Insgesamt 106 Waffen wurden bei der SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen am 9.8.2002 beschlagnahmt, als drei Verdächtige gerade die Waffen aus einer konspirativen Wohnung in der Billrothstraße abtransportieren wollten. In der Beantwortung zu der Anfrage über die „SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen“ zählt die Innenministerin zumindest die Waffen auf, die vor fast zehn Jahren gefunden wurden: „Langwaffen, vollautomatische Schusswaffen, halbautomatische Schusswaffen, Maschinenpistolen, Faustfeuerwaffen, Vorderschaftrepetierflinten (sog. Pumpguns) sowie 58.946 Schuss Munition (Spezialmunition mit Explosivgeschossen), Pfeilmunition zur Bekämpfung von Schutzausrüstung und panzerbrechende Munition.“
Die Innenministerin gibt auch noch bekannt, dass „umfangreiches, teilweise rechtsextremes Propagandamaterial wie Plakate, Flugblätter, Aufkleber, Printmedien, Bücher, diverse Uniformteile, Orden und Abzeichen aus der NS-Zeit und NS-Devotionalien (Hitler-Büste, Reichsadler, Dolch mit SS Abzeichen) sichergestellt“ wurde.
Die Medien berichteten 2002 zunächst ausführlich über den größten Waffenfund bei Neonazis in der Zweiten Republik. Der Innenminister nannte sie eine „gefährliche Gruppe“, die schon länger vom Verfassungsschutz beobachtet worden sei , der „Falter“ betitelte sie als die „Döblinger Werwölfe“ und die Exekutive berichtete über ihre ersten Ergebnisse: Acht Hausdurchsuchungen wurden insgesamt durchgeführt, drei Personen in Untersuchungshaft genommen, gegen ein Dutzend weitere in Wien, Niederösterreich und der Steiermark (Graz) werde ermittelt. Aus den Ermittlungen wird noch bekannt, dass einer der Verhafteten auch Kontakte zum Neonazi Gottfried Küssel „in sportlicher und wirtschaftlicher Hinsicht“ zugegeben hatte.
Die Zahl der beschlagnahmten Waffen variierte in den Medien zwischen 50 und 91 Waffen. Geworden sind es 106. Die Munition wurde bis Ende August 2002 mit 10.000 Schuss angegeben, dann stieg sie auf 50.000. Mittlerweile sind wir bei fast 60.000 angelangt. Alle anderen Zahlen reduzierten sich seither beträchtlich. War zunächst noch von drei Verhafteten und einem Dutzend weiterer Verdächtiger die Rede, so finden sich in der Antwort der Innenministerin nur mehr sechs Personen, gegen die wegen des Verdachtes der NS-Wiederbetätigung nach § 3 g Verbotsgesetz, wegen des Verdachtes der Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 StGB, wegen Aufstellung einer bewaffneten Verbindung (§ 279 StGB), wegen Ansammeln von Kampfmitteln (§ 280 StGB) und wegen Vergehen nach dem Waffengesetz ermittelt und auch Anzeige erstattet wurde. Zwei von drei Verhafteten blieben mehrere Wochen in U‑Haft, einer wurde enthaftet. Das waren die letzten öffentlichen Informationen zum größten Waffenfund bei Neonazis in der Zweiten Republik. Zwar ließ sich schon damals erahnen, dass die Verhafteten ihre Verteidigung darauf aufbauen würden, die gesamte Verantwortung und Schuld dem bereits mehrere Monate vor der Entdeckung verstorbenen Gründer der „SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen“, Georg Gasser, in die Schuhe zu schieben. Aber wer konnte auch nur im Traum annehmen, dass diese Strategie über die Maßen erfolgreich war?
Die Justizministerin führt in ihrer Anfragebeantwortung aus, was mit den sechs Anzeigen der Exekutive in der Folge passierte. Gegen insgesamt sechs Personen wurden Vorerhebungen bzw. ‑untersuchungen im vollen Umfang der Anzeigen geführt. Geendet haben diese Ermittlungen der Justiz in Strafanträgen wegen Vergehen nach dem Waffengesetz (§ 50) vor dem Bezirksgericht: „Vier Personen wurden rechtskräftig zu unbedingten Geldstrafen verurteilt; hinsichtlich einer Person wurde das Verfahren“ eingestellt. Heiteres Bezirksgericht eben! Die Justizministerin fügt noch hinzu: „Ich ersuche um Verständnis, dass ich von einer detaillierteren Beantwortung dieser Fragen aufgrund meiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes sowie im Hinblick auf die Bestimmungen der StPO über die Akteneinsicht Abstand nehmen muss.“
Ja, es gibt Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland. Die „SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen“ hat nach allem, was wir wissen (und das ist sehr wenig!) keine Morde verübt. Möglicherweise wurde sie noch rechtzeitig ausgeforscht. Die Gruppe hatte jedenfalls nicht nur genügend Waffen, um Anschläge durchzuführen, sondern auch Absichten dazu.
Nach Ansicht der Justiz haben die österreichischen Neonazis aber nur „fahrlässig“ ein paar verbotene Waffen besessen und mit sich geführt. Das war’s! Die Justiz hat im Jahr 2002 weder interessiert, dass die Waffen auch aus deutschen, amerikanischen und tschechischen Heeresbeständen stammten noch sonst etwas. Eine SS-Kampfgemeinschaft? Hirngespinst eines Verstorbenen! Verbindungen zu Küssel und seiner verbotenen VAPO? Uninteressant! Gibt es eine Begründung für die skandalösen Ergebnisse der Justiz? Nein: Datenschutz und Amtsgeheimnis!
↳ kurier.at — Neonazi-Lager: 106 Schusswaffen – 4 Geldstrafen
↳ SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen (I) : Ein merkwürdiges Verschwinden
↳ SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen(II) : Kein Prozess, kein Urteil?