Ried – Wels/OÖ: Freispruch nach Märchengeschichte
Feldkirchen/Graz: Einstellung des Verfahrens gegen die Tigurina
Ried – Wels/OÖ: Freispruch nach Märchengeschichte
Der Ex-Chef von Objekt 21 Jürgen W. sitzt mit sehr kurzen Unterbrechungen seit Jahren. Verständlich aus seiner Sicht, dass er ein gesteigertes Bedürfnis verspürte, nach außen zu kommunizieren – und das hat er leidlich genützt. Zwar ein bisschen plump, sodass ihm die nach außen postulierte Läuterung beim Prozess im Februar nicht ganz abgenommen wurde und er nun für weitere sieben Jahre hinter Gitter muss. Und nun musste auch eine 28-jährige Welserin vor Gericht, weil die dem Jürgen im Sommer 2019, als der gerade wieder in U‑Haft saß, eine Sim-Card in den Knast geschmuggelt haben soll. Was da wirklich los war, ist schwer zusammenzufassen: Sie, die Besucherin, habe nichts ins Gefängnis gebracht, aber einige Wochen zuvor die Sim-Card gekauft und angemeldet.
„Ich bin von einem mir unbekannten Mann kontaktiert worden. Er hat mich in ein Geschäft gebracht, wo ich dann die SIM-Karte gekauft habe. Die Registrierung erfolgte auf meinen Namen, das habe ich auch unterschrieben. Ich habe mir dabei nichts gedacht“, schilderte die Angeklagte. Davon, dass diese SIM-Karte für den Häftling bestimmt war, habe sie nichts gewusst. (nachrichten.at, 8.6.20)
Warum sie den Jürgen besucht hat, hat sie auch nicht so recht gewusst.
Dass sie den Objekt-21-Drahtzieher mehrfach besuchte, bestritt sie nicht. ‚Ich war zu dieser Zeit arbeitslos. Mit der rechten Szene habe ich aber nichts zu tun’, sagte sie. ‚Wenn Sie nichts mit der rechten Szene zu tun haben, warum besuchen Sie dann ausgerechnet diesen Mann?‘, fragte Richter Kiesl. Die lapidare Antwort der Angeklagten: ‚Na ja, das ist halt seine Einstellung.“ (nachrichten.at)
Am Ende des Prozesses stand ein rechtskräftiger Freispruch, den der Richter so begründete:
Ich muss mir über diese Märchengeschichte, die Sie mir hier erzählt haben, eigentlich keine Gedanken machen, denn es spielt rechtlich keine Rolle. Fakt ist, dass man Ihnen überhaupt nicht nachweisen kann, dass Sie das Ziel gehabt hätten, dem Häftling bei einer Flucht zu helfen. (nachrichten.at)
Na dann wünschen wir der jungen Frau in Zukunft mehr Glück bei der Auswahl ihrer Kontakte in- und außerhalb von Gefängnissen.
Feldkirchen/Graz: Einstellung des Verfahrens gegen die Tigurina
Die Suppe gibt’s, aber sie sei zu dünn – so lautet zusammengefasst die Begründung der Grazer Staatsanwaltschaft zur Einstellung der Ermittlungen in der Causa Fuchs-Video der Kärntner Burschenschaft Tigurina. NS-Bilder – seien da, aber
„[e]in konkreter Bezug zum Nationalsozialismus wurde im gesprochenen Text des Filmes nicht hergestellt“, schreibt die Staatsanwaltschaft. Daher könnten „nur Personen mit besonderen Fachkenntnissen den Zusammenhang dieses Bildmaterials mit der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur herstellen.“ (Kleine Zeitung Kärnten, 8.6.20, S. 16)
Die Staatsanwaltschaft räumt gleichzeitig ein, „dass es sich bei der pennalen Burschenschaft um eine tendenziell rechtsextreme und deutschnationale Vereinigung handelt“. (Kleine Zeitung)
Anders begründet wird die Einstellung des Verfahrens wegen des Verdachts auf Verhetzung. „Der Tatbestand kann nicht mehr extra verfolgt werden, er ist verjährt. Das Video gab es seit 2017.“ (Kleine Zeitung)
Was lernen wir aus der Begründung der Grazer Staatsanwaltschaft? Es ist schon möglich, NS-Bezüge herzustellen – etwa „NS-Propagandasujets, darunter ein Bild eines Nazisoldaten aus einem Propagandabildband von 1943 sowie ein Foto von Luftwaffen-Fliegern im Angriff auf Polen 1939“ (doew.at) –, die sollten jedoch im Zusammenhang mit dem gesprochenen Text möglichst nur für Fachleute erkennbar sein – Wiederbetätigung also nur für Kenner und Kennerinnen.