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Der Waffendealer der Neonazis – weitere Details und Reaktionen

Die Nach­richt über das Auf­fin­den eines gro­ßen Waf­fen­la­gers bei Peter B. und in Öster­reich zumin­dest vier ande­ren invol­vier­ten Per­so­nen hat hier­zu­lan­de, aber beson­ders auch in Deutsch­land zahl­rei­che Reak­tio­nen aus­ge­löst. Die Recher­che- und Doku­men­ta­ti­ons­platt­form „blick nach rechts“ hat wei­te­re Details zum Vor­le­ben von B. ver­öf­fent­licht. Es sind Mosa­ik­stei­ne, die sich bes­tens in B.s linea­re Bio­gra­fie in […]

16. Dez 2020
Waffen bei Neonazis (Screenshot Wien heute, orf.at, 12.12.20)
Waffen bei Neonazis (Screenshot Wien heute, orf.at, 12.12.20)

Was wir aktu­ell wis­sen: Es sind zumin­dest fünf Per­so­nen in Öster­reich zwi­schen 21 und 53 Jah­ren und zwei Per­so­nen aus Deutsch­land invol­viert. Peter B. gilt dabei als der Haupt­tat­ver­däch­ti­ge. Des­sen Wer­de­gang haben wir in einer Spu­ren­su­che nach­ge­zeich­net, die auch von der Süd­deut­schen Zei­tung und der Tiro­ler Tages­zei­tung zitiert wur­de. Der Kurier ver­wies auf unse­re Recher­che zu den in der letz­ten Zeit auf­ge­flo­ge­nen Waffensammlungen:

Doch der Fall Bin­der ist kein Ein­zel­fall. „Der mar­kan­te Anstieg der Bewaff­nung und der Mili­ta­ri­sie­rung in der rechts­extre­men Sze­ne ist für uns seit der Flücht­lings­kri­se im Jahr 2015 beob­acht­bar”, sagt Andre­as Peham, Rechts­extre­mis­mus-Exper­te des Doku­men­ta­ti­ons­ar­chivs des öster­rei­chi­schen Wider­stand (DÖW). „Es gibt heu­te min­des­tens so vie­le Waf­fen in der Sze­ne wie in den 1990er-Jah­ren nach dem Jugo­sla­wi­en-Krieg.” Laut der gut infor­mier­ten Platt­form stopptdierechten.at flo­gen in den ver­gan­ge­nen ein­ein­halb Jah­ren ins­ge­samt acht Fäl­le auf.

„blick nach rechts“ hat wei­te­re Details zu B.s Vor­le­ben ver­öf­fent­licht. Alle Recher­chen zei­gen: B.s Lebens­lauf ist seit Ende der 1980er-Jah­re, was sei­ne Invol­vie­rung in der natio­na­len und inter­na­tio­na­len neo­na­zis­ti­schen Sze­ne als auch im Waf­fen­ge­schäft betrifft, ungebrochen.

In Ver­neh­mun­gen durch die Gene­ral­di­rek­ti­on für die öffent­li­che Sicher­heit im Janu­ar 1994 führ­te der 1967 gebo­re­ne B., dass er 1988/89 in die rechts­extre­me Sze­ne kam. Ton­do­ku­men­te aus der NS-Zeit, ins­be­son­de­re „Füh­r­er­re­den” und „alle Arten von Geschütz­lärm” und das „Ket­ten­ge­räusch von rol­len­den Pan­zer­fahr­zeu­gen hät­ten ihn begeis­tert. Im Freun­des­kreis wur­de die Sym­bo­lik des Ku Klux Klan (KKK) imi­tiert: Holz­kreu­ze ange­zün­det und selbst­ge­mach­te Kapu­zen getra­gen. Auf­mar­schiert wur­de im Tarn­an­zug und mit Stahlhelm.

1990 lern­te B. im Wie­ner „Pau­li­ner­st­übl”, dem dama­li­gen Stamm­lo­kal der „Volks­treu­en Außer­par­la­men­ta­ri­schen Oppo­si­ti­on” (VAPO), den öster­rei­chi­schen Neo­na­zi-Füh­rer Gott­fried Küs­sel ken­nen. An den Stamm­tisch­run­den nah­men unter ande­rem Neo­na­zis wie Franz Radl und Gün­ther Rein­th­a­ler teil. Unmit­tel­bar vor Jah­res­en­de 1990 war B. bei der Eröff­nungs­fei­er des VAPO-Klub­lo­kals in der Wie­ner Horn­pos­tel­gas­se zuge­gen. Stark ver­tre­ten bei der Eröff­nungs­fei­er waren Gleich­ge­sinn­te aus der Bun­des­re­pu­blik, dar­un­ter Ben­dix Wendt und Arnulf Priem aus Ber­lin, Ewald Alt­hans aus Mün­chen und Rene Witt­mann aus Zittau.

Im Som­mer 1991 robb­te er bei einem para­mi­li­tä­ri­schen VAPO-Aus­bil­dungs­la­ger durch die Wein­ber­ge bei Lan­gen­lois. Mit ille­ga­len schar­fen Waf­fen hat­te B. erst­mals Mit­te März 1992 zu tun. Von einem aus dem Jugo­sla­wi­en­krieg zurück­ge­kehr­ten Neo­na­zi-Söld­ner erwarb der Rechts­extre­me eine Handgranate.

