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Rechtsextremes im letzten großen Staatsmuseum. Teil 4: Eine Panzerschau mit NS-Reliquien

Sie wird als Fami­li­en­event bewor­ben, die all­jähr­lich statt­fin­den­de Show „Auf Rädern und Ket­ten“. Pan­zer und ande­re mili­tä­ri­sche Gefähr­te wer­den ins Freie gerollt und dem Publi­kum haut­nah prä­sen­tiert. Ver­kaufs­stän­de von Pri­vat­per­so­nen und –fir­men umrah­men die Ver­an­stal­tung, es ist eine Art von Mili­tär­kir­tag, an dem neben aller­lei Mili­­ta­ria-Schrott hau­fen­wei­se NS-Reli­­qui­en feil­ge­bo­ten wer­den. Das unter den Augen des […]

6. Sep 2019
Am Gewehr (@ SdR)
Am Gewehr (@ SdR)

Pan­zer im Netz und in der Halle 

Der Schmiss ist nicht zu über­se­hen: Franz Brödl war ein Mit­glied der schla­gen­den rechts­extre­men Bur­schen­schaft Olym­pia, die ihm den „ehren­vol­len Aus­sprung“ gewähr­te, nach­dem er sein Stu­di­um abge­bro­chen hat­te. Seit 2015 ist er im HGM ange­stellt und war davor in „ver­schie­dens­ten Ver­wen­dun­gen als Offi­zier in der öster­rei­chi­schen Pan­zer­trup­pe“ tätig, wie es in einer kur­zen Selbst­be­schrei­bung auf dem HGM-Wis­sens­blog heißt. Brödl ist Refe­rent für „Waf­fen und Tech­nik“, betreut die tech­ni­sche Samm­lung des HGM und die 2017 eröff­ne­te Pan­zer­hal­le, an deren Gestal­tung er maß­geb­lich betei­ligt war.

Zudem prä­sen­tiert er in kur­zen Vide­os, die im offi­zi­el­len You­tube-Kanal des HGM erschei­nen, die Gerä­te aus der Pan­zer­hal­le. Ein sol­cher sechs­mi­nü­ti­ger Clip über den Jagd­pan­zer 38 „Het­zer“ erreicht immer­hin über 250.000 Auf­ru­fe auf You­tube. Die­se Klick­zahl ist erstaun­lich – es sind mehr als dop­pelt so vie­le Auf­ru­fe als jene aller ande­ren Vide­os zusam­men (1). Dabei wird es sich kaum um einen Zufall han­deln, denn es ist von den 23 auf You­tube ver­öf­fent­lich­ten Vide­os das ein­zi­ge, das einen Nazi-Pan­zer the­ma­ti­siert. Wobei „the­ma­ti­siert“ eine ver­harm­lo­sen­de For­mu­lie­rung ist, denn von einer his­to­risch-ana­ly­ti­schen und dem­entspre­chend sen­si­blen Behand­lung kann kei­ne Rede sein. Denn hier bekom­men Zuse­he­rIn­nen bei­na­he aus­schließ­lich die Fas­zi­na­ti­on für tech­ni­sche Details sowie für die Leis­tungs­fä­hig­keit des Geräts ver­mit­telt, aber kei­ne kri­ti­sche Ein­bet­tung in ein Kriegs­ge­sche­hen, bei dem die NS-Wehr­macht der Aggres­sor war und mit ihren Pan­zer­vor­mär­schen zunächst halb Euro­pa nie­der­walz­te. Ja, nicht ein­mal die Ängs­te einer Pan­zer­be­sat­zung, ihr Aus­ge­lie­fert­sein an eine Tech­nik, die für sie eben­so töd­lich sein konn­te wie für die von ihr Bedroh­ten sind The­ma. Viel­mehr erwe­cken etli­che For­mu­lie­run­gen den Ein­druck, es hand­le sich um ein Pro­mo-Video für den Panzer.

„Auf Rädern und Ketten“

Der­sel­be Franz Brödl war heu­er Orga­ni­sa­tor der jähr­lich statt­fin­den­den Ver­an­stal­tung „Auf Rädern und Ket­ten“, die – zwi­schen 31. Mai und 2. Juni 2019 – nun­mehr bereits zum zwölf­ten Mal über die Büh­ne ging. Der Ein­tritt zu die­ser Ver­an­stal­tung, die auch als Fami­li­en­event bewor­ben wird, ist kos­ten­los. Wir wur­den auf die Schau auf­grund ihrer frag­wür­di­gen Aus­rich­tung im letz­ten Jahr auf­merk­sam gemacht und haben uns heu­er an zwei Tagen umge­schaut und Fotos gemacht.

