erschossen gehöre“ (Bezirksrundschau). Der Ehemann einer betroffenen Frau schilderte damals, wie der Jugendliche auf ihn reagiert hatte: „Warte, ich gehe heim und hole meine 12 Millimeter und schieß dir das Hirn heraus!“
Die Bedrohten erzählten von etlichen Anzeigen, die bereits erstattet wurden. Wovon sie nicht berichten: wie gehen die Nachbarn, die Gemeinde damit um? Ein Gemeinderat, der anonym bleibt, berichtet der Bezirksrundschau, dass ihm schon seit einiger Zeit auffalle, „dass bei uns am rechten Rand was im Gang ist“ (Bezirksrundschau, 15.12.2011). Er vermutet die Urheber in einer Nachbargemeinde.
Warum bleibt der Gemeinderat anonym? Warum kann ein Jugendlicher ein Jahr lang seine Umgebung terrorisieren, bis er dann letztlich vor Gericht landet? Gibt es als einzige Lösung nur das Gericht? Die Polizei hatte im Dezember der „Bezirksrundschau“ erklärt, sie habe die Vorfälle und Anzeigen ernst genommen und bei der Staatsanwaltschaft und der Bezirkshauptmannschaft angezeigt. Das oberösterreichische Antifa-Netzwerk, die Grünen und die SPÖ waren davon nicht so überzeugt und hatten ein schnelleres Eingreifen der Exekutive gefordert. Der „Bezirksrundschau“ hatte nämlich ein Polizist erklärt, dass das Ganze eine „persönliche Auseinandersetzung“ sei: Der Bursche zucke einfach aus, wenn er die Frauen sehe, die aus dem Ausland stammen, aber schon längst Österreicherinnen seien.
Ein Monat später dann die erste Gerichtsverhandlung – ohne öffentliches Interesse. Jetzt im April die zweite Verhandlung. Der Jugendliche erscheint ohne Begleitung seiner Eltern vor Gericht. Dem Richter ist es aufgefallen, und er fragt den Jugendlichen danach: Sie haben keine Zeit, müssen arbeiten. Der Verteidiger bittet gleich zu Beginn um eine milde Strafe und berichtet von der innerlichen Umkehr des Angeklagten. Der Richter hält dem Angeklagten vor, dass er in seiner Heimatgemeinde Waldhausen bekannt sei „wie ein bunter Hund“. Etwas später erzählt der Richter von den Judendeportationen und Eichmann. Eichmann kennt der Jugendliche nicht, das KZ Mauthausen schon: Da war er als Schüler. Mauthausen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft. Der Richter verordnet dem Jugendlichen einen Besuch der Eichmann-Ausstellung im Landesgericht Linz und verurteilt ihn zu weiteren drei Monaten bedingt.
In der Berichterstattung und im Verfahren blieben die politischen Bezüge des Jugendlichen ausgeblendet. Möglicherweise waren sie nicht bekannt. Aber eigentlich hätten sie bekannt sein müssen. Die FPÖ Waldhausen ist nämlich sehr stolz über ihren RFJ, der schon ein knappes halbes Jahr nach Gründung der FPÖ-Ortsgruppe entstanden ist. Fotos des Gründungstreffens des RFJ Waldhausen im Oktober 2011 finden sich auf Facebook: „Ein Meilenstein in der Geschichte Waldhausens!“ Bei diesem Meilen- oder Mühlenstein anwesend war natürlich auch der Bezirksobmann des RFJ, Christian Aichinger.
Aichinger ist einer jener RFJ-Funktionäre, die auch gute Kontakte zum neonazistischen Bund freier Jugend (BfJ) hatten. Beim Gründungstreffen des RFJ Waldhausen sitzt er neben dem Angeklagten. Einige andere Fotos belegen, dass der Jugendliche schon vorher beim RFJ aktiv war. Ein Zufall, wie ihn nur das Leben beim RFJ schreiben kann.
↳ regionaut.meinbezirk.at — Urteil in Prozess nach Todes-Drohungen
↳ derstandard.at — RFJ-Aktivist drohte mit „Vergasung”