Wien: Braun gepolstert
Graz: Erneut braune Töne aus der Allemannia-Bude
Ö: Aberkennung Ehrenzeichen
Wien-Mariahilf: Ehrung für Erika Weinzierl
D: Anastasia-Bewegung rechtsextremer Verdachtsfall
Wien: Braun gepolstert
Bis zur Verhandlung am 5. Juni hatte sich der Angeklagte Michael S. (53) zu den ihm vorgeworfenen Delikten, Chatnachrichten an den bereits 2022 wegen Wiederbetätigung verurteilten Kurt D. gesendet zu haben, schweigsam gegeben: Ein Bild zeigt einen Aufmarsch der Waffen-SS mit dem Text „Ein schwarzer Block ist grundsätzlich nichts Schlechtes“, weiters wurden Bilder mit Stielhandgranaten der Wehrmacht mit Texten wie „Haben Sie Angst vor Polenböllern? Ihnen kann geholfen werden, bestellen Sie noch heute!“ sowie Bilder mit rassistischen Texten („Witze“ über Migrant*innen, Vergleiche mit Tieren) gefunden. Bei einer Hausdurchsuchung wurde auch noch ein Polster mit einer Schwarzen Sonne und Sigrunen sichergestellt.
Es war nicht der erste Auftritt von S. vor Gericht. Bereits 2019 war er mit einer Anklage nach dem Verbotsgesetz konfrontiert, kam damals jedoch mit einem Freispruch davon, weil nicht nachweisbar war, dass ein von seinem Handy abgegangenes Bild mit Reichsadler und Hakenkreuz tatsächlich von ihm selbst verschickt wurde. Seine damalige Erklärung: „Ein Kollege hat ein Bild mit Reichsadler und Hakenkreuz versendet, weil mein Handy in der Arbeit frei zugänglich ist.“
Die Verteidigungsstrategie war einigermaßen überraschend: In Wirklichkeit sei S. ein Linker, der seinen Chatpartner nur provozieren wollte, und der Polster sei nur zufällig am Tag vor der Hausdurchsuchung aus dem Keller ins Wohnzimmer gewandert und diene als Sitzunterlage beim Kaffeetrinken. Im Übrigen habe S. die Bedeutung der „Schwarzen Sonne“ nicht gekannt. Gesehen habe den Polster ohnehin niemand, denn seine Gäste empfange er auf der Terrasse.
Sehr überzeugend war die Verteidigungsstrategie nicht, denn im Gegensatz zu 2019 kassierte S. diesmal einen Schuldspruch mit 18 Monaten bedingter Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Graz: Erneut braune Töne aus der Allemannia-Bude
Bereits im August 2021 kursierte eine Videoaufnahme, in der wenig zu sehen, aber einiges zu hören war. In der Bude der rechtsextremen Grazer Burschenschaft Alemannia wurde gefeiert – zum Lied „Diese Party wird jetzt rechtsradikal“ des Nazi-Barden „Johnny Zahngold”.
Das Doku Service Steiermark hat nun wieder eine Aufnahme veröffentlicht: „Wie uns zugespielte Videos zeigen, wurde neben Spottliedern auf kath. Verbindungen (’10 kleine Bibelschmeißer’) u.a. einschlägiges Liedgut wie ‚rechtsradikaler Schlager’ gespielt. Besungen wird darin das „deutsche Reich” sowie ‚Deutsches Blut auf deutschem Boden’.”
Wie uns zugespielte Videos zeigen, wurde neben Spottliedern auf kath. Verbindungen („10 kleine Bibelschmeißer”) u.a. einschlägiges Liedgut wie „rechtsradikaler Schlager” gespielt. Besungen wird darin das „deutsche Reich” sowie „Deutsches Blut auf deutschem Boden”. pic.twitter.com/Dmfoo9n7ir
— Doku Service Steiermark (@DokuServiceStmk) June 10, 2023
Ö: Aberkennung Ehrenzeichen
Derzeit befindet sich ein Entwurf zu einem überfälligen Gesetz in Begutachtung, das endlich
die Aberkennung von Ehrenzeichen ermöglichen soll. Anlassfall war der Mitverfasser der nationalsozialistischen Rassengesetze Hans Globke, der 1956 den zweithöchsten Orden der Republik erhielt. (…) Ex lege soll ein Ehrenzeichen widerrufen werden, wenn der Ausgezeichnete wegen einer Vorsatztat zu mehr als sechs Monaten unbedingter oder zwölf Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt wird sowie – unabhängig von der Strafhöhe – bei Verurteilungen aufgrund von Verstößen gegen Leib und Leben, die Freiheit, die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, gegen die Republik oder deren Einrichtungen und Organe oder nach dem Verbotsgesetz.
