Allzu oft kommt es nun auch nicht vor, dass Kritik aus der eigenen Partei an der Parteispitze öffentlich so klar herüberkommt wie jene von Johannes Hübner an Norbert Hofer. Fast könnte man zur Meinung kommen, dass Hübner eine offene Rechnung mit Hofer zu begleichen hatte. Wobei mit Hübner zwar alter Parteiadel, aber dennoch jemand aus der dritten Reihe schießt.
Schon Michael Schnedlitz, Generalsekretär der FPÖ, pilgerte zum identitären-nahen Info-Direkt, respektive zu Michael Scharfmüller – einst im Führungskader des neonazistischen „Bundes freier Jugend“ –, um Land, Leuten und Partei kundzutun, dass es nun mit der „Distanziererei“ von den Identitären „definitiv vorbei“ sei. Damit desavouierte er Parteichef Norbert Hofer, dem nichts anderes übrig blieb, als holprig auf den gültigen, aber zahnlos gewordenen Parteibeschluss hinzuweisen. „FPÖ-Obmann Norbert Hofer betonte auf APA-Anfrage, dass die Haltung seiner Partei gegenüber den rechtsextremen Identitären weiterhin wie zur Zeit der blauen Regierungsbeteiligung sei.“ (APA via derstandard.at, 30.11.20)
Als Norbert Hofer seiner Partei über Twitter ausrichtete, er erwarte von allen Abgeordneten, sich an die Hausordnung des Parlaments und damit an die Maskenpflicht zu halten, wird das parteiintern alles andere als Freude ausgelöst haben. Wenige Tage zuvor hatte sein Klubobmann Herbert Kickl verkündet, dass eine Maskenpflicht im Parlament mit der FPÖ nicht zu machen sei. Und Kickl setzte sich durch: Bei der darauf folgenden Sitzung des Nationalrats ignorierten prompt alle FPÖ-Abgeordneten die „Erwartung“ ihres Parteiobmanns.
Hübner erzählt nun im Gespräch mit Michael Scharfmüller ungeniert über Interna der FPÖ, insbesondere von jener Klubsitzung, in der beschlossen wurde, Hofers Direktive nicht zu folgen. Süffisant verpassen Scharfmüller und Hübner im Duett Hofer eine verbale Ohrfeige nach der anderen, die in Hübners etwas undeutsch formulierten Aussage gipfelt: „Wenn eine Einigung [zwischen Hofer und der Partei; Anmk. SdR] auf eine Formel nicht möglich ist, eine Trennung im Vernünftigen und im Interesse der Bewegung, der Partei und unserer Weltanschauung passiert.“ Sprich: Hofer muss den Hut nehmen.
Hübner verrät auch einen weiteren Beschluss aus dieser Sitzung: Kein fliegender Wechsel in eine Regierung mit der ÖVP! Das mag unter jenem Gesichtspunkt interessant sein, als dass kolportiert wird, es habe zwischen der ÖVP und Hofer diesbezügliche Gespräche gegeben – ein Gerücht, das möglicherweise innerhalb der FPÖ gestreut wurde, um Hofer zu schaden.
Johannes Hübner saß bis 2017 fest im Sattel seines Nationalratsmandats, eine Kandidatur für die nächste Periode war bereits fixiert. Bis Hübner über eine Rede stolperte, die er im Juni 2016 bei der recht extremen „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GfP) gehalten hatte. Dort punzierte er Hans Kehlsen als „Hans Kohn“ („Hans Kelsen sagt – das ist der Gründer oder der Schöpfer der österreichischen republikanischen Verfassung von 1920; Hans Kelsen – eigentlich Hans Kohn, aber hat sich Kelsen genannt [Gelächter im Publikum; Anmk. SdR]”), was beim einschlägigen Publikum so angekommen war, wie Hübner es wohl gemeint hatte: als antisemitisches Bonmot.
Nachdem die Rede durch das DÖW publik gemacht wurde, verzichtete Hübner nach ursprünglichen Abwehrversuchen durch die FPÖ „freiwillig“, wie es im blauen Jargon genannt wurde, auf seine Kandidatur. Tatsächlich dürfte Hübners Rückzug eine Vorleistung für die sich abzeichnende Koalition mit der ÖVP gewesen sein.
Um Hübner wurde es still, kaum jemand hatte registriert, dass er in Wien-Wieden mit einem Bezirksratsmandat bedacht wurde. 2020 war nach dem desaströsen Abschneiden der FPÖ bei der Wien-Wahl selbst mit dieser Mini-Funktion Schluss. Die überraschende Wende erfolgte mit der Entsendung von Hübner in den Bundesrat Anfang Dezember 2020. Damit gab die FPÖ Wien bereits die politische Marschrichtung vor: Es geht nach ganz weit Rechtsaußen. Eine taktische Zurückhaltung, um sich als regierungsfähig zu präsentieren, gibt’s – vorerst – nicht mehr.
Die Frage ist wohl nur mehr, wie die FPÖ Hofer als Bundesparteiobmann absägen wird. Eine elegante Lösung wäre, Hofer erneut als Bundespräsidentschaftkandidaten ins Rennen zu schicken. Wenn sich allerdings der amtierende Bundespräsident Van der Bellen wieder der Wahl stellen wird, haben Hofer und die FPÖ ein Problem, denn Hofer hatte Ende Mai 2020 im Kurier verkündet, nicht mehr gegen VdB antreten zu wollen. Aus gutem Grund: Wer geht schon freiwillig in einen Kampf, an dessen Ende eine absehbare krachende Niederlage stehen wird?
Oder ein den Blauen nicht fremdes Schicksal ereilt auch Norbert Hofer – eine Anklage: Bereits im März 2020 hob der Nationalrat Hofers Immunität auf; damit wurden Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Geschenkannahme möglich gemacht. Hofer hatte Siegfried Stieglitz zum Aufsichtsrat der Asfinag bestellt, nachdem Stieglitz an den FPÖ-nahen Verein „Austria in motion” 20.000 Euro gespendet hatte. Sollte Hofer angeklagt werden, könnte die Partei das zum Anlass nehmen, um ihn als Obmann loszuwerden.
Fest steht: Hofer hat als Parteiobmann nichts mehr zu reden, er ist endgültig zur Lame Duck geworden. Das sich zeigt nicht zuletzt in seinem Heimatbundesland Burgenland, wo die FPÖ am Zerfallen ist.