Die zwei wichtigsten Gastschreiber
Es gibt unter den zahlreichen Gastautoren (und viel weniger Gastautorinnen) zwei, die auffällig oft vorkommen: Werner Reichel und Andreas Tögel. Der erstere ist Chefredakteur bei der Quartalszeitschrift „Frank & Frei“. Im gleichnamigen Verlag veröffentlicht er Bücher mit so klingenden Titeln wie „Der deutsche Willkommenswahn“ oder „Genderismus. Der Masterplan für die geschlechtslose Gesellschaft“.
„Frank & Frei“ wurde von der Bildungsakademie des Team Stronach ins Leben gerufen und daher auch mit Steuergeld finanziert. Bekanntlich war Stronachs Politikkarriere bald vorbei, seine Partei ist Ende 2017 aus dem Nationalrat geflogen. Erst im Mai 2019 wurde die Auflösung der Parteiakademie bekannt gegeben, Ende 2018 waren laut „Presse“ noch 348.000 Euro an Förderungen in der Kassa.
Als es die Parteiakademie noch gab, war das rechte „Bildungsangebot“ bereits teilweise der Kritik ausgesetzt: So gab es etwa 2017 eine Veranstaltung mit dem Identitären-Vordenker Martin „Lichtmesz“ Semlitsch als Redner (Fotos davon finden sich bis heute auf der Homepage).
Chefredakteur Reichel trat in einem Videobeitrag des rechtsextremen Magazins „Wochenblick“ als Experte zum Thema „Fake-News des Mainstreams” auf; man inserierte u.a. in der inzwischen verblichenen rechtsextremen Postille „alles roger?“. (1)
Seit es keinen offiziellen Konnex zu der ehemaligen Parlamentspartei „Team Stronach“ mehr gibt, ist es ruhig um „Frank & Frei“, obwohl Reichel weiterhin fleißig ist. Eine Kostprobe: Am 25. Dezember veröffentlicht Reichel einen Text mit dem Titel „Türkis-Grün: Was Österreich erwartet, ist in Schweden längst Realität“. Darin behauptet er, dass Schweden aufgrund des „rot-grünen Willkommenswahns“ „in wenigen Jahren kaum noch von einem arabischen Entwicklungsland (…) zu unterscheiden sein [werde], außer dass es im Winter schneit.“ Dann heißt es kaum verhohlen rassistisch: „Die schwedische Villa Kunterbunt ist abgebrannt, Pippi ausgeraubt und vergewaltigt.“
Reichel bezieht sich ganz offen positiv auf die zweifelsfrei rechtsextreme Partei der Schwedendemokraten und zieht dann eine Analogie zur österreichischen FPÖ:
„Und was sind lächerliche Rattengedichte, vergammelte Liederbücher und krisensicher angelegte Goldbarren gegen unzählige vergewaltigte Mädchen, ausgeraubte Buben, rechtsfreie Zonen und beinahe tägliche Bombenanschläge?“ (2)
Reichel schreibt auch regelmäßig für das deutsche Magazin „eigentümlich frei“, das vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) als „rechtskonservativ bis rechtsextrem“ eingeschätzt wird (vgl. „Wiener Zeitung“) und inhaltlich in dieselbe Kerbe schlägt wie der Unterberger-Blog und „Frank & Frei“.
In einem Beitrag von April 2019 geht es um eine angebliche linke Hetze gegen alles Rechte. Wie beim Flüchtlingsthema wendet Reichel auch hier einen für Rechtsextremismus typischen Katastrophenjargon an: Der Text trägt den – offensichtlich ernstgemeinten – Titel „Auf dem Weg zur Gesinnungsdiktatur. Wer nicht links ist gilt als vogelfrei“ und Reichel halluziniert darin von einer „unheilvollen Entwicklung Richtung Totalitarismus“ (3). Zur Erinnerung: Der Artikel stammt aus einer Zeit, als die ÖVP/FPÖ-Regierung noch im Amt war. Diese Tatsache gibt der Fantasie vom linken Totalitarismus noch ein Schäufelchen Absurdität hinzu.
