Rückschau
Anfang September diesen Jahres haben wir eine fünfteilige Serie mit dem Titel „Rechtsextremes im letzten großen Staatsmuseum“ veröffentlicht. Die Recherche sollte einen weiten Bogen spannen, um das Ausmaß der Missstände im HGM deutlich aufzuzeigen: Von dem rechtsextremen Kult um das Museums, über die rückwärtsgewandte und glorifizierende Vermittlung von Geschichte, bis hin zum Museumsshop, wo mitunter revisionistische Literatur und Spielzeug-Wehrmachtspanzern verkauft wurden. Außerdem haben wir Anfang Juni das HGM-Event „Auf Rädern und Ketten“ besucht, wo NS-Devotionalien und Wehrmachts-Merchandise auf Ständen verkauft wurden.
Neben unserer Berichterstattung haben auch weitere Medien zu dem Thema veröffentlicht. Während der Standard unsere Recherche aufgriff und teilweise um Nachfragen bei ExpertInnen erweiterte, brachte der Kurier eine eigene Geschichte zum selben Thema, die das Gesamtbild um eine bedeutende Nuance erweiterte: Es ging um einem HGM-Provenienzforscher und die Verstrickungen von HGM-Mitarbeitern ins Burschenschaftermilieu. Eine politische Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Das Verteidigungsministerium kündigte unmittelbar nach den Veröffentlichungen eine Prüfung der Vorwürfe an; und Wofgang Zinggl, damals Abgeordneter der Liste Jetzt, verfasste eine parlamentarische Anfrage zu den rechten Umtrieben im HGM.
Interne Kommissionen und Rechnungshofprüfung
Im letztwöchigen Falter rekapituliert Barbara Tóth die Causa um das HGM und berichtet über die zahlreichen (meist internen) Untersuchungen, die nun dort stattfinden. Inzwischen wird das HGM von vier Kommissionen überprüft. Eine prüft den Shop des Museums, eine zweite die Schauräume und eine dritte die Verlängerung des Dienstvertrags von Museumsdirektor Christian Ortner (der in gut österreichischer Manier trotz seiner Letztverantwortung für die desaströsen Zustände um Verlängerung angesucht hat).
Die vierte Kommission wurde aufgrund einer Überprüfung durch den Rechnungshof aktiv. Die PrüferInnen hatten am 17. Oktober diesen Jahres auch ein Depot des HGM in der Kaserne Zwölfaxing besichtigt und waren dort auf einen versteckten Bunker gestoßen, der offenbar als private Lagerstätte von Mitarbeitern genutzt wird/wurde. Dort war historisches Kriegsmaterial (Ersatzteile, Panzerketten, etc.) gelagert, das vom Heereslogistikzentrum des Bundesheeres mitunter bereits vor Jahren ausgeschieden worden waren. Wie es zu dieser Privatsammlung von Panzerfanatikern kommen konnte und ob die Staatsanwaltschaft einzuschalten ist, wird gegenwärtig von der Disziplinarabteilung des Verteidigungsministeriums geprüft. Der Rechnungshofbericht soll Anfang 2020 erscheinen. (siehe Falter 47/19, S. 19)
Zu den braunen Flecken und der rückwärtsgewandten Vermittlung von Geschichte treten somit krasse Schieflagen in der Verwaltung. So fordert ausgerechnet die selbsternanntefreiheitliche „Bundesheergewerkschaft“ in einer Presseaussendung vom 17. Oktober im Gefolge der Rechunungshofprüfung, dass HGM-Dirketor Ortner während der Untersuchung seiner Tätigkeit enthoben werde. Außerdem wird moniert, es sei seit Jahren im Ressort bekannt, dass Direktor Ortner „bei einem eigenen Verlag seine Bücher, die er in der Dienstzeit verfasst und für die er auch Ressourcen des HGM in Anspruch nimmt“, Tantiemen kassiere. Der blaue Personalvertreter Manfred Haidinger fordert zudem von Minister Starlinger eine Beleuchtung der innerbetrieblichen Zustände abseits der Ergebnisse des Rechnungshofs – unnötig zu erwähnen, dass der Freiheitliche natürlich nicht auf die inhaltlichen Kritikpunkte am HGM eingeht.
