Wochenschau KW 24/20

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In Ried gab’s eine Mär­chen­stun­de vor Gericht, an deren Ende ein Frei­spruch stand. Und die Staats­an­walt­schaft Graz befin­det, dass es für Ermitt­lun­gen wegen des Ver­dachts auf Wie­der­be­tä­ti­gung nicht reicht, wenn die NS-Bezü­ge in einem bur­schen­schaft­li­chen Video höchs­tens für Per­so­nen mit Fach­kennt­nis­sen erkenn­bar sind.

Ried – Wels/OÖ: Frei­spruch nach Märchengeschichte
Feldkirchen/Graz: Ein­stel­lung des Ver­fah­rens gegen die Tigurina

Ried – Wels/OÖ: Frei­spruch nach Märchengeschichte

Der Ex-Chef von Objekt 21 Jür­gen W. sitzt mit sehr kur­zen Unter­bre­chun­gen seit Jah­ren. Ver­ständ­lich aus sei­ner Sicht, dass er ein gestei­ger­tes Bedürf­nis ver­spür­te, nach außen zu kom­mu­ni­zie­ren – und das hat er leid­lich genützt. Zwar ein biss­chen plump, sodass ihm die nach außen pos­tu­lier­te Läu­te­rung beim Pro­zess im Febru­ar nicht ganz abge­nom­men wur­de und er nun für wei­te­re sie­ben Jah­re hin­ter Git­ter muss. Und nun muss­te auch eine 28-jäh­ri­ge Wel­se­rin vor Gericht, weil die dem Jür­gen im Som­mer 2019, als der gera­de wie­der in U‑Haft saß, eine Sim-Card in den Knast geschmug­gelt haben soll. Was da wirk­lich los war, ist schwer zusam­men­zu­fas­sen: Sie, die Besu­che­rin, habe nichts ins Gefäng­nis gebracht, aber eini­ge Wochen zuvor die Sim-Card gekauft und angemeldet. 

„Ich bin von einem mir unbe­kann­ten Mann kon­tak­tiert wor­den. Er hat mich in ein Geschäft gebracht, wo ich dann die SIM-Kar­te gekauft habe. Die Regis­trie­rung erfolg­te auf mei­nen Namen, das habe ich auch unter­schrie­ben. Ich habe mir dabei nichts gedacht“, schil­der­te die Ange­klag­te. Davon, dass die­se SIM-Kar­te für den Häft­ling bestimmt war, habe sie nichts gewusst. (nachrichten.at, 8.6.20)

War­um sie den Jür­gen besucht hat, hat sie auch nicht so recht gewusst. 

Dass sie den Objekt-21-Draht­zie­her mehr­fach besuch­te, bestritt sie nicht. ‚Ich war zu die­ser Zeit arbeits­los. Mit der rech­ten Sze­ne habe ich aber nichts zu tun’, sag­te sie. ‚Wenn Sie nichts mit der rech­ten Sze­ne zu tun haben, war­um besu­chen Sie dann aus­ge­rech­net die­sen Mann?‘, frag­te Rich­ter Kiesl. Die lapi­da­re Ant­wort der Ange­klag­ten: ‚Na ja, das ist halt sei­ne Ein­stel­lung.“ (nachrichten.at)

Am Ende des Pro­zes­ses stand ein rechts­kräf­ti­ger Frei­spruch, den der Rich­ter so begründete: 

Ich muss mir über die­se Mär­chen­ge­schich­te, die Sie mir hier erzählt haben, eigent­lich kei­ne Gedan­ken machen, denn es spielt recht­lich kei­ne Rol­le. Fakt ist, dass man Ihnen über­haupt nicht nach­wei­sen kann, dass Sie das Ziel gehabt hät­ten, dem Häft­ling bei einer Flucht zu hel­fen. (nachrichten.at)

Na dann wün­schen wir der jun­gen Frau in Zukunft mehr Glück bei der Aus­wahl ihrer Kon­tak­te in- und außer­halb von Gefängnissen.

Feldkirchen/Graz: Ein­stel­lung des Ver­fah­rens gegen die Tigurina

Die Sup­pe gibt’s, aber sie sei zu dünn – so lau­tet zusam­men­ge­fasst die Begrün­dung der Gra­zer Staats­an­walt­schaft zur Ein­stel­lung der Ermitt­lun­gen in der Cau­sa Fuchs-Video der Kärnt­ner Bur­schen­schaft Tigu­ri­na. NS-Bil­der – sei­en da, aber 

„[e]in kon­kre­ter Bezug zum Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­de im gespro­che­nen Text des Fil­mes nicht her­ge­stellt“, schreibt die Staats­an­walt­schaft. Daher könn­ten „nur Per­so­nen mit beson­de­ren Fach­kennt­nis­sen den Zusam­men­hang die­ses Bild­ma­te­ri­als mit der Zeit der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Dik­ta­tur her­stel­len.“ (Klei­ne Zei­tung Kärn­ten, 8.6.20, S. 16)

Die Staats­an­walt­schaft räumt gleich­zei­tig ein, „dass es sich bei der pen­na­len Bur­schen­schaft um eine ten­den­zi­ell rechts­extre­me und deutsch­na­tio­na­le Ver­ei­ni­gung han­delt“. (Klei­ne Zeitung)

Anders begrün­det wird die Ein­stel­lung des Ver­fah­rens wegen des Ver­dachts auf Ver­het­zung. „Der Tat­be­stand kann nicht mehr extra ver­folgt wer­den, er ist ver­jährt. Das Video gab es seit 2017.“ (Klei­ne Zeitung)

Was ler­nen wir aus der Begrün­dung der Gra­zer Staats­an­walt­schaft? Es ist schon mög­lich, NS-Bezü­ge her­zu­stel­len – etwa „NS-Pro­pa­gan­da­su­jets, dar­un­ter ein Bild eines Nazi­sol­da­ten aus einem Pro­pa­gan­da­bild­band von 1943 sowie ein Foto von Luft­waf­fen-Flie­gern im Angriff auf Polen 1939“ (doew.at) –, die soll­ten jedoch im Zusam­men­hang mit dem gespro­che­nen Text mög­lichst nur für Fach­leu­te erkenn­bar sein – Wie­der­be­tä­ti­gung also nur für Ken­ner und Kennerinnen.