Bundesdisziplinarbehörde: Milde bei braunen Fällen

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Es ist nicht lan­ge her, dass ein Urteil der Bun­des­diszpli­nar­be­hör­de für gehö­ri­ges Auf­se­hen gesorgt hat: Ein Bun­des­heer­sol­dat hat­te sich wie­der­be­tä­tigt, die Dis­zi­pli­nar­be­hör­de ver­häng­te eine Geld­stra­fe, der Sol­dat durf­te im Staats­dienst blei­ben. Nun gibt’s wie­der zwei Fäl­le, dies­mal bei der Poli­zei und in der Jus­tiz­wa­che, und erneut setz­te es nur Geldstrafen.

Es war der „Kurier“, der im Okto­ber 2022 den Fall jenes Kärnt­ner Sol­da­ten publik mach­te, der sich jah­re­lang im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Sinn betä­tig­te, u.a. mit einer selbst­ge­bas­tel­ten SS-Uni­form her­um­mar­schier­te, und dann sei­tens der Bun­des­diszpli­nar­be­hör­de mit einer Geld­stra­fe von nicht ein­mal zwei Monats­ge­häl­tern davon­kam. Nun ist es wie­der der „Kurier“ (12.3.23; Pay­wall), der meh­re­re Ent­schei­dun­gen der Bun­des­diszpli­nar­be­hör­de unter die Lupe genom­men hat und feststellt:

Für Exe­ku­tiv­be­am­te gel­ten offen­bar ande­re Regeln, wie zahl­rei­che Urtei­le aus dem ver­gan­ge­nen Jahr zei­gen. Das Fäl­schen von Coro­na-Impf­päs­sen, eine ein­jäh­ri­ge beding­te Haft­stra­fe wegen Falsch­aus­sa­ge vor Gericht, schwe­rer Betrug oder das Len­ken einer Funk­strei­fe mit 1,7 Pro­mil­le – der­ar­ti­ge Ver­ge­hen sor­gen in wei­ten Tei­len der Pri­vat­wirt­schaft ver­mut­lich für eine Ent­las­sung. Bei der Poli­zei hin­ge­gen gibt es dafür einen Ver­weis oder maxi­mal eine Geld­stra­fe. Das zei­gen meh­re­re neue Urtei­le der Bundesdisziplinarkommission. 

Da wäre jener bur­gen­län­di­sche Poli­zist, Dienst­rang Kon­troll­in­spek­tor, der im Juni 2021 mit sei­nem sechs­fach vor­be­straf­ten Freund auf­ge­flo­gen ist: Bei einer Haus­durch­su­chung wur­den ille­ga­le Waf­fen, NS-Devo­tio­na­li­en und Uten­si­li­en zur Vor­be­rei­tung des Ver­kau­fes von Sucht­mit­tel auf­ge­stö­bert. Dazu kamen jede Men­ge Nazi-Chat­nach­rich­ten und gefälsch­te Aus­wei­se. Bei der Her­stel­lung von fal­schen Impf­aus­wei­sen war der Herr Kon­troll­in­spek­tor sei­nem Freund behilf­lich. Zusätz­lich hat­te er auch ein brau­nes Bild an sei­nen kri­mi­nel­len Kum­pa­nen ver­schickt: einen „Pas­sier­schein“ fürs „Füh­rer­haupt­quar­tier“.

Tweet LPD NÖ im Juni 21: gefälschte Ausweise, Waffenarsenal

Tweet LPD NÖ im Juni 21: gefälsch­te Aus­wei­se, Waffenarsenal

Bereits von der Jus­tiz wur­de der Poli­zist freund­lich behan­delt: Er kam mit einer Diver­si­on und der Bezah­lung von 2.000 Euro davon, das Ver­fah­ren nach dem Ver­bots­ge­setz wur­de über­haupt ein­ge­stellt. Die Dis­zi­pli­nar­be­hör­de ver­han­del­te noch ein zusätz­li­ches Ver­ge­hen: Der Inspek­tor kurv­te wäh­rend eines Kran­ken­stan­des, den er wegen Beschwer­den an der Wir­bel­säu­le ange­tre­ten hat­te, 600 Kilo­me­ter durch Öster­reich, um ein Auto zu besich­ti­gen und behau­pe­te, er habe nicht gewusst, dass er das nicht tun dür­fe. Ob er schmerz­ge­plagt zur Besich­ti­gung gefah­ren ist, geht aus dem Doku­ment der Dis­zi­pli­nar­be­hör­de nicht hervor.

Aus dem Urteil der Bundesdisziplinarbehörde: Urkundenfälschung, Nazi-Bild, Autofahrt im Krankenstand

Aus dem Urteil der Bun­des­dis­zi­pli­nar­be­hör­de: Urkun­den­fäl­schung, Nazi-Bild, Auto­fahrt im Krankenstand

Anders als im Fall des Kärnt­ner Sol­da­ten hat­te der Dis­zi­pli­nar­an­walt des Dienst­ge­bers, dem Innen­mi­nis­te­ri­um, die Ent­las­sung des Beam­ten gefor­dert, dem jedoch von der Kom­mis­si­on nicht ent­spro­chen wur­de. Als mil­dernd wur­den das Geständ­nis des Poli­zis­ten, das aller­dings mit hane­bü­chen wir­ken­den Erklä­run­gen daher­kam und sei­ne bis­he­ri­gen „Belo­bi­gun­gen“ gewer­tet. Der Kon­troll­in­spek­tor bleibt wei­ter im Dienst, die ihm auf­ge­brumm­te Geld­stra­fe über 15.000 Euro kann er in 36 Raten abstottern.