Bei der drei­tä­gi­gen Ver­an­stal­tung han­delt es sich laut HGM-Web­site um ein „inter­na­tio­na­les Mili­tär Old­ti­mer­tref­fen“; es gibt „Vor­füh­run­gen von Räder- und Ket­te­fahr­zeu­gen“, dazu einen „Old­ti­mer­floh­markt und zünf­ti­ge Gas­tro­no­mie mit Spe­zia­li­tä­ten vom Grill“. Die harm­los als „Old­ti­mer­floh­markt“ prä­sen­tier­ten Stän­de haben tat­säch­lich kaum ande­res ver­kauft als alte Waf­fen­tei­le (Maga­zi­ne, Patro­nen­hül­sen, Mes­ser und der­glei­chen), frag­wür­di­ge Devo­tio­na­li­en, glo­ri­fi­zie­ren­des NS-Bild­ma­te­ri­al und Pro­mo-Arti­kel für Neonazis.

Militaria (© SdR)
Mili­ta­ria (© SdR)
Militaria von "Pickelhaube" (© SdR)
Mili­ta­ria von „Pickel­hau­be” (© SdR)
Zum Verkauf: Fotos von Soldaten in NS-Uniform etc. (© SdR)
Zum Ver­kauf: Fotos von Sol­da­ten in NS-Uni­form, T‑Shirt mit dem NS-Kult­pan­zer „Tiger” etc. (© SdR)

An einem Stand wur­den etwa T‑Shirts mit der Auf­schrift „Legen­den ster­ben nicht – Deut­sche Wehr­macht“ und „Legen­den ster­ben nicht – Tiger“ – inklu­si­ve Abbil­dung des von Neo­na­zis ver­ehr­ten Tiger-Wehr­macht­pan­zers feilgeboten.

T-Shirt zum Verkauf: "Legenden sterben nicht – Deutsche Wehrmacht" (© SdR)
T‑Shirt zum Ver­kauf: „Legen­den ster­ben nicht – Deut­sche Wehr­macht” (© SdR)

Die­se Shirts waren nicht etwa in irgend­wel­chen Ramsch­kis­ten ver­gra­ben, son­dern hin­gen völ­lig offen im und neben dem Ver­kaufs­stand. Zudem gab es etli­che ver­herr­li­chen­de Foto­gra­fien von namen­lo­sen Män­nern mit NS-Abzei­chen und Uniformen.

NS-Uniform mit Hakenkreuz (© SdR)
NS-Uni­form mit Haken­kreuz (© SdR)
Fotoalben mit NS-Uniformen – inkl. Hakenkreuz (© SdR)
Foto­al­ben mit NS-Uni­for­men – inkl. Haken­kreuz (© SdR)

Ein Stand der Wie­ner Buch­hand­lung Stöhr, die als „Part­ner-Buch­hand­lung“ der rechts­extre­men Zeit­schrift „Neue Ord­nung“ geführt wird, fiel mit einer beacht­li­chen Anzahl an ein­schlä­gi­ger Lite­ra­tur auf.

NS-Literatur am Stand der Buchhandlung Stöhr (© SdR)
NS-Lite­ra­tur am Stand der Buch­hand­lung Stöhr (© SdR)
NS-Literatur am Stand der Buchhandlung Stöhr (© SdR)
NS-Lite­ra­tur am Stand der Buch­hand­lung Stöhr (© SdR)

Inwie­weit hier gegen das Ver­bots- und Abzei­chen­ge­setz ver­sto­ßen wur­de, wird sei­tens der Jus­tiz zu prü­fen sein. Dass Brödl und sei­ne Hel­fer nicht bemerkt hat­ten, was dort zum Ver­kauf stand, ist kaum mög­lich – man hät­te die Augen fest schlie­ßen müs­sen, um die frag­wür­di­gen Objek­te nicht zu sehen.

Die Panzerschau als Familienevent: Kinder auf Militärfahrzeugen und in Uniform (©SdR)
Die Pan­zer­schau als Fami­li­en­event: Kin­der auf Mili­tär­fahr­zeu­gen und in Uni­form (©SdR)
Frauen als "Währung" (© SdR)
Frau­en als „Wäh­rung” (© SdR)

Das Argu­ment mit den Besucherzahlen

War­um  aber unter­nimmt die Direk­ti­on nichts gegen die rechts­extre­men und revi­sio­nis­ti­schen Geschichts­deu­tun­gen, die sich rund um das HGM breit­ma­chen? War­um spielt das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um da mit?

