Die schweigenden Schwaben zu Innsbruck

Die akademis­che Burschen­schaft Sue­via in Inns­bruck wird immer wieder beispiel­haft als eine Burschen­schaft genan­nt, die vor­bildlich ihre Ver­gan­gen­heit aufgear­beit­et habe. Davon ist nichts zu merken, wenn man die Web­site der Sue­via aufruft. „Her­aus­ra­gende Per­sön­lichkeit­en der Poli­tik, Wirtschaft, Medi­zin, Wis­senschaft und Forschung“ seien aus ihren Rei­hen her­vorge­gan­gen, schreiben die Sueven in der Rubrik „Über uns“. Welche, das ver­schweigen sie. Auch den Namen und Werde­gang ihres berüchtigt­sten Mit­glieds, des SS-Offiziers Ger­hard Lausegger.

Auf der Web­site der Sue­via ist ger­ade noch ihr Grün­dungs­jahr 1868 zu erfahren – über die 150 Jahre danach schweigen sich die Sueven aus. Dabei gäbe es einiges zu erzählen. Ursprünglich 1868 als noch ziem­lich unpoli­tis­che Lands­man­nschaft Vorarl­berg­er Stu­den­ten unter dem Namen „Vorarl­ber­gia“ gegrün­det, änderte sie 1877 ihren Namen auf „Sue­via“, erk­lärte sich 1884 zur Burschen­schaft und wurde in den 1880er Jahren „ger­adezu zum Syn­onym für den Anti­semitismus“ in Inns­bruck (Mar­tin Achrain­er, Jüdis­ches Leben in Tirol und Vorarl­berg von 1867 bis 1918. Hay­mon Ver­lag, Inns­bruck 2013).

Dieser Wand­lung von ein­er eher lib­eralen Kor­po­ra­tion, die auch Duell und Men­sur abgelehnt hat­te, zu ein­er rabi­at anti­semi­tis­chen, deutschna­tionalen und schla­gen­den Burschen­schaft war unter anderem ein Besuch des ober­sten Anti­semiten Georg Rit­ter von Schöner­er voraus­ge­gan­gen. Der hat­te zum Ergeb­nis, dass in dessen Folge die Sue­via nur mehr „deutscharische“ Mit­glieder auf­nahm (ab 1886, siehe dazu Andreas Bösche, S. 20f).

Daran hat sich auch in späteren Jahren nichts geän­dert. 1925 legten Vertreter der Inns­bruck­er Burschen­schaften Ger­ma­nia, Brix­ia, Pap­pen­heimer und Sue­via dem Sen­at der Uni­ver­sität Inns­bruck eine Res­o­lu­tion mit der Forderung vor, nichts unver­sucht zu lassen, „um unsere Uni­ver­sität vor einem jüdis­chen Lehrer zu bewahren“(Peter Goller, Ein starkes Stück. Ver­suchte Habil­i­ta­tion eines kom­mu­nis­tis­chen Juden. In: DÖW Jahrbuch 1988).

Noch in ihrer 1958 (!) veröf­fentlicht­en Verbindungs­geschichte glo­ri­fizierte die Sue­via die 1938 erfol­gte Okku­pa­tion Öster­re­ichs als „Grün­dung des Großdeutschen Reich­es“, in deren Folge sich die Sue­via feier­lich selb­st aufgelöst und dem Nation­al­sozial­is­tis­chen Deutschen Stu­den­ten­bund (NSD­StB) angeschlossen hat, „da man das erk­lärte Ziel – eine Vere­ini­gung mit Deutsch­land – erre­icht habe. Dieser Akt wird als ‚ruh­mvolles Ende der Burschen­schaft“ beze­ich­net’, schreibt der His­torik­er Ste­fan Hechl in sein­er Arbeit „Stu­den­tis­ch­er Anti­semitismus in Inns­bruck ( 1918–1938)“.

So tick­ten die Sueven nicht nur 1938, son­dern auch noch 1958 ff! In der Pub­lika­tion über „Völkische Verbindun­gen“, her­aus­gegeben von der ÖH der Uni Wien 2009, heißt es dazu:

„Die Inns­bruck­er Sue­vi­astellte sich noch 1960 auf den ‚allein burschen­schaftlichen Stand­punkt, dass […] der Jude in der Burschen­schaft keinen Platz hat’ (…). Ein Jahr später schän­dete ein unmit­tel­bar zuvor aus sein­er Verbindung aus­geschlossen­er Sueve gemein­sam mit einem Brix­en den jüdis­chen Fried­hof in Inns­bruck.“ (1)