Was der „Falter“-Artikel – der aktuellste fundierte Bericht zum HGM – allerdings unerwähnt lässt, ist, dass in der ganzer Causa inzwischen die ausführliche Beantwortung einer weiteren parlamentarischen Anfrage vorliegt.
Anfrage & Antwort
Die SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz hat bereits am 18. September eine parlamentarische Anfrage an Verteidigungsminister Starlinger gestellt. Diese wurde am 31.10. durch den Minister beantwortet. Im Folgenden einige Schlaglichter.
Tief blicken lässt etwa die Beantwortung von Frage 9 zum Thema „Auf Rädern und Ketten“, wo es darum geht, nach welchen Kriterien die Verkaufsstände vergeben werden und wer dafür verantwortlich ist. Die Antwort des Ministers:
„Die Verkaufsstände werden nach Anmeldung beim Projektverantwortlichen vergeben, der mit dem Direktor des HGM/MHI auch die Verantwortung dafür trägt. Darüber hinausgehende Kriterien für die Vergabe der Verkaufsstände gibt es nicht, da ein Großteil der Betreiber bereits seit Beginn der Veranstaltungsreihe im Jahr 2007 jährlich vertreten ist.“
Kurzum: Der Veranstalter und der Direktor sind verantwortlich; nachvollziehbare inhaltliche Kriterien zur Vergabe von Verkaufsständen gibt es keine, weil dieselben Standler scheinbar schon seit 2007 ihre Ware bei dem Event verkaufen. Auf die Zusatzfrage, ob die „zum Kauf angebotenen Produkte zumindest überblicksmäßig“ durch HGM-MitarbeiterInnen geprüft werden, lautet die Antwort:
„Ja. Die Betreiber der Verkaufsstände auf der Veranstaltung werden von der Direktion des HGM/MHI schriftlich vertraglich verpflichtet und mündlich belehrt, alle gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten. Die Einhaltung dieser Bestimmungen wird von den Ordnungsorganen der Veranstaltung und von Sicherheitsorganen der Landespolizeidirektion Wien auch laufend kontrolliert. Bei nachweisbaren Verstößen wird der Betreiber des betreffenden Verkaufsstandes unverzüglich von der Veranstaltung ausgeschlossen.“
Es gibt also sowohl Ordnungsorgane des HGM, als auch Sicherheitsorgane der Polizei, die auf gesetzliche Bestimmungen achten. Wir haben bei unserem Besuch am Eröffnungstag allerdings nicht lange suchen müssen: Wehrmachts-Merchandise, NS-Devotionalien und insbesondere die Neonazi-T-Shirts mit der Aufschrift „Legenden sterben nicht – Deutsche Wehrmacht“ wurden völlig offen feilgeboten. Diese Artikel waren nicht einmal hinter anderen, weniger verfänglichen Dingen versteckt, wie wir mit zahlreichen Fotos in Teil 4 unserer Serie belegt haben.
Nun könnte man argumentieren, dass das noch nicht aus der Diktion „alle gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten“ herausfalle, denn das zum Verkauf Gebotene könnte möglicherweise knapp nicht strafrechtlich relevant sein. Aber wenn es stimmt, dass durch zuständige HGM-MitarbeiterInnen „laufend kontrolliert“ wurde, dann bedeutet das, dass diese den NS-verherrlichenden Ramsch, der gerade noch nicht ins Verbots- oder Abzeichengesetz fällt, einfach unwidersprochen liegen gelassen haben. Und das macht die Sache nicht besser, sondern sogar noch skandalöser, als wir angenommen hatten.
