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Das Heeresgeschichtliche Museum in Turbulenzen

Seit unse­rer fünf­tei­li­gen Serie über die Miss­stän­de im Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um (HGM) ist die rech­te Nor­ma­li­tät dort etwas ins Wan­ken gekom­men: Kom­mis­sio­nen, Unter­su­chun­gen des Rech­nungs­hof und par­la­men­ta­ri­sche Anfra­gen suchen das ehr­wür­di­ge Haus nun heim. Medi­al ist das The­ma hin­ge­gen weit­ge­hend von der Bild­flä­che ver­schwun­den. Dies betrifft ins­be­son­de­re die par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge der SPÖ-Abge­­or­d­­ne­­ten Sabi­ne Schatz und deren […]

27. Nov 2019
T-Shirt zum Verkauf: "Legenden sterben nicht – Deutsche Wehrmacht" (© SdR)
T-Shirt zum Verkauf: "Legenden sterben nicht – Deutsche Wehrmacht" (© SdR)

Rück­schau

Anfang Sep­tem­ber die­sen Jah­res haben wir eine fünf­tei­li­ge Serie mit dem Titel „Rechts­extre­mes im letz­ten gro­ßen Staats­mu­se­um“ ver­öf­fent­licht. Die Recher­che soll­te einen wei­ten Bogen span­nen, um das Aus­maß der Miss­stän­de im HGM deut­lich auf­zu­zei­gen: Von dem rechts­extre­men Kult um das Muse­ums, über die rück­wärts­ge­wand­te und glo­ri­fi­zie­ren­de Ver­mitt­lung von Geschich­te, bis hin zum Muse­ums­shop, wo mit­un­ter revi­sio­nis­ti­sche Lite­ra­tur und Spiel­zeug-Wehr­machts­pan­zern ver­kauft wur­den. Außer­dem haben wir Anfang Juni das HGM-Event „Auf Rädern und Ket­ten“ besucht, wo NS-Devo­tio­na­li­en und Wehr­machts-Mer­chan­di­se auf Stän­den ver­kauft wur­den.  

Neben unse­rer Bericht­erstat­tung haben auch wei­te­re Medi­en zu dem The­ma ver­öf­fent­licht. Wäh­rend der Stan­dard unse­re Recher­che auf­griff und teil­wei­se um Nach­fra­gen bei Exper­tIn­nen erwei­ter­te, brach­te der Kurier eine eige­ne Geschich­te zum sel­ben The­ma, die das Gesamt­bild um eine bedeu­ten­de Nuan­ce erwei­ter­te: Es ging um einem HGM-Pro­ve­ni­enz­for­scher und die Ver­stri­ckun­gen von HGM-Mit­ar­bei­tern ins Bur­schen­schaf­ter­mi­lieu. Eine poli­ti­sche Reak­ti­on ließ nicht lan­ge auf sich war­ten: Das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um kün­dig­te unmit­tel­bar nach den Ver­öf­fent­li­chun­gen eine Prü­fung der Vor­wür­fe an; und Wof­gang Zinggl, damals Abge­ord­ne­ter der Lis­te Jetzt, ver­fass­te eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge zu den rech­ten Umtrie­ben im HGM. 

Inter­ne Kom­mis­sio­nen und Rechnungshofprüfung

Im letzt­wö­chi­gen Fal­ter reka­pi­tu­liert Bar­ba­ra Tóth die Cau­sa um das HGM und berich­tet über die zahl­rei­chen (meist inter­nen) Unter­su­chun­gen, die nun dort statt­fin­den. Inzwi­schen wird das HGM von vier Kom­mis­sio­nen über­prüft. Eine prüft den Shop des Muse­ums, eine zwei­te die Schau­räu­me und eine drit­te die Ver­län­ge­rung des Dienst­ver­trags von Muse­ums­di­rek­tor Chris­ti­an Ort­ner (der in gut öster­rei­chi­scher Manier trotz sei­ner Letzt­ver­ant­wor­tung für die desas­trö­sen Zustän­de um Ver­län­ge­rung ange­sucht hat).