Eine Aberkennung sieht die Reform vor, wenn die Person eine führende Rolle in der NSDAP oder den ihr angeschlossenen Organisationen innehatte und sich aktiv an den nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligte. Für die Aberkennung wird ein eigener Beirat im Bundeskanzleramt eingerichtet. (derstandard.at, 5.6.23)
Die Debatte um eine Aberkennung von Ehrenzeichen ist allerdings nicht erst mit dem Fall Globke hochgekocht. Bereits 1998 stellte Karl Öllinger an dem damaligen Wissenschaftsminister Caspar Einem eine Anfrage zum Euthanasiearzt Heinrich Gross, dem 1975 das „Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse“ verleihen worden war.
Gibt es eine Möglichkeit, Dr. Gross das ihm zugesprochene Ehrenzeichen der Republik wieder abzuerkennen? Wenn ja, welche und wollen Sie diese Möglichkeit gegenüber Dr. Gross nutzen?
Antwort: Das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung des Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst, BGBl. Nr.96/1955, sieht keine Aberkennung vor; im Falle einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung wegen eines Verbrechens wäre eine solche als contrarius actus grundsätzlich möglich. (Beantwortung Anfrage)
Erst 2003 war es dann so weit: Gross wurde nach viel Druck durch Karl Öllinger das Ehrenkreuz aberkannt. Nun, zwei Jahrzehnte später, sollte nach der Novellierung eine Aberkennung schneller möglich sein.
Wien-Mariahilf: Ehrung für Erika Weinzierl
Lange hat es gedauert, bis die 2014 verstorbene Zeithistorikerin Erika Weinzierl in Wiens öffentlichem Raum eine Ehrung erhalten hat. Seit Oktober 2022 trägt der Platz vor der Mariahilfer Kirche Weinzierls Namen, am 6. Juni fand die offizielle Benennungsfeier statt.
Dem vorausgegangen war ein 2021 eingebrachter Antrag der Grünen Mariahilf für eine Umbenennung der Rahlstiege in Erika-Weinzierl-Stiege, mit der Begründung, dass Weinzierl Volksschule und Gymnasium in der Ranlasse besucht hatte. Der Antrag wurde damals von SPÖ, ÖVP und Neos diskussionslos abgelehnt. Die Benennung des Platzes vor der Mariahilfer Kirche war dann ein Kompromiss.
D: Anastasia-Bewegung rechtsextremer Verdachtsfall
In Deutschland wurde die Anastasia-Bewegung zuerst im Bundesland Brandenburg, dann bundesweit als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Die auf Rechtsextremismus spezialisierte Journalistin Andrea Röpke, die die Ausbreitung der Anastasia-Bewegung in Deutschland schon lange kritisch beobachtet, kommentiert den Schritt des Verfassungsschutzes so:
Laut Röpke ist es „der rechtsextremen Szene, vor allem den völkischen Ideolog*innen gelungen, mit dem Anastasia-Kult, den sie von Anfang an, seit den ersten Festivals hier in Deutschland, mit aufgebaut haben, in ganz andere gesellschaftliche Kreise vorzudringen und völkische Ideologien zu transportieren. Das hat man sehenden Auges hingenommen und sie machen lassen. Die Einstufung als rechtsextrem ist ein Schritt, der absolut überfällig ist. (belltower.news, 12.6.23)
Auch in Österreich erlebt breitet sich die Anastasia-Bewegung durch die Pandemie stark angekurbelt aus. Spezielle Gegenmaßnahmen sind uns nicht bekannt.
➡️ Vierteilige Serie zu Anastasia auf „Endstation Rechts“