Deutschland/Österreich: Hannibal, Uniter, Milf‑O und das Bundesheer

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Nicht uner­heb­lich für Öster­reich ist, was sich in Deutsch­land juris­tisch rund um den Bun­des­wehr-Offi­zier Fran­co A. tut, denn der muss nun nach einem län­ge­ren Hin und Her wegen Ter­ror­ver­dachts vor Gericht. A. wur­de im Febru­ar 2017 in Wien ver­haf­tet, nach­dem er eine zuvor ver­steck­te Waf­fe am Wie­ner Flug­ha­fen wie­der an sich brin­gen woll­te – nicht ganz ohne Iro­nie ist anzu­mer­ken, dass ihn die öster­rei­chi­schen Behör­den zunächst als Links­extre­men im Visier hat­ten. Ein neu­es „Kon­vo­lut“ aus dem Hee­res­ab­wehr­amt spricht nun von Ver­bin­dun­gen des Netz­werks von Fran­co A. in das öster­rei­chi­sche Bundesheer.

Fran­co A. unter­hielt Bezie­hun­gen nach Öster­reich: Er besuch­te im Jän­ner 2017 in Wien den Offi­ziers­ball. Beglei­tet wur­de er zumin­dest von dem in Wien leben­den Bun­des­wehr-Kame­ra­den M.R., der wie­der­um hier­zu­lan­de ein­schlä­gig ver­netzt ist. „Der ehe­ma­li­ge deut­sche Bun­des­wehr­sol­dat stu­diert an der Uni­ver­si­tät, und er treibt sich in Bur­schen­schaf­ter-Krei­sen her­um. Zu sei­nem Umfeld gehö­ren auch zwei Mit­ar­bei­ter des öster­rei­chi­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums. Bekannt ist er auch mit der Fami­lie Gude­nus. Ein Foto, das dem STANDARD vor­liegt, zeigt M.R. und Cle­mens Gude­nus, Bru­der von FPÖ-Klub­ob­mann Johann Gude­nus und der­zeit FPÖ-Bezirks­po­li­ti­ker in Wien-Wie­den, gemein­sam auf einer Couch sit­zend. Cle­mens Gude­nus sagt dem STANDARD, dass M.R. ‚nur einer von 2800 Face­book-Freun­den‘ sei. Fran­co A. ken­ne er nicht.“ (derstandard.at, 15.3.19)

Wie weit die Ver­bin­dun­gen nun wirk­lich gehen, ist der­wei­len nicht bekannt, denn die Sache war ein­ge­schla­fen. Doch nun tauch­te nach dem berühm­ten „Kon­vo­lut“ über das BVT ein zwei­tes auf, näm­lich eines über das Hee­res­ab­wehr­amt. Und dort ist genau von jenem Netz­werk die Rede, dem Fran­co A. zuzu­ord­nen ist. „Ein Teil der Vor­wür­fe befasst sich mit Ermitt­lun­gen gegen Rechts­extre­me. Das Abwehr­amt dient dem Eigen­schutz des Bun­des­hee­res und ach­tet etwa dar­auf, dass kei­ne Neo­na­zis oder Isla­mis­ten an der Waf­fe aus­ge­bil­det wer­den oder die eige­nen Rei­hen infil­trie­ren. Des­halb wur­den im Abwehr­amt Berich­te aus Deutsch­land genau geprüft, in denen von rechts­extre­men Sol­da­ten und Poli­zis­ten die Rede war, die sich über Chat­grup­pen ver­net­zen und teil­wei­se auch Fein­des­lis­ten führ­ten – deut­sche Behör­den spre­chen von ‚rechts­extrem moti­vier­ten Adress­samm­lun­gen‘.“ (derstandard.at, 22.11.19)

Dem „Kon­vo­lut“ zufol­ge könn­ten die­se Kon­tak­te über wehr­po­li­ti­sche Ver­ei­ne lau­fen; einer davon, der „Mili­tär Fall­schirm­sprin­ger Ver­bund Ostar­ri­chi“ (Milf‑O) soll in einem deut­schen Ermitt­lungs­akt ange­führt sein, weil zwei Ange­hö­ri­ge der Chat­grup­pe „Nord­kreuz“ – der Grün­der Mar­ko G. steht dafür in Schwe­rin gera­de vor Gericht – am von Milf‑O orga­ni­sier­ten „Nibe­lun­gen­marsch“ samt nach­fol­gen­den pri­va­ten Schieß­übun­gen teil­ge­nom­men haben sollen.