Leider spricht Starlinger, direkt auf die T‑Shirts angesprochen (Frage 31), keinen Klartext. In seiner Antwort heißt es: Obwohl diese nachweislich nicht unter das Verbots- oder Abzeichengesetz fallen, „distanziert sich das HGM/MHI vom Handel solcher Objekte durch Dritte und verbietet auch künftig den Verkauf von Gegenständen, die den o.a. Gesetzen unterliegen“. Diese Formulierung impliziert nicht direkt, dass künftig der Verkauf solcher T‑Shirts verboten wird, sondern es bleibt lediglich bei „distanzieren“, während Gegenstände, die unter das Verbots- und Abzeichengesetz fallen „auch künftig“ verboten sind. Diese vage Formulierung ist problematisch. Es handelt sich hier unzweifelhaft um NS-glorifizierende Produkte, gemacht für Neonazis, und es wäre angebracht, sich hier nicht nur auf das Gesetz zurückzuziehen, sondern selbstverständlich solche Produkte auch dann bei der Veranstaltung zu verbieten, wenn sie – gerade noch – legal sind.
Zum Themenkomplex „Wissenschaftliche Aktualität des HGM“ lautet Frage 15: „Seit wann ist in Ihrem Ressort die fachliche Kritik an der Aufarbeitung der Exponate des Museums bekannt?“ Die Antwort des Ministers fällt enttäuschend aus:
„Das HGM/MHI ist auf eine wertneutrale und objektive Darstellung der Geschichte abseits von Nationalismen und patriotischer Übersteigerung ausgerichtet; dies wird von Museumsbesuchern und von anerkannten nationalen und internationalen Wissenschaftlern auch nachweislich bestätigt. Eine fachliche Kritik hinsichtlich der Aufarbeitung der Exponate ist dem Ressort bis dato nicht bekannt.“
Eine solche fachliche Kritik gibt es aber sehr wohl und wir haben bereits in Teil 2 unserer Serie aus solcher zitiert; die aktuellste Quelle war ein Buch der Historikerin Ina Markova von 2018 (1). Wir zitieren die überaus kritischen Worte, die die Autorin für die HGM Dauerausstellung in Saal 7 findet, gerne noch einmal:
„Generell arbeitet die Ausstellung mit wenig fotografischem Material, sondern mit meist unkontextualisierten Objekten. Grundsätzlich ist das Narrativ jenes des ‚Phönix aus der Asche‘ – vom ‚Staat, den niemand wollte‘, zur Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik. Das HGM ist typisch für einen Zeitgeist, der sich in rückwärtsgewandter Manier an das ‚große Erbe‘ der Monarchie klammert.“ (Markova 2018, S. 164)
Die Aussage der Historikerin und ehemaligen Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger, wonach das HGM eine „musealisierte Kaserne“ sei, geht zwar nicht als eine fachliche Kritik durch, ist aber immerhin die polemische Kritik einer Fachfrau. Der oben zitierte „Falter“-Artikel bringt es präzise auf den Punkt: Das HGM habe „den Sprung in die moderne Museums- und Wissenschaftsszene nie geschafft und präsentiert sich bis heute als patriotisch-nostalgisches Nationalmuseum.“
Der Verteidigungsminister stellt zu diesem Thema aber auch Erfreuliches in Aussicht. Zur Frage 22c – warum der Holocaust auf dem Info-Blatt zu Saal 7 nicht erwähnt werde – heißt es u.a. etwa: „Eine didaktische Überarbeitung des besagten Saalzettels ist bereits im Gange“.
Schluss
Verteidigungsminister Starlinger antwortet ausführlich auf die Anfrage von Sabine Schatz. Dennoch bleibt vieles vage. Zudem verweist er oftmals auf die noch laufenden Untersuchungen der von ihm eingesetzten Kommissionen, deren Ergebnisse er nicht vorwegnehmen möchte. Die zur Untersuchung des HGM-Shops eingesetzte Kommission sollte bis Anfang Dezember fertig sein. Die zweite Kommission recherchiert zum zeitgeschichtlichen Saal 7 und sollte auch noch im Dezember fertig werden. Wir harren der Dinge die da noch kommen und werden berichten.
1 Markova, Ina (2018): Die NS-Zeit im Bildgedächtnis der Zweiten Republik. Band 6, Der Nationalsozialismus und seine Folgen. Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, S. 164–168.