Einem breiten Publikum bekannt wurde Helmut Pilhar erstmals im Jahr 1995. Damals hatten er und seine Frau Erika ihr schwerkrankes Kind Olivia (damals 6), das an einem sehr seltenen Tumor der Niere, dem Wilms-Tumor, litt, der Behandlung durch die Schulmedizin entziehen wollten. Die Eltern landeten in der Folge bei Ryke Geerd Hamer, einem wild antisemitischen deutschen Arzt, der die von ihm erfundene „Germanische Neue Medizin“ propagierte, dem aber damals schon die Approbation als Arzt entzogen worden war. Weil sich der Gesundheitszustand von Olivia Pilhar von Tag zu Tag verschlechterte, beantragten und erhielten die Behörden das Sorgerecht, um eine adäquate therapeutische Behandlung sicherzustellen.
Nach einer medial begleiteten mehrwöchigen Flucht durch halb Europa kehrten die Pilhars nach Österreich zurück. Der Tumor, der inzwischen die Größe eines Fußballs erreicht und dem Kind große Schmerzen bereitet hatte, konnte durch schulmedizinische Behandlung operativ und mit Chemotherapie entfernt werden – Olivia erlitt auch keinen Rückfall. Auf der Flucht immer medial präsent: Ryke Geerd Hamer, der allen Ernstes erklärte, „seine Patientin litte höchstens fünfzehn Minuten am Tag unter Schmerzen. Doch diese von den Kameras immer wieder eingefangenen Schmerzen waren es, die die öffentliche Meinung endgültig zum Kippen brachten.“ (Die Zeit, Nr. 32/1995)
1997 wurde vom Oberlandesgericht Wien das Urteil der Erstinstanz – jeweils acht Monate bedingter Haft wegen fahrlässiger Körperverletzung und Entziehung einer Minderjährigen aus der Macht der Erziehungsberechtigten – gegen Helmut und Erika Pilhar bestätigt. Den Erfolg der „Schulmedizin” taten Pilhar und Hamer damit ab, dass sich das Kind zum Zeitpunkt seiner Behandlung ohnehin schon in der Ausheilungsphase befunden habe. Verteidigt wurden die Pilhars damals übrigens von dem Wiener Anwalt Erich Rebasso, der 2012 von der russischen Mafia ermordet wurde.
Wie der „Spiegel“ (Nr. 32/1995) damals berichtete, waren Mitglieder der obskuren neureligiösen Bewegung „Fiat Lux“ an der Flucht der Pilhars beteiligt. Ob die Pilhars damals Anhänger dieser Bewegung waren, ist nicht belegt. Sicher ist hingegen, dass Helmut Pilhar nach der Heilung seiner Tochter zu einem der glühendsten Anhänger von Hamer und dessen „Germanischer neuer Medizin“ (GNM) wurde. Eine deutsche Zeitung bezeichnete ihn als „Lautsprecher des Wahns“. Pilhar reiste als Vortragender und Propagandist der GNM quer durch Europa, vertrieb und verkaufte Hamer-Bücher und hetzte – so wie sein Lehrmeister – gegen die „jüdische Medizin“ und den „Chemo-Holocaust“.
2009 störten Anhänger der GNM, darunter Helmut Pilhar, einen Vortrag in der Synagoge von Kronach (D), der sich mit der Hamer-Ideologie auseinandersetzte, mit antisemitischen Äußerungen. Während die Medizinjournalistin Krista Federspiel die Zahl der durch Hamers Methoden und „Ratschläge“ zu Tode gekommenen Menschen auf rund 500 schätzt, steigt Helmut Pilhar 2010 zum von Hamer ernannten Universitätsdozenten der imaginären „Universität Sandefjord“ in Norwegen auf und wird deshalb 2013 von der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro verurteilt. Im Unterschied zu Hamer, der in Deutschland und Frankreich zu mehreren Haftstrafen verurteilt wurde (die er auch teilweise absitzen musste), kam Pilhar für den lebensgefährdenden Schwachsinn, den er verbreitete, ziemlich günstig davon.
Die Ideologie der GNM fand nicht nur in der esoterischen und Impfgegnerszene ein empfangsbereites Publikum, sondern auch und vor allem in der rechtsextremen Community, die sich durch den offenen und aggressiven Antisemitismus angesprochen fühlte. Pilhar hält zum Beispiel bis heute an der irren Behauptung Hamers fest, dass die Juden, die GNM praktizieren (und gesundheitlich davon profitieren) würden, sie deshalb den Gojim verbieten würden.
2009 stirbt Sighild B., die Tochter des Siedlerpaars Baldur und Antje B. von der rechtsextremen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“, die Siedlungsprojekte im Osten Deutschlands betreibt. Sighild B., ein vierjähriges Kind, musste elend an Diabetes (!) sterben, weil es von seinen Eltern im Sinne der GNM behandelt wurde. 2015 werden die Eltern zu jeweils acht Monaten bedingter Haft wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Baldurs Vater Raimund B. war übrigens ein nach Deutschland emigrierter österreichischer Neonazi, seine Mutter „Freia“ lehnte eine Chemotherapie ab, als sie an Krebs erkrankte, woran sie starb.
2016 unterzeichnet Pilhar seine skurrile „Lebendmeldung“ für das Völkerrechtssubjekt „Staat Niederösterreich“, befindet sich also im Bereich der Reichsbürger und Staatsverweigerer. Ungefähr zeitgleich bastelt Hamer von seinem Exil in Norwegen aus an einem „Staat Germanien“, der aber vor seinem Tod 2017 nicht mehr richtig fertig wird.