Milf‑O ist kei­nes­wegs unbe­kannt, unter sei­nem bis Ende August 2019 wir­ken­den stei­ri­schen Prä­si­den­ten, dem pen­sio­nier­ten Bun­des­heer-Bri­ga­dier Josef Paul Pun­ti­gam, gab’s in der Ost­stei­er­mark jähr­li­che Gedenk­fei­ern aus Anlass des Über­falls der deut­schen Wehr­macht auf Kre­ta („Kre­ta­fei­ern“), wo sich Sei­te an Sei­te Alt­na­zis mit NS-Orden, Jungna­zis, Bur­schen­schaf­ter und Bun­des­heer­an­ge­hö­ri­ge in Uni­form tum­mel­ten. Unter Pun­ti­gam, der sich auch am Ulrichs­berg umtrie­big zeig­te, stell­te Milf‑O einen Antrag auf „Aner­ken­nung eines wehr­po­li­tisch rele­van­ten Ver­eins“ beim Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um, der damals jedoch wie­der zurück gezo­gen wur­de. 

Webauftritt MILF-O: Märsche, Messer, Schießübungen

Web­auf­tritt MILF‑O: Mär­sche, Mes­ser, Schießübungen

Unter dem blau­en Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Mario Kuna­sek, zu dem Pun­ti­gam gute Bezie­hun­gen unter­hält, klapp­te es dann: „Der eins­ti­ge Bun­des­heer-Bri­ga­dier stell­te 2015 gemein­sam mit der FPÖ Stei­er­mark und deren Lan­des­par­tei­ob­mann Mario Kuna­sek ein ‚Grenz­schutz­kon­zept’ vor. Als Kuna­sek dann Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter wur­de, wur­de Milf‑O ein ‚wehr­po­li­tisch rele­van­ter Ver­ein’. Pun­ti­gam sagt dem STANDARD, dass Milf‑O durch ein öffent­li­ches Schrei­ben eines Refe­ren­ten im Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um dazu ange­regt wor­den war. Die Auf­nah­me des Ver­eins ärger­te Mit­ar­bei­ter im Abwehr­amt, die zum The­ma Rechts­extre­mis­mus im Heer ermit­tel­ten. Denn der­ar­ti­ge Ver­ei­ne dür­fen Bun­des­heer-Infra­struk­tur nut­zen. (…) Abwehr­amt-Mit­ar­bei­ter befürch­ten, dass es regel­mä­ßig zu einem Infor­ma­ti­ons­ab­fluss aus dem Bun­des­heer zu Objek­ten ihrer Beob­ach­tun­gen gekom­men sei. Sie ver­wei­sen etwa auf zwei rang­ho­he Mit­ar­bei­ter des Hee­res, die bei der Natio­nal­rats­wahl für die FPÖ kan­di­diert haben.“ (derstandard.at, 22.11.19)

Uniter-Netzwerk in einer Selbstdarstellung (Screenshot AIB)

Uniter-Netz­werk in einer Selbst­dar­stel­lung (Screen­shot AIB)

Ob sei­tens des Abwehr­am­tes zum „Hannibal“-Verein „Uniter“, ermit­telt wur­de, ist unklar. Im Kon­vo­lut ist zu lesen, es gäbe in der Stei­er­mark Hin­wei­se auf eine Aus­brei­tung – das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um demen­tier­te jedoch. Also alles palet­ti? Der Pres­se­spre­cher des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, Micha­el Bau­er, bezeich­net jeg­li­che Ver­bin­dun­gen des Han­ni­bal-Netz­werks in das Bun­des­heer hin­ein ulti­ma­tiv als nicht exis­tent: „Weil wir es wis­sen.“ So sicher wie der Pres­se­spre­cher sind wir uns keinesfalls.

Der Pressesprecher des Verteidigungsministeriums via Twitter am 23.11.19: "Weder gibt es rund um das Bundesheer bewaffnte rechte Terrorzellen noch gibt es Verbindungen zum Hannibal-Netzwerk." "Weil wir es wissen."

Der Pres­se­spre­cher des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums via Twit­ter am 23.11.19: „Weder gibt es rund um das Bun­des­heer bewaffnte rech­te Ter­ror­zel­len noch gibt es Ver­bin­dun­gen zum Han­ni­bal-Netz­werk.” „Weil wir es wissen.”