Die vier­te Kom­mis­si­on wur­de auf­grund einer Über­prü­fung durch den Rech­nungs­hof aktiv. Die Prü­fe­rIn­nen hat­ten am 17. Okto­ber die­sen Jah­res auch ein Depot des HGM in der Kaser­ne Zwölfa­xing besich­tigt und waren dort auf einen ver­steck­ten Bun­ker gesto­ßen, der offen­bar als pri­va­te Lager­stät­te von Mit­ar­bei­tern genutzt wird/wurde. Dort war his­to­ri­sches Kriegs­ma­te­ri­al (Ersatz­tei­le, Pan­zer­ket­ten, etc.) gela­gert, das vom Hee­res­lo­gis­tik­zen­trum des Bun­des­hee­res mit­un­ter bereits vor Jah­ren aus­ge­schie­den wor­den waren. Wie es zu die­ser Pri­vat­samm­lung von Pan­zer­fa­na­ti­kern kom­men konn­te und ob die Staats­an­walt­schaft ein­zu­schal­ten ist, wird gegen­wär­tig von der Dis­zi­pli­nar­ab­tei­lung des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums geprüft. Der Rech­nungs­hof­be­richt soll Anfang 2020 erschei­nen. (sie­he Fal­ter 47/19, S. 19)

Zu den brau­nen Fle­cken und der rück­wärts­ge­wand­ten Ver­mitt­lung von Geschich­te tre­ten somit kras­se Schief­la­gen in der Ver­wal­tung. So for­dert aus­ge­rech­net die selbst­er­nann­te­frei­heit­li­che „Bun­des­heer­ge­werk­schaft“ in einer Pres­se­aus­sendung vom 17. Okto­ber im Gefol­ge der Rechu­nungs­hof­prü­fung, dass HGM-Dir­ke­tor Ort­ner wäh­rend der Unter­su­chung sei­ner Tätig­keit ent­ho­ben wer­de. Außer­dem wird moniert, es sei seit Jah­ren im Res­sort bekannt, dass Direk­tor Ort­ner „bei einem eige­nen Ver­lag sei­ne Bücher, die er in der Dienst­zeit ver­fasst und für die er auch Res­sour­cen des HGM in Anspruch nimmt“, Tan­tie­men kas­sie­re. Der blaue Per­so­nal­ver­tre­ter Man­fred Hai­din­ger for­dert zudem von Minis­ter Star­lin­ger eine Beleuch­tung der inner­be­trieb­li­chen Zustän­de abseits der Ergeb­nis­se des Rech­nungs­hofs – unnö­tig zu erwäh­nen, dass der Frei­heit­li­che natür­lich nicht auf die inhalt­li­chen Kri­tik­punk­te am HGM eingeht.

Was der „Falter“-Artikel – der aktu­ells­te fun­dier­te Bericht zum HGM – aller­dings uner­wähnt lässt, ist, dass in der gan­zer Cau­sa inzwi­schen die aus­führ­li­che Beant­wor­tung einer wei­te­ren par­la­men­ta­ri­schen Anfra­ge vor­liegt. 

Anfra­ge & Antwort

Die SPÖ-Abge­ord­ne­te Sabi­ne Schatz hat bereits am 18. Sep­tem­ber eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Star­lin­ger gestellt. Die­se wur­de am 31.10. durch den Minis­ter beant­wor­tet. Im Fol­gen­den eini­ge Schlaglichter.

Tief bli­cken lässt etwa die Beant­wor­tung von Fra­ge 9 zum The­ma „Auf Rädern und Ket­ten“, wo es dar­um geht, nach wel­chen Kri­te­ri­en die Ver­kaufs­stän­de ver­ge­ben wer­den und wer dafür ver­ant­wort­lich ist. Die Ant­wort des Ministers:

Die Ver­kaufs­stän­de wer­den nach Anmel­dung beim Pro­jekt­ver­ant­wort­li­chen ver­ge­ben, der mit dem Direk­tor des HGM/MHI auch die Ver­ant­wor­tung dafür trägt. Dar­über hin­aus­ge­hen­de Kri­te­ri­en für die Ver­ga­be der Ver­kaufs­stän­de gibt es nicht, da ein Groß­teil der Betrei­ber bereits seit Beginn der Ver­an­stal­tungs­rei­he im Jahr 2007 jähr­lich ver­tre­ten ist.“

Kurz­um: Der Ver­an­stal­ter und der Direk­tor sind ver­ant­wort­lich; nach­voll­zieh­ba­re inhalt­li­che Kri­te­ri­en zur Ver­ga­be von Ver­kaufs­stän­den gibt es kei­ne, weil die­sel­ben Stand­ler schein­bar schon seit 2007 ihre Ware bei dem Event ver­kau­fen. Auf die Zusatz­fra­ge, ob die „zum Kauf ange­bo­te­nen Pro­duk­te zumin­dest über­blicks­mä­ßig“ durch HGM-Mit­ar­bei­te­rIn­nen geprüft wer­den, lau­tet die Ant­wort: 