2017 muss sich Pilhar wieder einmal vor Gericht verantworten. Weil er sich in einem gerichtlichen Streit mit einem anderen Hamer-Jünger von der Richterin nicht fair behandelt gefühlt hatte, bedrohte er die Richterin in vier Briefen mit angeblichen Pfandrechtstiteln, die er über ein maltesisches Inkassobüro eintreiben wollte. Die „Entschädigung“ von der Richterin wollte er natürlich ebenso wie die 100 Millionen, die er im Februar 2017 vom frisch als Bundespräsident angelobten Alexander Van der Bellen als „Wiedergutmachung“ für Olivia und anderes verlangte, in harten Euros ausbezahlt erhalten – und nicht in der Luftwährung seines „Staates Niederösterreich“.
Für die Drohung gegen die Richterin kassierte Helmut Pilhar Ende Juli 2017 ein Jahr Haft auf Bewährung – wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Das Verfahren wegen übler Nachrede wurde abgetrennt – sein Verteidiger Adrian Hollaender meldete Berufung an.
Ende 2018 kündigt Pilhar dann die Schließung seines „Einzelunternehmens“ an – angeblich, weil ihm der Wildwuchs in Hamers „Lehre“ ebenso zu schaffen macht wie die gesetzlichen Bestimmungen im Gesundheitswesen – die hoffentlich Scharlatanen das Leben schwer machen.
2019 predigt Pilhar auf seiner Website allerdings unverdrossen weiter von den angeblichen Heilerfolgen der GNM. Im März 2020 bejammert sich Pilhar dann auf seinem Blog wegen seiner Schuld am Tod von Hamer: „Also ich könnte jetzt nicht 100%ig sagen, dass ich da der Auslöser war. Das könnte auch das gewesen sein.“ – Also was? Pilhars Eigendiagnose bleibt etwas unklar, aber ein zarter Ablösungsprozess von Hamer deutet sich an – Antisemit bleibt er dennoch.
Pilhars neuer Schwarm bzw. Übervater scheint Erwin Annau zu sein. Seine Jammerei über Hamers Tod und seine Schuld daran setzte Pilhar nämlich aus Paraguay ab, aus dem „El Paraiso Verde“ von Erwin Annau, „meinem Domizil in Paraguay“. Dort will er auch bleiben und mit den „besten Köpfen der Germanischen Heilkunde“ zusammen arbeiten.
Wer aber ist Erwin Annau? Annau selbst hat einen beeindruckenden Lebenslauf verfasst und online gestellt, der allerdings eine wesentliche Phase seines Lebens nicht sehr gut ausleuchtet: seine steile Karriere bei Scientology. Dort ist Annau zwar ausgestiegen, aber seine jüngeren Ansichten deuten keine Verbesserung an – ganz im Gegenteil!
Kein Volk auf dieser Erde hat mehr Reparationszahlungen für (teilweise von anderen begangenen) Kriegsverbrechen bezahlt als die Deutschen (und Österreicher). Kein Volk wurde mehr zum Opfervolk der Welt gemacht als die Deutschen (und Österreicher). Kein Volk wurde in der von den Siegermächten erfundenen „Geschichte“ mehr verleumdet als die Deutschen.
Mit Annaus Positionen dürfte Pilhar, der im „El Paraiso Verde“ schon sein Gemüse anbaut, kein Problem haben. Chemtrails hat er dort auch noch nicht gesehen, schreibt er völlig verzückt – wir in Österreich eigentlich auch nicht.
Annau erwartet gerade in diesen Tagen einen Ansturm von Auswanderern auf die germanische Kolonie: „Die Kolonie El Paraiso Verde in Gründung bereitet sich auf einen Ansturm von Auswanderern nach Ende des Corona Lockdowns vor. Alleine 5G wird tausende von Deutschland vertreiben. Der direkte oder indirekte Impfzwang wird tausende nach Paraguay bringen.“
Der letzte Ansturm von Auswanderern aus Deutschland und Österreich erfolgte übrigens nach 1945 – durch Nazis wie Josef Mengele, die dort eine freundliche Aufnahme fanden: „Heute ist Paraguay als Zufluchtsort für die SS-Elite in Mode“ schrieb Simon Wiesenthal dazu im „Spiegel“. Deutsche Kolonien gab es allerdings schon viel früher in Paraguay – erfolgreich waren sie allerdings auch nicht wirklich (s. SdR Nov. 2011 „Martin Graf auf antisemitischen Spuren. Wo war Martin Graf?“)
➡️ Eintrag zu Helmut Pilhar auf Sonnenstaatland wiki
➡️ Eintrag zu Helmut Pilhar auf psiram.com
➡️ Eintrag zu Ryke Geerd Hamer auf wikipedia
➡️ Germanische Neue Medizin (GNM) — eine „Todesfalle”? — Dr. Ryke Geerd Hamer ein „Scharlatan”? (ein ausgezeichneter Beitrag über die GNM mit Auftritten von Hamer, Pilhar und einem österr. Freeman), hier ein kürzerer Beitrag des BR
➡️ Prono Ever zu Erwin Annau
➡️ Was wurde denn aus … Karl Steinhauser
➡️ Was wurde denn aus … Gary Lauck?