Bis 2019 war Hans-Jörg Jenewein Bundes- und ab 2017 FPÖ-Nationalratsabgeordneter und Fraktionsführer im BVT-U-Ausschuss. Nachdem er es über den Listenplatz 9 am Bundeswahlvorschlag und Platz 7 auf der Wiener Liste der FPÖ knapp nicht mehr ins Parlament geschafft hatte, übernahm ihn die Partei als Mitarbeiter in den Parlamentsklub. Im September 2021 folgte der erste Paukenschlag: In einer Hausdurchsuchung wurden Computer, USB-Sticks, Handys und Datenträger beschlagnahmt. Jenewein wurde verdächtigt, an den Russland-Spion Egisto Ott Informationen verkauft zu haben – was Jenewein bestritten hatte. So viel steht fest: Auf Jeneweins Geräten wurden Chats mit Ott sichergestellt.
Als die damalige Opposition eine Sondersitzung des Nationalrats im September 2018 einberief, gehörte Jenewein zu den wortreichen Verteidigern der Razzia im BVT. Retrospektiv gesehen, entbehrt es angesichts der Kontakte von Jenewein zu Ott nicht einer gewissen Ironie, dass dort just Jenewein die mangelnde „Datensicherheit“ im BVT als Ursache für das Misstrauen der ausländischen Partnerdienste gegenüber dem österreichischen Verfassungsschutz festmachte. „Tatsache ist, dass wir hinsichtlich Datensicherheit ein evidentes Problem im BVT haben.“ (parlament.gv.at, 7.9.18)

Die FPÖ reagierte auf die Razzia bei Jenewein reflexartig und ortete „nichts anderes als ein[en] Racheakt und Einschüchterungsversucht (sic!) des tiefen schwarzen Staates“ und versprach „von der FPÖ selbstverständlich volle Rückendeckung“ (ots.at, 11.9.21). Mit der „vollen Rückendeckung“ war jedoch schlagartig Schluss, als im August 2022 publik wurde, dass auf Jeneweins Handy der Entwurf einer anonymen Anzeige gegen (Ex-)Granden der Wiener FPÖ gefunden wurde, in der es um den Missbrauch von mehreren Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln über FPÖ-nahe Vereine gehen soll.
Jenewein, der bis dahin als enger Vertrauter von Herbert Kickl gegolten hatte, trat aus der Partei aus und wurde von seinem Posten im blauen Parlamentsklub „suspendiert“, wie die damalige Sprachregelung nach einem kolportierten Suizidversuch von Jenewein gelautet hatte. Wie Jeneweins Status im FPÖ-Klub derzeit aussieht, ist nicht bekannt. Sein Name scheint noch immer auf der Klub-Telefonliste des Parlaments auf.
Im aktuell laufenden Untersuchungsausschuss betrieb Herbert Kickl auch im Fall von Jenewein „Kindesweglegung“.
Bei den Fragen durch die grüne Fraktionsführerin Meri Disoski fehlte es Kickl dann an Wahrnehmungen. Keine Wahrnehmungen hatte er etwa zu Interventionen bei Medien und Chats des ehemaligen FPÖ-Sicherheitssprechers Hans-Jörg Jenewein. Gefragt nach seiner Beziehung zu Jenewein sagte er nur: „Es ist schlicht und ergreifend falsch zu behaupten, der Jenewein sei meine rechte Hand gewesen.“ Auch Jeneweins Rolle bei der BVT-Reform war Thema, er sei aber „weder Berater noch sonst etwas“ gewesen, so Kickl. (apa.at, 11.4.24)
Jenewein mit Rechtsaußen-Geschichte
Jenewein ist Burschenschafter der akademischen Verbindung Silesia. 2008 referierte er bei der „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ (AfP). Vom „Falter“ auf seine Teilnahme angesprochen, meinte er, „dass ihm die Einschätzung des Verfassungsschutzes, wonach die AFP eine ‚ausgeprägte Affinität zum Nationalsozialismu‘ besitze, nicht tangiere: ‚Ich habe dort durch die Bank normale Menschen kennen gelernt, die mit Messer und Gabel essen.” Daher würde er im Falle einer neuerlichen Einladung nächstes Jahr ‚wieder hinfahren‘.“ (doew.at, 10.09) 2009 stand er zwar neben dem Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub mit dem Thema „Über den herrschenden Gesinnungsterror” erneut am Programm, statt ihm referierte dann jedoch Johann Gudenus.
Ab 2003 war Jenewein auch Teil jenes Vereins, der sich zur Aufgabe gestellt hat, dem Nazi-Flieger Walter Nowotny zu huldigen. Auf Jeneweins Handy waren aber nicht nur die brisanten Chats mit Ott und die Anzeige gegen die FPÖ aufgestöbert worden, berichtet die „Kronen Zeitung“ (13.4.24):
Auf seinem Mobiltelefon wurden zudem Bilder gefunden, auf dem T‑Shirts und Wimpel zu sehen sind, die gemäß Akt „eindeutig nationalsozialistische Gesinnung Erkennen [sic!] lassen“. Jenewein habe auf die ihm geschickten Bilder mit den Worten: „Sehr nett. A schönes Urlaubsmitbringsel“ und einem lachenden Emoji reagiert.
Weitere Ironie des Schicksals: Auch bei Egisto Ott wurde Nazi-Kram sichergestellt. In seiner Wohnung sollen sich ein Eisernes Kreuz und ein Hakenkreuz befunden haben. Weil der mutmaßliche Russland-Spion Ott mit Jenewein und anderen aus der FPÖ in Kontakt stand, bringt die FPÖ zunehmend in den Verdacht, weit über den 2016 abgeschlossenen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei hinaus für russische Interessen tätig gewesen zu sein.
Bereits 2021 war bekannt geworden, dass die Durchsuchungstruppe in Jeneweins Wohnung auch ein Schlagring mit Totenkopf gefunden hatte – angeblich aus dem Nachlass von Jeneweins Großvater. Das angebliche Erbstück sei – gewissermaßen schlagfertig – „am Heizkörper neben der Tür“ (diepresse.com, 13.9.21) platziert gewesen.
➡️ tageins: Was die FPÖ mit dem Spionagefall Egisto Ott zu tun hat
Update 1.6.24: Laut „Standard” (1.6.24) seien bezüglich des NS-Bildmaterials auf Jeneweins Handy keine Ermittlungen eingeleitet worden.