Ebenso Autor bei „eigentümlich frei“ und Stammautor bei „Frank & Frei“ ist der zweite permanente Gastautor auf Unterbergers Blog: Andreas Tögel. Er schreibt zudem für die Plattform „Freiheits-Akademie“. Dieser steht der rechtsextreme Arzt Dieter Zakel als Präsident vor, und der nutzt seine Website um wüst gegen Muslime zu hetzen:
„Wehret daher den Anfängen! Bei weiterem Fortschreiten dieses Krebsgeschwürs in unseren freiheitlichen Gesellschaften ist es schwer bis unmöglich hier noch einmal umzukehren. (…) Krebs ist eben eine Krankheit die man am besten **vorausschauend und frühzeitig** bekämpft. ##Der Islam ist eine Einbahnstraße in die Hölle!“ (4)
Es geht sogar noch ärger – wer vom Islam so offen als „Krebsgeschwür“ schreibt, ist nicht weit von Vernichtungsphantasien:
„Das Problem kann nur dauerhaft gelöst werden indem man den Islam militärisch klein hält oder auslöscht. Denn ein Kompromiss und gar Verhandlungen sind mit dem Islam nicht möglich da er keine Toleranz und Kompromisse in seiner Doktrin kennt.“ (5)
Tögel schreibt auch für diese Website und beweist anhand des Feinbild „Gender“ wie schnell der neoliberale Rechtskonservatismus sich in rechtsextreme Muster verstrickt. In einem Text mit dem ernstgemeinten Titel „Vor dem Endsieg der Kulturmarxisten“ vergleicht Tögel etwa die „Transgenderideologie“ mit der russischen Oktoberrevolution. Die „Transgenderidologie“ könne man „als den (vorläufigen) Kulminationspunkt menschlicher Hybris und Dekadenz“ bezeichnen. Er raunt: Seit der „vierten Weltfrauenkonferenz in Peking [1995, Anmk. SdR], steht das zutiefst destruktive Genderprojekt endgültig auf Schiene, und wird von der politischen Klasse beiderseits des Atlantiks nach Kräften vorangetrieben.“ Wie so oft kommt die Agitation gegen Feminismus in Form von antisemitischen Mustern daher: Gleichstellungspolitiken und Herrschaftskritik werden in eine weltweite Verschwörung umgedeutet. Tögel behauptet etwa, dass eine Person, die an ihrer Geschlechtlichkeit zweifle, „entsprechend leicht lenkbar [sei]“ und deshalb „ein wahrer Liebling der herrschenden Klasse und deren intellektuellen Symbionten“.
Hier kommt ein Wahnsystem zum Ausdruck: Es kann und darf nicht einfach Personen geben, die sich der binären Geschlechtlichkeit nicht zuordnen, weil das nicht ihren Bedürfnissen entspricht, sondern es müssen politisches Kalkül und Manipulation dahinter stehen. Folgerichtig kommt auch bei Tögel die Erzählung von einer angeblich geplanten Zerstörung der Familie hinzu: Die „Kulturmarxisten“ würden nun, nachdem sie „an allen relevanten Schalhebeln des Staates“ sitzen „aufs Ganze“ gehen:
„wie von Marx und Engels gefordert, muss die aus Mann, Frau und Kindern gebildete Familie, als bourgeoise ‚Keimzelle des Faschismus’ denunziert, um jeden Preis zerstört werden. Die zeitgeistkompatible ‚Transideologie’ scheint ihnen das dazu am besten geeignete Mittel zu sein.“ (6)
Offensichtlich meint Tögel die lachhafte Behauptung, „Kulturmarxisten“ würden gegenwärtig die Gesellschaft beherrschen, kein bisschen ironisch. Das zeigt wie tief man sich ins rechte Wunderland flüchten kann.
Wut-Projekt gegen „Lügenpresse“
Unterberger selbst ist übrigens auch Autor bei „Frank & Frei“ – sein letztes Buch mit dem Titel „Zwischen Lügenpresse und Fake News“ wird auch fleißig auf seinem Blog beworben.
Außerdem beworben und verlinkt findet sich dort – passend zum „Lügenpresse“-Narrativ – die Website „ORF-Watch.at“. Unterberger war Mitbegründer dieser Plattform, die sich die „unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols“ auf die Fahne schreibt (so der Untertitel auf der Homepage). Die fleißigsten Schreiber dort sind wiederum Unterberger und Reichel. Die inhaltliche Stoßrichtung ist eine Ähnliche wie bei den genannten Medien: Es geht mit pseudokritischer Pose gegen eine angebliche Übermacht der Linken. In einem ganz aktuellen Beitrag kommt das zum Ausdruck: Reichel ärgert sich darüber, dass die neue grüne Ministerin Leonore Gewessler im ORF-Interview angeblich mit Samthandschuhen angefasst worden sei. Im Gegensatz dazu sei es bei FPÖ-Polikern „Usus“, dass im Interview „Fangfragen, Hinterhalte und Fallen gestellt“ würden. Er macht zudem die wahnhafte Behauptung: „Seit die Grünen in der Regierung sitzen, ist der ORF wieder ein lupenreiner Staatsfunk.“ (7) So und so ähnlich geht es weiter auf „ORF-Watch“.
Für die angebliche Ungerechtigkeit gegenüber der FPÖ gibt es einen sehr simplen Grund: Es gibt einen unleugbaren, objektiven Unterschied zwischen der „Einzelfall“- und Korruptionspartei FPÖ und allen anderen Parteien. Nur der FPÖ wurde hundertfach nachgewiesen, dass sie aus wissenschaftlich nachvollziehbaren Gründen als rechtsextrem einzuschätzen ist; nur die FPÖ vertritt ein völkisches – und damit kategorisch antidemokratisches – Weltbild, das bis heute etlichen Formulierungen im Parteiprogramm abzulesen ist. Dass die Fragen an Freiheitliche härter ausfallen, liegt also in der Sache und nicht an dem/der jeweiligen ModeratorIn.