Ja. Die Betrei­ber der Ver­kaufs­stän­de auf der Ver­an­stal­tung wer­den von der Direk­ti­on des HGM/MHI schrift­lich ver­trag­lich ver­pflich­tet und münd­lich belehrt, alle gesetz­li­chen Bestim­mun­gen ein­zu­hal­ten. Die Ein­hal­tung die­ser Bestim­mun­gen wird von den Ord­nungs­or­ga­nen der Ver­an­stal­tung und von Sicher­heits­or­ga­nen der Lan­des­po­li­zei­di­rek­ti­on Wien auch lau­fend kon­trol­liert. Bei nach­weis­ba­ren Ver­stö­ßen wird der Betrei­ber des betref­fen­den Ver­kaufs­stan­des unver­züg­lich von der Ver­an­stal­tung aus­ge­schlos­sen.

Es gibt also sowohl Ord­nungs­or­ga­ne des HGM, als auch Sicher­heits­or­ga­ne der Poli­zei, die auf gesetz­li­che Bestim­mun­gen ach­ten. Wir haben bei unse­rem Besuch am Eröff­nungs­tag aller­dings nicht lan­ge suchen müs­sen: Wehr­machts-Mer­chan­di­se, NS-Devo­tio­na­li­en und ins­be­son­de­re die Neo­na­zi-T-Shirts mit der Auf­schrift „Legen­den ster­ben nicht – Deut­sche Wehr­macht“ wur­den völ­lig offen feil­ge­bo­ten. Die­se Arti­kel waren nicht ein­mal hin­ter ande­ren, weni­ger ver­fäng­li­chen Din­gen ver­steckt, wie wir mit zahl­rei­chen Fotos in Teil 4 unse­rer Serie belegt haben.

T-Shirt zum Verkauf: "Legenden sterben nicht – Deutsche Wehrmacht" (© SdR)
T‑Shirt zum Ver­kauf: „Legen­den ster­ben nicht – Deut­sche Wehr­macht” (© SdR)

Nun könn­te man argu­men­tie­ren, dass das noch nicht aus der Dik­ti­on „alle gesetz­li­chen Bestim­mun­gen ein­zu­hal­ten“ her­aus­fal­le, denn das zum Ver­kauf Gebo­te­ne könn­te mög­li­cher­wei­se knapp nicht straf­recht­lich rele­vant sein. Aber wenn es stimmt, dass durch zustän­di­ge HGM-Mit­ar­bei­te­rIn­nen „lau­fend kon­trol­liert“ wur­de, dann bedeu­tet das, dass die­se den NS-ver­herr­li­chen­den Ramsch, der gera­de noch nicht ins Ver­bots- oder Abzei­chen­ge­setz fällt, ein­fach unwi­der­spro­chen lie­gen gelas­sen haben. Und das macht die Sache nicht bes­ser, son­dern sogar noch skan­da­lö­ser, als wir ange­nom­men hat­ten. 

Lei­der spricht Star­lin­ger, direkt auf die T‑Shirts ange­spro­chen (Fra­ge 31), kei­nen Klar­text. In sei­ner Ant­wort heißt es: Obwohl die­se nach­weis­lich nicht unter das Ver­bots- oder Abzei­chen­ge­setz fal­len, „distan­ziert sich das HGM/MHI vom Han­del sol­cher Objek­te durch Drit­te und ver­bie­tet auch künf­tig den Ver­kauf von Gegen­stän­den, die den o.a. Geset­zen unter­lie­gen“. Die­se For­mu­lie­rung impli­ziert nicht direkt, dass künf­tig der Ver­kauf sol­cher T‑Shirts ver­bo­ten wird, son­dern es bleibt ledig­lich bei „distan­zie­ren“, wäh­rend Gegen­stän­de, die unter das Ver­bots- und Abzei­chen­ge­setz fal­len „auch künf­tig“ ver­bo­ten sind. Die­se vage For­mu­lie­rung ist pro­ble­ma­tisch. Es han­delt sich hier unzwei­fel­haft um NS-glo­ri­fi­zie­ren­de Pro­duk­te, gemacht für Neo­na­zis, und es wäre ange­bracht, sich hier nicht nur auf das Gesetz zurück­zu­zie­hen, son­dern selbst­ver­ständ­lich sol­che Pro­duk­te auch dann bei der Ver­an­stal­tung zu ver­bie­ten, wenn sie – gera­de noch – legal sind. 

