Der 63-jährige Wolfgang St. musste sich am 7.3. vor einem Schwurgericht am Landesgericht Eisenstadt verantworten, weil er 2017 Mitglied in staatsfeindlichen und verschwörungsideologischen „Staatenbund Österreich“ war. Laut Anklage habe er damit einer Verbindung angehört, die eine systematische Herabwürdigung und Verleugnung staatlicher Hoheitsrechte und ‑akte betreibe und deren Zweck in der Einführung eines Systems der Selbstjustiz in Form eines sogenannten „Völkerrecht-Gerichtes“ bestehe. Außerdem soll der Angeklagte ab Dezember 2018 in aktiver Verbindung zum „Global Court of Common Law“ (GCCL) gestanden haben, einer Organisation, die ebenso der rechten Staatsverweigerer-Szene zuzuordnen ist.
Die Organisation fiel auch durch aggressives Verhalten und Drohungen gegenüber Amtsträger*innen auf und verschickte massenhaft Drohschreiben an Behörden und deren Personal. Zudem wurde der Versuch unternommen, Bundesheermitarbeiter*innen anzuwerben, die dann etwa Verhaftungen im Auftrag des „Staatenbundes“ durchführen sollten.
Diesen artikulierten Umsturzplänen sollten Taten folgen: So kündigte die Gruppe für den 21. April 2017 die geplante Besetzung des Grazer Straflandesgerichtes an, um dort erste „Prozesse“ abzuhalten. Dem skurrilen Plan kam allerdings die Verhaftung von 26 Mitgliedern, einschließlich der „Präsidentin“, am 20. April zuvor. Unger wurde im Jänner 2019 zu 14 Jahren Haft und dann nach einer Revision in einem zweiten Prozess im Jahr 2020 zu zwölf Jahren Haft u.a. wegen Hochverrats verurteilt.
Der „Global Court of Common Law“ (GCCL) ist ein Fantasiegericht, das im Jahr 2016 von dem deutschen Staatsbürger Carl-Peter Hofmann gegründet wurde und ebenso dem Milieu der „Staatsverweigerer“ zuzurechnen ist. Hofmann wartet gegenwärtig auf einen Prozess vor dem Landesgericht für Strafsachen in Graz (detailliert: psiram.com). Mindestens vier österreichische GCCL-Aktivisten wurden bereits vor der Verhaftung des Chefs am Landesgericht Salzburg verurteilt.
Wenig Kooperation, keine Reue
Laut Staatsanwaltschaft hatte St. sowohl den „Staatenbund“ als auch den GCCL unterstützt. Insbesondere von Letzterem hatte er mehrere Fake-Dokumente unterschrieben, war bei Veranstaltungen zugegen und hatte auch Geld überwiesen. Die Verteidigung führte ins Treffen, dass nicht jede Beteiligung an verbotenen Organisationen strafbar sei, sondern erst dann, wenn man führend dort tätig sei bzw. eine erhebliche Unterstützung nachgewiesen werden könne.
St. zeigte sich während seiner Einvernahme kaum kooperationsbereit. Danach gefragt, was ihn an solchen Gruppen fasziniere, sagte er: „Andere gehen in den Kegelclub.“ Häufig verwies er auf das Internet, wo es eben viele Theorien gäbe. Er distanzierte sich aber an keiner Stelle, sondern verwies vielmehr immer wieder auf den „Experten“ Carl-Peter Hofmann, den er auch einen „Ehrenmann“ nannte, der „etwas Positives“ vorgehabt habe. Dieses konsequente Abweisen von Verantwortung bei gleichzeitiger Uneinsichtigkeit zog sich durch den Prozess – und brachte zwischendurch auch die Richterin aus der Fassung. Etwa, als es um eine „Sitzung“ des GCCL im November 2019 in Tschechien ging, wo St. anwesend war. Als ihn die Richterin danach befragen wollte und St. jedes aktive Wissen von sich wies und sich nur auf Hofmann ausredete, entspann sich dieser Dialog:
Richterin: Aber sagen Sie uns jetzt bitte, was bei dieser Geschworenenverhandlung im November 2019, wer hat da noch teilgenommen? Was war das Ziel dieser Verhandlung?
Angeklagter: Da müssen Sie den Carl-Peter Hofmann fragen!
R. (laut): Sie waren ja dort!
A.: Er ist Experte, er kennt sich aus.
R. (laut): Ich brauche den Herrn Hofmann nicht fragen, weil Sie ja selber dort waren. Und deswegen frage ich Sie, was haben Sie denn dort gemacht?
Drei Zeugen
Drei Zeugen wurden während des Verfahrens befragt. Der erste, ein bereits verurteilter, ehemaliger Aktivist der Szene, entschlug sich weitgehend und wollte von vielem nichts mehr wissen. Der zweite Zeuge war ein Beamter der „Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst“ (DNS), der das Gericht über die beiden Organisationen informierte. Und der dritte Zeuge, Fernando F., ein ebenso bereits rechtskräftig verurteiltes Mitglied des GCCL, versuchte den Angeklagten zu entlasten. Er zeigte sich zugleich vor Gericht als hochgradig ideologisiert und brachte sogar die Verschwörungserzählungen der Szene in Schlagworten an:
Wir wollten aufzeigen: Kindesmissbrauch, Pädophilie, Kinderhandel, Adrenochrom-Handel. Der GCCL wollte das aufzeigen, hat diesbezüglich auch Briefe an die Behörden geschickt, mit der Bitte um Hilfe. Der Gärtner wurde zum Bock gemacht, wir wurden alle mundtot gemacht …
Das Thema „Pädophilie“ ist ein Dauerbrenner der extremen Rechten allgemein und im Rahmen der antisemitischer Verschwörungsideologie im Besonderen.
Zusatzstrafe
Der angeklagte Wolfgang St. wurde zuletzt durch das Geschworenengericht schuldig gesprochen. Die Strafe wurde als Zusatz zu einem bereits verhängten Urteil wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch (18 Monate teilbedingte Haft) ausgesprochen und lautete: zwei Monate bedingter Haft bei dreijähriger Bewährung. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!