Überall „Links“ nirgends „Frei“
„Frank & Frei“, „eigentümlich frei“, „Freiheits-Akademie“ – Dass das Wort „frei“ hier überall schon im Namen aufblitzt, ist vermutlich kein Zufall. Man versteht (oder verkauft) sich selbst als liberal bzw. libertär. Dieses Selbstverständnis bringt Reichel bei einer Verlagsveranstaltung zur Vorstellung von Tögels neuestem Buch zum Ausdruck, wenn er ihn und sich – sowie Unterbergers Blog und „eigentümlich frei“ – der „liberalen, libertären Szene“ zuordnet. (8)
Dieses Wording hat mit einem emanzipatorischen Begriff von Freiheit selbstverständlich nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich dabei um eine rechte Zuspitzung der neoliberalen Ideologie, worin Freiheit systematisch mit Eigentum und Privileg verwechselt wird. Dieser rechte „Liberalismus“ ist der US-amerikanischen Rechten vermutlich näher als dem völkisch-deutschtümelnden Rechtsextremismus der hiesigen FPÖ mit ihren Burschenschaftern. Dementsprechend verorten Unterberger und seine Freunde sich eher explizit im Rahmen eines rechten Wirtschaftsliberalismus als in völkisch-ethnischen Ideologemen. Durch die Texte zieht sich eine chauvinistische Agitation gegen Gleichstellungspolitiken und sozialstaatliche Errungenschaften.
Dennoch zeigen die oben und in Teil 1 zitierten Stellen, dass der Übergang zu rechtsextremen Positionen beinahe wie von selbst passiert: Der durchgehende Jargon einer autoritären Rebellion gegen ein als „links“ imaginiertes Establishment, Rassismus, Antifeminismus und Hass auf alles von heterosexuellen Normvorstellungen abweichende, apokalyptisches Verschwörungsgeraune nach antisemitischen Mustern – alles das findet sich in den genannten Medien und alles das verweist auf die fließenden Übergänge zum völkischen Rechtsextremismus.
Buchtipp für Neonazis
Vor diesem Hintergrund wundert es auch nicht, dass auf Unterbergers Blog in der Rubrik „Tipps“ ein revisionistisches Buch von Peter H. Nicoll mit dem Titel „Englands Krieg gegen Deutschland“ empfohlen wird. Vertrieben wird dieses Buch etwa vom „Zeitreisen-Verlag“, dessen Inhaber der Neonazi Marc Meier zu Hartum ist. In der Produktbeschreibung wird das Buch dafür gelobt, dass es aufzeige „wie unbegründet die Vorwürfe wegen angeblicher Kriegsverbrechen gegen Deutschland sind“. (9) Erschienen ist das Buch im Grabert-Verlag. Dabei handelt es sich um einen bekannten rechtsextremen und geschichtsrevisionistischen Verlag, der die Bücher zahlreicher Holocaustleugner und ‑relativierer veröffentlicht hat.
Teil 1: Unterbergers Enthemmung: Völkischer Antifeminismus
Fußnoten
1 siehe ausführlicher: „Wiener Zeitung“, 11.5.19
2 Werner Reichel: „Türkis-Grün: Was Österreich erwartet, ist in Schweden längst Realität“ (25.12.2019), online auf der Homepage von „Frank & Frei“, zuletzt aufgerufen am 17.01.2020
3 Ders.: „Auf dem Weg zur Gesinnungsdiktatur – Wer nicht links ist gilt als vogelfrei“ (17.04.2019), online auf der Homepage von „eigentümlich frei“, zuletzt aufgerufen am 17.01.2020
4 Dieter Zakel: „Lassen Sie sich nicht täuschen“, online auf der Homepage von „Freiheits-Akademie.at“ (ohne Datum), zuletzt aufgerufen am 17.01.2020
5 Ders.: „Der Islam erklärt: Die Kāfir“, online auf der Homepage von „Freiheits-Akademie.at“ (ohne Datum), zuletzt aufgerufen am 17.01.2020
6 Andreas Tögel: „Vor dem Endsieg der Kulturmarxisten?“, online auf der Homepage von „Freiheits-Akademie.at“ (ohne Datum), zuletzt aufgerufen am 17.01.2020
7 Werner Reichel: „Gewessler in der medialen Komfortzone“ (16.01.2020), online auf der Homepage von „ORF-Watch“, zuletzt aufgerufen am 17.01.2020
8 Videomitschnitt der Veranstaltung, online auf der Homepage von „Frank & Frei“ (ohne Datum), zuletzt aufgerufen am 17.01.2020
9 Produktbeschreibung von Peter H. Nicolls „Englands Krieg gegen Deutschland“ auf der Homepage des „Zeitreise-Verlags“, zuletzt aufgerufen am 17.01.2020