Innsbruck: Das Hakenkreuz, ethnisch definiert
Klagenfurt: Nazi-Tango aus Dummheit?
Feldkirch/V: Tätowierer mit Hitler
Bregenz-Feldkirch: Missbrauch und Wiederbetätigung durch Ex-Polizisten?
Innsbruck: Das Hakenkreuz, ethnisch definiert
Die Tathandlung tritt endemisch auf – in Haftanstalten. Was die Anklage E.T. vorwirft, nämlich in seiner Haftzelle sieben Hakenkreuze aufgemalt zu haben, haben wir so oder so ähnlich schon mehrfach berichten müssen. Bei dem Angeklagten, einem russischen Staatsbürger, ist es aber nicht das einzige Delikt. Er hat am linken Unterarm auch ein Hakenkreuz als Tattoo und außerdem in der Zelle ein Fernsehgerät zerstört.
Zum Tattoo gab es vor etlichen Jahren schon zweimal Ermittlungsverfahren, die aber beide eingestellt wurden. Darauf weist die Verteidigung schon zu Beginn des Verfahrens hin. Für den Angeklagten ist die Sache auch einfach: „Mein Großvater hat Deutschland und Österreich vom Faschismus befreit. Das geht nicht, dass ich dann ein Nazi bin!“
Was die Sachbeschädigung betrifft, so bekennt sich T. schuldig und gibt an, dass er die Hakenkreuze in der Zelle auch schon wieder weggeputzt habe. Die zwölf Vorstrafen, die der 40-Jährige schon verzeichnen kann, hat er ausschließlich wegen Diebstählen kassiert. „Ich bin ein Dieb, kein nationalsozialistisches Irgendwas!“
Mit den Hakenkreuzen, die er an die Wand gemalt hat, wollte er nach eigenen Angaben nur provozieren, dass der Wachkommandant kommt. Das Hakenkreuz am Unterarm habe er seit 20 Jahren, es sei ein Zeichen dafür, dass er niemanden verraten bzw. für Beamte arbeiten wolle. Seine Zellenkollegen, die als Zeugen einvernommen werden, behaupten Ähnliches. In Russland sei das Hakenkreuz ein Zeichen des Widerstandes, des Protestes gegen das System. Etwas differenzierter sieht es immerhin einer der Zeugen: weil wir Kaukasier – der Zeuge ist einer – damals mit Hitler gegen die Sowjets kooperiert haben.
Der Staatsanwaltschaft genügen die verschwurbelten historischen Erklärungsversuche nicht. Schließlich seien die Hakenkreuze durch den Angeklagten in Österreich gesetzt worden, und hier gelte österreichisches Recht. Außerdem müsste der Angeklagte nach den vergangenen Ermittlungen mittlerweile ja wissen, dass man hier nicht einfach Hakenkreuze malen kann.
Der Verteidiger versucht es ethnisch: Nicht jeder, der ein Hakenkreuz trage oder male, sei ein Russe, für den dieses Zeichen eben eine andere Bedeutung habe. Deshalb plädiert er für einen Freispruch beim Verbotsgesetz und für eine milde Strafe wegen der Sachbeschädigung.
Der Angeklagte wurde in allen Punkten schuldig gesprochen und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Wir danken prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Klagenfurt: Nazi-Tango aus Dummheit?
Schon der Titel des Songs, der da aus der Wohnung auf die Straße hinausschallte, ist eine rassistische Zumutung: der „Polackentango“ von der Neonazi-Band „Landser“. „Landser“ ist in Deutschland als kriminelle Vereinigung eingestuft, in Österreich gibt es für die Verbreitung ihrer Songtexte das Verbotsgesetz.
Bereits 17 Vorstrafen hat der 32-jährige Angeklagte, der am 1.4. deswegen vor dem Landesgericht Klagenfurt stand, auf dem Buckel. Aber von den vielen Vorstrafen wussten die Nachbarn, die das braune Lied aus seiner Wohnung mitanhören mussten, möglicherweise nichts. Der Liedtext, in dem gegen ein „Scheißvolk“ und „Polackenlümmel“ gehetzt und eine „arische Rasse“ bejubelt wird, reichte ihnen für eine Anzeige.
Bei der darauffolgenden Hausdurchsuchung fad die Polizei noch einiges: „Eine Figur mit „Sieg-Heil“-Pose, ein Bild von Adolf Hitler mit Happy-Birthday-Partyhut, gepostet am 20. April. Oder ein Daumen-Hoch-Sticker mit SS-Runen und Hakenkreuz.“, zählt die „Kleine Zeitung“ (1.4.25) auf. Das alles und Videos und Bilder, die er über WhatsApp verbreitete, führten zur Anklage.
