Der Waffendealer der Neonazis – weitere Details und Reaktionen

Die Nachricht über das Auffind­en eines großen Waf­fen­lagers bei Peter B. und in Öster­re­ich zumin­d­est vier anderen involvierten Per­so­n­en hat hierzu­lande, aber beson­ders auch in Deutsch­land zahlre­iche Reak­tio­nen aus­gelöst. Die Recherche- und Doku­men­ta­tion­splat­tform „blick nach rechts“ hat weit­ere Details zum Vor­leben von B. veröf­fentlicht. Es sind Mosaik­steine, die sich bestens in B.s lin­eare Biografie in der – wenig­stens zum Teil bewaffneten – neon­azis­tis­chen Szene fügen.

Was wir aktuell wis­sen: Es sind zumin­d­est fünf Per­so­n­en in Öster­re­ich zwis­chen 21 und 53 Jahren und zwei Per­so­n­en aus Deutsch­land involviert. Peter B. gilt dabei als der Haupt­tatverdächtige. Dessen Werde­gang haben wir in ein­er Spuren­suche nachgeze­ich­net, die auch von der Süd­deutschen Zeitung und der Tirol­er Tageszeitung zitiert wurde. Der Kuri­er ver­wies auf unsere Recherche zu den in der let­zten Zeit aufge­flo­ge­nen Waffensammlungen:

Doch der Fall Binder ist kein Einzelfall. „Der markante Anstieg der Bewaffnung und der Mil­i­tarisierung in der recht­sex­tremen Szene ist für uns seit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 beobacht­bar”, sagt Andreas Peham, Recht­sex­trem­is­mus-Experte des Doku­men­ta­tion­sarchivs des öster­re­ichis­chen Wider­stand (DÖW). „Es gibt heute min­destens so viele Waf­fen in der Szene wie in den 1990er-Jahren nach dem Jugoslaw­ien-Krieg.” Laut der gut informierten Plat­tform stopptdierechten.at flo­gen in den ver­gan­genen einein­halb Jahren ins­ge­samt acht Fälle auf.

„blick nach rechts“ hat weit­ere Details zu B.s Vor­leben veröf­fentlicht. Alle Recherchen zeigen: B.s Lebenslauf ist seit Ende der 1980er-Jahre, was seine Involvierung in der nationalen und inter­na­tionalen neon­azis­tis­chen Szene als auch im Waf­fengeschäft bet­rifft, ungebrochen.

In Vernehmungen durch die Gen­eraldirek­tion für die öffentliche Sicher­heit im Jan­u­ar 1994 führte der 1967 geborene B., dass er 1988/89 in die recht­sex­treme Szene kam. Ton­doku­mente aus der NS-Zeit, ins­beson­dere „Führerre­den” und „alle Arten von Geschüt­zlärm” und das „Ket­tengeräusch von rol­len­den Panz­er­fahrzeu­gen hät­ten ihn begeis­tert. Im Fre­un­deskreis wurde die Sym­bo­l­ik des Ku Klux Klan (KKK) imi­tiert: Holzkreuze angezün­det und selb­st­gemachte Kapuzen getra­gen. Auf­marschiert wurde im Tar­nanzug und mit Stahlhelm.

1990 lernte B. im Wiener „Paulin­er­stübl”, dem dama­li­gen Stamm­lokal der „Volk­streuen Außer­par­la­men­tarischen Oppo­si­tion” (VAPO), den öster­re­ichis­chen Neon­azi-Führer Got­tfried Küs­sel ken­nen. An den Stammtis­chrun­den nah­men unter anderem Neon­azis wie Franz Radl und Gün­ther Reinthaler teil. Unmit­tel­bar vor Jahre­sende 1990 war B. bei der Eröff­nungs­feier des VAPO-Klublokals in der Wiener Horn­postel­gasse zuge­gen. Stark vertreten bei der Eröff­nungs­feier waren Gle­ich­gesin­nte aus der Bun­desre­pub­lik, darunter Ben­dix Wendt und Arnulf Priem aus Berlin, Ewald Althans aus München und Rene Wittmann aus Zittau.

Im Som­mer 1991 robbte er bei einem paramil­itärischen VAPO-Aus­bil­dungslager durch die Wein­berge bei Lan­gen­lois. Mit ille­galen schar­fen Waf­fen hat­te B. erst­mals Mitte März 1992 zu tun. Von einem aus dem Jugoslaw­ienkrieg zurück­gekehrten Neon­azi-Söld­ner erwarb der Recht­sex­treme eine Handgranate.