Ein wei­te­rer Fall aus der Exe­ku­ti­ve ist „Stoppt die Rech­ten“ bei der Durch­sicht der publi­zier­ten Urtei­le auf­ge­fal­len: Ein Jus­tiz­wa­che­be­am­ter hat­te im Bur­gen­land die Nazi-Chat­grup­pe „Schüt­zen­ver­ein Roten­turm“ gegrün­det und war bei einer zwei­ten, eben­so brau­nen Chat­grup­pe Mit­glied. Den Fall ins Rol­len gebracht hat­te eine anony­me Anzei­ge, wonach im Zuge einer Fei­er in einem Lokal Hit­ler­grü­ße gezeigt wor­den sein sol­len – ein dort angeb­lich gedreh­tes Video konn­te aller­dings nicht sicher­ge­stellt wer­den, dafür tauch­ten am Han­dy des Wirts die Nazi-Chats der bei­den Grup­pen auf.

Dem Exe­ku­tiv­be­am­ten wur­den fol­gen­de Delik­te, für die er am Lan­des­ge­richt Eisen­stadt rechts­kräf­ti­ge zwölf Mona­te bedingt und eine Geld­stra­fe über 3.600 Euro erhal­ten hat­te, zur Last gelegt:

Nach den Fest­stel­lun­gen des Straf­ge­richts grün­de­te der Beam­te am 17. März 2017 die whats-app Grup­pe. Im Zeit­raum von 17. März bis 07. Dezem­ber 2017 pos­te­te er ins­ge­samt 6 Nach­rich­ten, die im Sin­ne des § 3g Ver­botsG geeig­net waren den Natio­nal­so­zia­lis­mus und des­sen Gedan­ken­gut zu ver­herr­li­chen. Dabei han­del­te es sich um fol­gen­de postings:
17.3.2017: ein Bild, das drei Mäd­chen zeigt, wel­che den sog. „Hit­ler-Gruß“ bzw. „deut­schen Gruß“ aus­füh­ren, wobei eines ein T‑Shirt mit einem ‚Haken­kreuz‘, und ein ande­res ein T‑Shirt mit dem ‚Reichs­ad­ler‘ trägt, und dar­über der Schrift­zug „Hoch die Hän­de Wochenende“
18.3.2017: ein Bild, wel­ches Adolf Hit­ler zeigt, sowie dar­über der Schrift­zug „AUS DER TÜRKEI“ und dar­un­ter der wei­te­re Schrift­zug „HÄTTE ICH IN EINER WOCHE EINEN PARKPLATZ GEMACHT“;
20.4.2017: ein Pos­ting des Wort­lau­tes „Alles Gute zum Geburts­tag!“, die­ses offen­bar anspie­lend auf den Geburts­tag von Adolf Hitler;
24.6.2017: ein Bild wel­ches einen mili­tä­ri­schen Schüt­zen offen­bar der deut­schen Wehr­macht hin­ter einem Maschi­nen­ge­wehr zeigt, und dar­un­ter der Schrift­zug „Das schnells­te deut­sche Asyl­ver­fah­ren, lehnt bis zu 1400 Anträ­ge in der Minu­te ab!“;
16.9.2017: ein Bild, wel­ches Adolf Hit­ler als Koch zeigt, und dar­un­ter der Schrift­zug „Also … zuerst dre­hen wir das Gas auf“, offen­bar anspie­lend auf die natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger und Mas­sen­ver­nich­tun­gen ins­be­son­de­re an den Juden und ande­ren Bevölkerungsgruppen;
07.12.2017: ein Pos­ting, zei­gend die (nicht mehr akti­ve) E‑Mail-Adres­se [email protected]. (aus dem Urteil der Bun­des­dis­zi­pli­nar­be­hör­de)

Die Bun­des­dis­zi­pli­nar­be­hör­de sah eini­ge mil­dern­den Grün­de und mein­te: „Nach dem Ergeb­nis des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens hat der Beam­te kei­ne ras­sis­ti­sche, bzw. natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Gesin­nung. Sei­ne Ver­ant­wor­tung, die inkri­mi­nier­ten pos­tings aus Dumm­heit wei­ter­ge­ge­ben, bzw. in der Grup­pe ver­öf­fent­licht zu haben, war glaub­wür­dig.“  Der Beschul­dig­te hat­te ein Monats­ge­halt als Stra­fe zu bezah­len, sei­ne Sus­pen­die­rung wur­de auf­ge­ho­ben, und das war’s. Dass er die Grup­pe selbst gegrün­det, den abscheu­li­chen Rest, der von ande­ren Mit­glie­dern gepos­tet wur­de, zumin­dest gedul­det hat­te, war kein The­ma. Es ist zu hof­fen ist, dass die beab­sich­tig­te Novel­lie­rung des Ver­bots­ge­set­zes bald kommt. Denn damit wür­de die „Dumm­heit“ des Jus­tiz­wa­che­be­am­ten wenigs­tens zum Ende sei­ner Kar­rie­re in die­sem Job führen.

P.S.: „Im Vor­jahr wur­den 268 Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren geführt. 26-mal gab es einen Ver­weis, 139-mal eine Geld­stra­fe. 31 Beam­te wur­den zeit­wei­lig sus­pen­diert. Zu einer Ent­las­sung führ­te aber nur ein Fall: Ein Poli­zist hat­te mehr­fach in die Gemein­schafts­kas­se einer Dienst­stel­le gegrif­fen.“ (kurier.at) Damit wis­sen wir, was wirk­lich schlimm ist – zumin­dest für die Bundesdisziplinarbehörde!