SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen: Amtsgeheimnis!

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In Deutsch­land beschäf­ti­gen sich par­la­men­ta­ri­sche Unter­su­chungs­aus­schüs­se und eine poli­zei­li­che Son­der­kom­mis­si­on mit dem Ver­sa­gen der Behör­den im Zusam­men­hang mit der Neo­na­zi-Ter­ror­grup­pe NSU. In Öster­reich wur­de nach dem größ­ten Waf­fen­fund bei Neo­na­zis, die sich „SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen“ nann­te, der Man­tel der Amts­ver­schwie­gen­heit und des Daten­schut­zes über die „gefähr­li­che Grup­pe“ (Ernst Stras­ser, dama­li­ger Innen­mi­nis­ter) gebreitet.

Ins­ge­samt 106 Waf­fen wur­den bei der SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen am 9.8.2002 beschlag­nahmt, als drei Ver­däch­ti­ge gera­de die Waf­fen aus einer kon­spi­ra­ti­ven Woh­nung in der Bill­roth­stra­ße abtrans­por­tie­ren woll­ten. In der Beant­wor­tung zu der Anfra­ge über die „SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen“ zählt die Innen­mi­nis­te­rin zumin­dest die Waf­fen auf, die vor fast zehn Jah­ren gefun­den wur­den: Lang­waf­fen, voll­au­to­ma­ti­sche Schuss­waf­fen, halb­au­to­ma­ti­sche Schuss­waf­fen, Maschi­nen­pis­to­len, Faust­feu­er­waf­fen, Vor­der­schaft­re­pe­tier­flin­ten (sog. Pump­guns) sowie 58.946 Schuss Muni­ti­on (Spe­zi­al­mu­ni­ti­on mit Explo­siv­ge­schos­sen), Pfeil­mu­ni­ti­on zur Bekämp­fung von Schutz­aus­rüs­tung und pan­zer­bre­chen­de Munition.“

Die Innen­mi­nis­te­rin gibt auch noch bekannt, dass „umfang­rei­ches, teil­wei­se rechts­extre­mes Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­al wie Pla­ka­te, Flug­blät­ter, Auf­kle­ber, Print­me­di­en, Bücher, diver­se Uni­form­tei­le, Orden und Abzei­chen aus der NS-Zeit und NS-Devo­tio­na­li­en (Hit­ler-Büs­te, Reichs­ad­ler, Dolch mit SS Abzei­chen) sicher­ge­stellt“ wurde.

Die Medi­en berich­te­ten 2002 zunächst aus­führ­lich über den größ­ten Waf­fen­fund bei Neo­na­zis in der Zwei­ten Repu­blik. Der Innen­mi­nis­ter nann­te sie eine „gefähr­li­che Grup­pe“, die schon län­ger vom Ver­fas­sungs­schutz beob­ach­tet wor­den sei , der „Fal­ter“ beti­tel­te sie als die „Döb­lin­ger Wer­wöl­fe“ und die Exe­ku­ti­ve berich­te­te über ihre ers­ten Ergeb­nis­se: Acht Haus­durch­su­chun­gen wur­den ins­ge­samt durch­ge­führt, drei Per­so­nen in Unter­su­chungs­haft genom­men, gegen ein Dut­zend wei­te­re in Wien, Nie­der­ös­ter­reich und der Stei­er­mark (Graz) wer­de ermit­telt. Aus den Ermitt­lun­gen wird noch bekannt, dass einer der Ver­haf­te­ten auch Kon­tak­te zum Neo­na­zi Gott­fried Küs­sel „in sport­li­cher und wirt­schaft­li­cher Hin­sicht“ zuge­ge­ben hatte.