Während sein­er VAPO-Zuge­hörigkeit hielt sich B. immer wieder bei Ben­dix Wendt in Berlin auf. Mit diesem grub er am Randge­bi­et von Berlin Kriegsre­lik­te wie Panz­er­fäuste und Muni­tion aus. Für 800 DM erwarb B. auf einem Berlin­er Flohmarkt eine Pis­tole der Marke „P1”. Arnulf Priem über­spielte ihm NS-Filme wie „SA-Mann Brandt” und „Hans Westmar”.

Ende 1993 wurde B. an der tschechisch-öster­re­ichis­chen Gren­ze ver­haftet. Im Kof­fer­raum hat­te er dreizehn Gewehre, fünf Pis­tolen, ein Bajonett sowie liter­weise Ingre­dien­zen für Nitro­glyc­erin — den Sprengstoff der Brief­bomben. Bei den Schwiegerel­tern B.s stell­ten Ermit­tler das damals größte Waf­fen­lager der öster­re­ichis­chen Nachkriegszeit sich­er: Hun­derte von Bazookas (Panzer­büch­sen), Hand-und Mörser­granat­en, 20 Kilo Sprengstoff TNT und jede Menge Muni­tion. (bnr.de)

Da die in Wien und Niederöster­re­ich aufge­fun­de­nen Waf­fen zum Auf­bau ein­er recht­sex­tremen Miliz in Deutsch­land vorge­se­hen sein soll­ten, waren die Reak­tio­nen in Deutsch­land entsprechend aufgeschreckt. Der Frak­tions­führer der Grü­nen im Bun­destag, Kon­stan­tin von Notz,

kündigte an, die Razz­ia in Öster­re­ich und die Bezüge nach Deutsch­land am Mittwoch im Innenauss­chuss und im Par­la­men­tarischen Kon­troll­gremi­um besprechen zu wollen. »Es ste­ht der Ver­dacht im Raum, dass die recht­sex­trem­istis­chen und ‑ter­ror­is­tis­chen Net­zw­erke von heute solche sind, die seit Jahrzehn­ten im Ver­bor­ge­nen beste­hen. Sie rüsten weit­er auf. Die Sicher­heits­be­hör­den müssen diese Struk­turen gemein­sam rück­halt­los aufk­lären, und zwar im Hin­blick auf aktuelle Bedro­hun­gen, aber auch bezüglich der Klärung zurück­liegen­der Straftat­en.« (neues-deutschland.de, 14.12.20)

Der­weilen wird kol­portiert, eingige der aufge­fun­de­nen Stur­mgewehre kön­nten aus Bestän­den des Bun­desheers stam­men und dass B. Glock-Pis­tolen während sein­er Freigänge selb­st zusam­menge­baut (oder umge­baut) haben soll.

Das Mau­thausen Komi­tee fordert in ein­er Presseaussendung die rasche Umset­zung des im Regierung­spro­gramm angekündigten Nationalen Aktion­s­plans gegen Rechtsextremismus.

Mau­thausen Komi­tee zum braunen Waf­fen­lager: „Wirk­same Maß­nah­men sind überfällig!“

Das Mau­thausen Komi­tee Öster­re­ich (MKÖ) sieht seine War­nun­gen vor der Gefährlichkeit der recht­sex­tremen Szene durch das nun gefun­dene große Waf­fen­lager bestätigt. Die Waf­fen wur­den von Neon­azis mit Geld aus Dro­gen­han­del beschafft und waren für den Auf­bau ein­er Miliz in Deutsch­land bestimmt.

Organ­isierte Krim­i­nal­ität finanziert braune Gewalt: Diese Verbindung ken­nen wir schon vom ‚Objekt 21‘ in Oberöster­re­ich. Auch damals hat der Ver­fas­sungss­chutz ver­sagt. In bei­den Fällen sind die Neon­azi-Grup­pen nicht über ihre Umsturz­pläne gestolpert, son­dern über ihren Dro­gen­han­del. Dabei hät­ten bei­de Waf­fen­lager zum Tod von Hun­derten Men­schen führen kön­nen“, sagt Willi Mernyi, der Vor­sitzende des Mau­thausen Komi­tees Öster­re­ich (MKÖ).

Mernyi weit­er: „Recht­sex­tremer Ter­ror bleibt auch in Öster­re­ich eine dauer­hafte Bedro­hung. Wirk­same Maß­nah­men sind über­fäl­lig! Dazu gehört eine Neu­grün­dung des katas­trophal aufgestell­ten Ver­fas­sungss­chutzes und die rasche Real­isierung eines umfassenden ‚Nationalen Aktion­s­plans gegen Recht­sex­trem­is­mus‘.“