Wann der SS-Offizier Ger­hard Lauseg­ger auf dem wuchti­gen Sueven-Denkmal am Inns­bruck­er West­fried­hof ein­graviert wurde, ist nicht klar. Dass der überzeugte Nazi und Burschen­schafter der Sue­via, der während der Novem­ber­pogrome 1938 einen Mordtrupp ange­führt und dem Vor­sitzen­den der Israelitis­chen Kul­tus­ge­meinde für Tirol und Vorarl­berg, Richard Berg­er, nach ein­er grausamen Het­z­jagd mit einem Stein den Schädel eingeschla­gen hat, über­haupt ein ehren­des Gedenken durch seine Burschen­schaft fand, und das von ihr über Jahrzehnte auch noch vertei­digt wurde, war spätestens seit den 90er Jahren immer wieder ein Gegen­stand der poli­tis­chen Debat­te in Innsbruck.

Lausegger (links) bei seiner Festnahme; rechts der Sohn des ermordeten Richard Berger (Foto: erinnern.at)

Lauseg­ger (links) bei sein­er Fes­t­nahme; rechts der Sohn des ermorde­ten Richard Berg­er (Foto: erinnern.at)

Die Forderung war zunächst: Der Name Lauseg­gers und jene von zumin­d­est weit­eren sieben Per­so­n­en, „die durch ihre Hand­lun­gen ein­deutig dem Nation­al­sozial­is­mus zuor­den­bar”(Stan­dard, 8.11.1996) waren, seien zu ent­fer­nen, oder es sollte gle­ich das ganze Denkmal, das die zen­trale Inschrift „Für des deutschen Volkes Ehre opfer­ten ihr Leben“ trägt, abgeris­sen werden.

Denkmal der Suevia am Friedhof Innsbruck mit der Inschrift "Lausegger Gerhard" (Foto: novemberpogrom1938.at)

Denkmal der Sue­via am Fried­hof Inns­bruck mit der Inschrift „Lauseg­ger Ger­hard” (Foto: novemberpogrom1938.at)

2014 erfol­gte dann eine winzige Kor­rek­tur durch die Sueven. Auf der Rück­seite (!) des riesi­gen Denkmals wurde ein QR-Code ange­bracht, der nach Entschlüs­selung via Handy auf die Web­seite Schwaben­denkmal führt, auf der die Burschen­schafter von der Sue­via in sehr knap­pen Worten so etwas wie eine Dis­tanzierung von der Tat und der Geis­te­shal­tung dahin­ter versuchen:

Die Burschen­schaft kann diese Tat und die dahin­ter ste­hen­den Beweg­gründe nicht nachvol­lziehen, die übere­in­stim­mende Geis­te­shal­tung liegt ihr fern. Daher fällt es unser­er Burschen­schaft leicht, sich von (sic!) Nation­al­sozial­is­mus aufs Schärf­ste abzu­gren­zen, sowie zu dis­tanzieren.

Eine ver­schämte Dis­tanzierung via QR-Code von einem bru­tal­en anti­semi­tis­chen Meuchel­mord – nicht vom Mörder! –, das war’s dann schon wieder mit der gründlichen Aufar­beitung der Ver­gan­gen­heit? Ein Jahr später hat die Stadt­ge­meinde Inns­bruck mit der Errich­tung ein­er Stele für den ermorde­ten Richard Berg­er „das feige Weg­duck­en der Sue­via vor dem Eingeständ­nis der Schuld und die Ver­höh­nung der Pogro­mopfer“ (Tirol­er Tageszeitung, 9.11.2015) korrigiert.

Das Schweigen der Sue­via über ihre anti­semi­tis­che Ver­gan­gen­heit hält an. Eine ser­iöse Aufar­beitung geht anders.

Text zum "Schwabendenkmal" der Suevia

Text zum „Schwaben­denkmal” der Suevia

1 „Ein­er der Täter, Ex-Aktivist der Sue­via, zwängte seinen Anti­semitismus zuvor in hol­prige Reim­form: ‚[…] der einzige Feind, den es Wert ist zu hassen/und unter Umstän­den auch zu vergasen/ist doch der ewige Jude, der heute/wie früher die dum­men, weil ehrlichen Leute bestiehlt/und uns allen die Frischluft wegsaugt/nicht ahnend, dass er nur zum Ein­heizen taugt./Die Zeit wird bald kom­men, darauf ist Verlass/dass man ihn zum let­zten Mal set­zt unter Gas./Dann werdet auch Ihr, trotz Aktiven-Allüren,/das Feuer von Auschwitz behüten und schüren./Wir wer­den, wenn auch ohne Mütze und Band,/die Gasöfen füllen bis an den Rand.’“ (Andreas Peham, „Durch Rein­heit zur Ein­heit“, S. 37)