Zum The­men­kom­plex „Wis­sen­schaft­li­che Aktua­li­tät des HGM“ lau­tet Fra­ge 15: „Seit wann ist in Ihrem Res­sort die fach­li­che Kri­tik an der Auf­ar­bei­tung der Expo­na­te des Muse­ums bekannt?“ Die Ant­wort des Minis­ters fällt ent­täu­schend aus:

Das HGM/MHI ist auf eine wert­neu­tra­le und objek­ti­ve Dar­stel­lung der Geschich­te abseits von Natio­na­lis­men und patrio­ti­scher Über­stei­ge­rung aus­ge­rich­tet; dies wird von Muse­ums­be­su­chern und von aner­kann­ten natio­na­len und inter­na­tio­na­len Wis­sen­schaft­lern auch nach­weis­lich bestä­tigt. Eine fach­li­che Kri­tik hin­sicht­lich der Auf­ar­bei­tung der Expo­na­te ist dem Res­sort bis dato nicht bekannt.

Eine sol­che fach­li­che Kri­tik gibt es aber sehr wohl und wir haben bereits in Teil 2 unse­rer Serie aus sol­cher zitiert; die aktu­ells­te Quel­le war ein Buch der His­to­ri­ke­rin Ina Mar­ko­va von 2018 (1). Wir zitie­ren die über­aus kri­ti­schen Wor­te, die die Autorin für die HGM Dau­er­aus­stel­lung in Saal 7 fin­det, ger­ne noch einmal:

„Gene­rell arbei­tet die Aus­stel­lung mit wenig foto­gra­fi­schem Mate­ri­al, son­dern mit meist unkon­tex­tua­li­sier­ten Objek­ten. Grund­sätz­lich ist das Nar­ra­tiv jenes des ‚Phö­nix aus der Asche‘ – vom ‚Staat, den nie­mand woll­te‘, zur Erfolgs­ge­schich­te der Zwei­ten Repu­blik. Das HGM ist typisch für einen Zeit­geist, der sich in rück­wärts­ge­wand­ter Manier an das ‚gro­ße Erbe‘ der Mon­ar­chie klam­mert.“ (Mar­ko­va 2018, S. 164)

Die Aus­sa­ge der His­to­ri­ke­rin und ehe­ma­li­gen Rek­to­rin der Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te, Eva Blim­lin­ger, wonach das HGM eine „musea­li­sier­te Kaser­ne“ sei, geht zwar nicht als eine fach­li­che Kri­tik durch, ist aber immer­hin die pole­mi­sche Kri­tik einer Fach­frau. Der oben zitier­te „Falter“-Artikel bringt es prä­zi­se auf den Punkt: Das HGM habe „den Sprung in die moder­ne Muse­ums- und Wis­sen­schafts­sze­ne nie geschafft und prä­sen­tiert sich bis heu­te als patrio­tisch-nost­al­gi­sches Natio­nal­mu­se­um. 

Der Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter stellt zu die­sem The­ma aber auch Erfreu­li­ches in Aus­sicht. Zur Fra­ge 22c – war­um der Holo­caust auf dem Info-Blatt zu Saal 7 nicht erwähnt wer­de – heißt es u.a. etwa: „Eine didak­ti­sche Über­ar­bei­tung des besag­ten Saal­zet­tels ist bereits im Gan­ge“. 

Schluss

Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Star­lin­ger ant­wor­tet aus­führ­lich auf die Anfra­ge von Sabi­ne Schatz. Den­noch bleibt vie­les vage. Zudem ver­weist er oft­mals auf die noch lau­fen­den Unter­su­chun­gen der von ihm ein­ge­setz­ten Kom­mis­sio­nen, deren Ergeb­nis­se er nicht vor­weg­neh­men möch­te. Die zur Unter­su­chung des HGM-Shops ein­ge­setz­te Kom­mis­si­on soll­te bis Anfang Dezem­ber fer­tig sein. Die zwei­te Kom­mis­si­on recher­chiert zum zeit­ge­schicht­li­chen Saal 7 und soll­te auch noch im Dezem­ber fer­tig wer­den. Wir har­ren der Din­ge die da noch kom­men und wer­den berich­ten. 

1 Mar­ko­va, Ina (2018): Die NS-Zeit im Bild­ge­dächt­nis der Zwei­ten Repu­blik. Band 6, Der Natio­nal­so­zia­lis­mus und sei­ne Fol­gen. Innsbruck/Wien/Bozen: Stu­di­en­Ver­lag, S. 164–168.

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