Wäh­rend sei­ner VAPO-Zuge­hö­rig­keit hielt sich B. immer wie­der bei Ben­dix Wendt in Ber­lin auf. Mit die­sem grub er am Rand­ge­biet von Ber­lin Kriegs­re­lik­te wie Pan­zer­fäus­te und Muni­ti­on aus. Für 800 DM erwarb B. auf einem Ber­li­ner Floh­markt eine Pis­to­le der Mar­ke „P1”. Arnulf Priem über­spiel­te ihm NS-Fil­me wie „SA-Mann Brandt” und „Hans Westmar”.

Ende 1993 wur­de B. an der tsche­chisch-öster­rei­chi­schen Gren­ze ver­haf­tet. Im Kof­fer­raum hat­te er drei­zehn Geweh­re, fünf Pis­to­len, ein Bajo­nett sowie liter­wei­se Ingre­di­en­zen für Nitro­gly­ce­rin — den Spreng­stoff der Brief­bom­ben. Bei den Schwie­ger­el­tern B.s stell­ten Ermitt­ler das damals größ­te Waf­fen­la­ger der öster­rei­chi­schen Nach­kriegs­zeit sicher: Hun­der­te von Bazoo­kas (Pan­zer­büch­sen), Hand-und Mör­ser­gra­na­ten, 20 Kilo Spreng­stoff TNT und jede Men­ge Muni­ti­on. (bnr.de)

Da die in Wien und Nie­der­ös­ter­reich auf­ge­fun­de­nen Waf­fen zum Auf­bau einer rechts­extre­men Miliz in Deutsch­land vor­ge­se­hen sein soll­ten, waren die Reak­tio­nen in Deutsch­land ent­spre­chend auf­ge­schreckt. Der Frak­ti­ons­füh­rer der Grü­nen im Bun­des­tag, Kon­stan­tin von Notz,

kün­dig­te an, die Raz­zia in Öster­reich und die Bezü­ge nach Deutsch­land am Mitt­woch im Innen­aus­schuss und im Par­la­men­ta­ri­schen Kon­troll­gre­mi­um bespre­chen zu wol­len. »Es steht der Ver­dacht im Raum, dass die rechts­extre­mis­ti­schen und ‑ter­ro­ris­ti­schen Netz­wer­ke von heu­te sol­che sind, die seit Jahr­zehn­ten im Ver­bor­ge­nen bestehen. Sie rüs­ten wei­ter auf. Die Sicher­heits­be­hör­den müs­sen die­se Struk­tu­ren gemein­sam rück­halt­los auf­klä­ren, und zwar im Hin­blick auf aktu­el­le Bedro­hun­gen, aber auch bezüg­lich der Klä­rung zurück­lie­gen­der Straf­ta­ten.« (neues-deutschland.de, 14.12.20)

Der­wei­len wird kol­por­tiert, ein­gi­ge der auf­ge­fun­de­nen Sturm­ge­weh­re könn­ten aus Bestän­den des Bun­des­heers stam­men und dass B. Glock-Pis­to­len wäh­rend sei­ner Frei­gän­ge selbst zusam­men­ge­baut (oder umge­baut) haben soll.

Das Maut­hau­sen Komi­tee for­dert in einer Pres­se­aus­sendung die rasche Umset­zung des im Regie­rungs­pro­gramm ange­kün­dig­ten Natio­na­len Akti­ons­plans gegen Rechtsextremismus.

Maut­hau­sen Komi­tee zum brau­nen Waf­fen­la­ger: „Wirk­sa­me Maß­nah­men sind überfällig!“

Das Maut­hau­sen Komi­tee Öster­reich (MKÖ) sieht sei­ne War­nun­gen vor der Gefähr­lich­keit der rechts­extre­men Sze­ne durch das nun gefun­de­ne gro­ße Waf­fen­la­ger bestä­tigt. Die Waf­fen wur­den von Neo­na­zis mit Geld aus Dro­gen­han­del beschafft und waren für den Auf­bau einer Miliz in Deutsch­land bestimmt.

Orga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät finan­ziert brau­ne Gewalt: Die­se Ver­bin­dung ken­nen wir schon vom ‚Objekt 21‘ in Ober­ös­ter­reich. Auch damals hat der Ver­fas­sungs­schutz ver­sagt. In bei­den Fäl­len sind die Neo­na­zi-Grup­pen nicht über ihre Umsturz­plä­ne gestol­pert, son­dern über ihren Dro­gen­han­del. Dabei hät­ten bei­de Waf­fen­la­ger zum Tod von Hun­der­ten Men­schen füh­ren kön­nen“, sagt Wil­li Mer­nyi, der Vor­sit­zen­de des Maut­hau­sen Komi­tees Öster­reich (MKÖ).

Mer­nyi wei­ter: „Rechts­extre­mer Ter­ror bleibt auch in Öster­reich eine dau­er­haf­te Bedro­hung. Wirk­sa­me Maß­nah­men sind über­fäl­lig! Dazu gehört eine Neu­grün­dung des kata­stro­phal auf­ge­stell­ten Ver­fas­sungs­schut­zes und die rasche Rea­li­sie­rung eines umfas­sen­den ‚Natio­na­len Akti­ons­plans gegen Rechts­extre­mis­mus‘.“