Und was sagt der Angeklagte dazu? „Ich habe mir nichts dabei gedacht.“ Sein Verteidiger ergänzt: „Er hat es aus Dummheit verbreitet“. Die Geschworenen folgten dieser exkulpierenden Darstellung nicht:
Schuldspruch nach dem Verbotsgesetz, acht Monate unbedingte Haft als Zusatzstrafe. Insgesamt wandert der Klagenfurter sogar für 16 Monate hinter Gitter, wie Richter Christian Liebhauser-Karl ausführte: „Und Sie haben noch Glück, dass Sie die Naziinhalte nicht mit einer sehr großen Menge geteilt haben; dann wären wir nicht mehr bei einer Strafdrohung von bis zu fünf Jahren wie bei Ihnen, sondern gleich bei zehn Jahren.“ Der Angeklagte ist offensichtlich dafür auch dankbar und nimmt das Urteil an. (krone.at, 1.4.25)
Feldkirch/V: Tätowierer mit Hitler
Im Verhandlungskalender des Landesgerichts Feldkirch ist dieser Prozess angeführt, aber die „Neue Vorarlberger Tageszeitung“ berichtete über ihn am 2.4.25 (S. 21), also hat er irgendwann in den Tagen vorher stattgefunden: der Wiederbetätigungsprozess gegen den „ mit einschlägigen Vorstrafen in Deutschland und der Schweiz belastete(n) Angeklagte(n)“ (NVT), einen Tätowierer (50), der bei seiner Einreise aus der Schweiz nach Hohenems im Juni 2024 der kontrollierenden Fremdenpolizei nicht bloß seinen Ausweis zeigte, sondern auch „ein tätowiertes Porträt von Adolf Hitler auf dem rechten Oberarm und ein SS-Totenkopf als Aufdruck auf der Jogginghose des Angeklagten“ (NVT).
Das war bedeutend mehr, als dem österreichischen Strafrecht zugemutet werden kann, und so musste sich der in der Schweiz lebende Deutsche vor einem österreichischen Gericht wegen NS-Wiederbetätigung verantworten.
Weil der Angeklagte geständig war und sich schon nach der Grenzkontrolle den SS-Totenkopf aus der Jogginghose geschnitten hat und später auch seinen Hitler überstechen ließ, aber vor allem, weil er seine Verteidigung wechselte, kam er mit einer „bedingten, nicht zu verbüßenden Haftstrafe von zwölf Monaten und einer unbedingten, dem Gericht zu bezahlenden Geldstrafe von 1440 Euro (360 Tagessätze zu je vier Euro)“ (NVT) davon. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Bregenz-Feldkirch: Missbrauch und Wiederbetätigung durch Ex-Polizisten?
Das Fragezeichen steht nur für die Frage, ob der Ex-Polizist (76) neben dem Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs auch noch unter dem Verdacht steht, das Verbrechen der NS-Wiederbetätigung begangen zu haben. Im Verhandlungskalender des Landesgerichts Feldkirch war auch eine Anklage zu diesem Punkt angekündigt. Vermutlich dürfte der aber ausgeschieden worden sein und getrennt verhandelt werden.
Die bereits verhandelten Anklagepunkte sind auch ohne Verbrechen nach dem Verbotsgesetz heftig. Der ORF Vorarlberg (3.4.25) zählt auf:
Die Liste der Anklagepunkte gegen den Mann war lang. Als schwerwiegendster Vorwurf stach der schwere sexuelle Missbrauch seiner beiden Enkelinnen heraus, den der Mann vor rund 20 Jahren in Bregenz und während mehrerer Italienurlaube begangen haben soll. Eines der Mädchen war neun Jahre alt, als die Übergriffe begonnen haben sollen, ihre Schwester zwölf Jahre alt. Laut der Anklage war zum einen die Dienstwohnung des Mannes der Tatort, wo es während des „Mittagsschlafes“ zu sexuellen Handlungen gekommen sein soll. Zum anderen trugen sich Übergriffe laut Anklage auf einem Campingplatz in Italien zu.
Der pensionierte, „einst führende Bregenzer Polizeibeamte“ (Vorarlberger Nachrichten, 3.4.25) wies alle Vorwürfe der Anklage als „erfunden“ zurück, nur beim unerlaubten Waffenbesitz räumte er eine gewisse Sorglosigkeit ein.
Letztlich folgte der Schöffensenat am Ende des dreitägigen Prozesses der Argumentation der Anklage. Der Ex-Polizist wurde wegen mehrfacher sexueller Übergriffe, wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, gefährlicher Drohung, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, pornografischer Darstellung Minderjähriger und mehrfachen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu zehn Jahren Haft verurteilt. Einem seiner Opfer muss er 11.700 Euro, der zweiten Enkelin 1.800 Euro bezahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (vorarlberg.orf.at)
Was den Vorwurf der NS-Wiederbetätigung betrifft, findet sich auch im Vorbericht des ORF kein Hinweis.