Die Zahl der beschlag­nahm­ten Waf­fen vari­ier­te in den Medi­en zwi­schen 50 und 91 Waf­fen. Gewor­den sind es 106. Die Muni­ti­on wur­de bis Ende August 2002 mit 10.000 Schuss ange­ge­ben, dann stieg sie auf 50.000. Mitt­ler­wei­le sind wir bei fast 60.000 ange­langt. Alle ande­ren Zah­len redu­zier­ten sich seit­her beträcht­lich. War zunächst noch von drei Ver­haf­te­ten und einem Dut­zend wei­te­rer Ver­däch­ti­ger die Rede, so fin­den sich in der Ant­wort der Innen­mi­nis­te­rin nur mehr sechs Per­so­nen, gegen die wegen des Ver­dach­tes der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung nach § 3 g Ver­bots­ge­setz, wegen des Ver­dach­tes der Grün­dung einer staats­feind­li­chen Ver­bin­dung nach § 246 StGB, wegen Auf­stel­lung einer bewaff­ne­ten Ver­bin­dung (§ 279 StGB), wegen Ansam­meln von Kampf­mit­teln (§ 280 StGB) und wegen Ver­ge­hen nach dem Waf­fen­ge­setz ermit­telt und auch Anzei­ge erstat­tet wur­de. Zwei von drei Ver­haf­te­ten blie­ben meh­re­re Wochen in U‑Haft, einer wur­de ent­haf­tet. Das waren die letz­ten öffent­li­chen Infor­ma­tio­nen zum größ­ten Waf­fen­fund bei Neo­na­zis in der Zwei­ten Repu­blik. Zwar ließ sich schon damals erah­nen, dass die Ver­haf­te­ten ihre Ver­tei­di­gung dar­auf auf­bau­en wür­den, die gesam­te Ver­ant­wor­tung und Schuld dem bereits meh­re­re Mona­te vor der Ent­de­ckung ver­stor­be­nen Grün­der der „SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen“, Georg Gas­ser, in die Schu­he zu schie­ben. Aber wer konn­te auch nur im Traum anneh­men, dass die­se Stra­te­gie über die Maßen erfolg­reich war?

Die Jus­tiz­mi­nis­te­rin führt in ihrer Anfra­ge­be­ant­wor­tung aus, was mit den sechs Anzei­gen der Exe­ku­ti­ve in der Fol­ge pas­sier­te. Gegen ins­ge­samt sechs Per­so­nen wur­den Vor­er­he­bun­gen bzw. ‑unter­su­chun­gen im vol­len Umfang der Anzei­gen geführt. Geen­det haben die­se Ermitt­lun­gen der Jus­tiz in Straf­an­trä­gen wegen Ver­ge­hen nach dem Waf­fen­ge­setz (§ 50) vor dem Bezirks­ge­richt: „Vier Per­so­nen wur­den rechts­kräf­tig zu unbe­ding­ten Geld­stra­fen ver­ur­teilt; hin­sicht­lich einer Per­son wur­de das Ver­fah­ren“ ein­ge­stellt. Hei­te­res Bezirks­ge­richt eben! Die Jus­tiz­mi­nis­te­rin fügt noch hin­zu: Ich ersu­che um Ver­ständ­nis, dass ich von einer detail­lier­te­ren Beant­wor­tung die­ser Fra­gen auf­grund mei­ner ver­fas­sungs­recht­li­chen Ver­pflich­tung zur Wah­rung der Amts­ver­schwie­gen­heit und des Daten­schut­zes sowie im Hin­blick auf die Bestim­mun­gen der StPO über die Akten­ein­sicht Abstand neh­men muss.“

Ja, es gibt Unter­schie­de zwi­schen Öster­reich und Deutsch­land. Die „SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen“ hat nach allem, was wir wis­sen (und das ist sehr wenig!) kei­ne Mor­de ver­übt. Mög­li­cher­wei­se wur­de sie noch recht­zei­tig aus­ge­forscht. Die Grup­pe hat­te jeden­falls nicht nur genü­gend Waf­fen, um Anschlä­ge durch­zu­füh­ren, son­dern auch Absich­ten dazu.

Nach Ansicht der Jus­tiz haben die öster­rei­chi­schen Neo­na­zis aber nur „fahr­läs­sig“ ein paar ver­bo­te­ne Waf­fen beses­sen und mit sich geführt. Das war’s! Die Jus­tiz hat im Jahr 2002 weder inter­es­siert, dass die Waf­fen auch aus deut­schen, ame­ri­ka­ni­schen und tsche­chi­schen Hee­res­be­stän­den stamm­ten noch sonst etwas. Eine SS-Kampf­ge­mein­schaft? Hirn­ge­spinst eines Ver­stor­be­nen! Ver­bin­dun­gen zu Küs­sel und sei­ner ver­bo­te­nen VAPO? Unin­ter­es­sant! Gibt es eine Begrün­dung für die skan­da­lö­sen Ergeb­nis­se der Jus­tiz? Nein: Daten­schutz und Amtsgeheimnis!

kurier.at — Neo­na­zi-Lager: 106 Schuss­waf­fen – 4 Geldstrafen

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