Auch dazu gibt es – neben einer poli­ti­schen Dimen­si­on, dass das Trei­ben des HGM offen­bar nicht stört – eine Deu­tung. Das Minis­te­ri­um ist offen­bar mit den Besu­che­rIn­nen­zah­len des HGM zufrie­den, die seit 2005, als der neue Direk­tor Chris­ti­an Ort­ner instal­liert und sein Vor­gän­ger Man­fried Rau­chen­stei­ner in die Pen­si­on geschickt wur­de, tat­säch­lich stark gestei­gert wer­den konnten.

Wur­den im Jahr 2005 noch 62.984 Besu­che­rIn­nen gezählt, so waren es 2010 172.007 und 2018 gar 272.000. Das wäre tat­säch­lich eine sehr beein­dru­cken­de Ent­wick­lung. Sie wird allem Anschein nach aber in ers­ter Linie dadurch erreicht, dass bei den gro­ßen Publi­kum­se­vents des HGM, „Mon­tur & Pul­ver­dampf“, „Auf Rädern & Ket­ten“ (und an Sonn­ta­gen),  der Zäh­ler beim Dreh­kreuz mit­läuft, obwohl kein Ein­tritt ver­langt wird. Der bemer­kens­wer­te Vor­gang hat sogar sei­ne lite­ra­ri­sche Wür­di­gung gefun­den. In dem Roman von Ele­na Mess­ner „Das lan­ge Echo“  heißt es dazu leicht ver­frem­det, dass es die Direk­to­rin des HGM geschafft habe, „die Besu­cher­zah­len des Muse­ums zu ver­drei­fa­chen, und zwar nicht auf dem Wege der Ein­tritts­preis­re­du­zie­rung …“.

Ver­gleicht  man die Anga­ben zu der fik­ti­ven Direk­to­rin in Mess­ners Roman mit den Anga­ben zum ech­ten Direk­tor auf Wiki­pe­dia, dann fal­len die Ähn­lich­kei­ten auf – und der Hin­weis auf den Wer­ner Hahl­weg-Preis, der 2008 auch an den ech­ten Direk­tor ver­lie­hen wur­de. Hahl­weg war nicht nur in den 1930er-Jah­ren Volon­tär am Öster­rei­chi­schen Hee­res­mu­se­um (dem Vor­gän­ger des HGM), son­dern so etwas wie Chef­ideo­lo­ge und Chef­pla­ner für NS-Mili­tär­mu­se­en sowie Mit­glied der SS und der NSDAP. 2012 wur­de in Deutsch­land die Nazi-Ver­gan­gen­heit von Hahl­weg the­ma­ti­siert — der Wer­ner Hahl­weg-Preis wird seit­her nicht mehr ver­ge­ben. Der Direk­tor des HGM schmückt sich nach wie vor mit dem Preis.

Dem Ver­neh­men nach tra­gen Besu­che­rIn­nen des Advent­mark­tes vor dem HGM eben­falls zur Stei­ge­rung der Ein­tritts­zah­len bei, denn die müs­sen durchs Zähl­dreh­kreuz des HGM, wenn sie aufs WC gehen.

Museumsdir. Ortner im Wikipedia-Eintrag und Ausschnitt Elena Messner, Das lange Echo
Muse­ums­dir. Ort­ner im Wiki­pe­dia-Ein­trag und Aus­schnitt Ele­na Mess­ner, Das lan­ge Echo

 

„Krie­ge gehö­ren ins Muse­um” lau­tet der Wer­be­slo­gan des HGM. Genau genom­men stellt es aber weder ein Kriegs­mu­se­um noch ein rei­nes Armee­mu­se­um dar. Im Ver­gleich etwa zum Impe­ri­al War Muse­um in Lon­don hängt die Prä­sen­ta­ti­on zu sehr am Mate­ri­el­len, an den „Beu­te­stü­cken” der Samm­lung. Zu den wich­tigs­ten Expo­na­ten zäh­len ein tür­ki­sches Audi­enz­zelt, der Prunk­sä­bel von Feld­mar­schall Radetz­ky sowie das ange­schos­se­ne Auto und die zer­fetz­te Uni­form von Erz­her­zog Franz Fer­di­nand. Am ehes­ten ent­spricht das HGM dem anti­quier­ten Kon­zept eines „Natio­nal­mu­se­ums”. Patrio­tisch-nost­al­gi­scher Geschichts­stolz durch­zieht die­se Insti­tu­ti­on, die heu­te noch regel­mä­ßig „k.u.k. Kano­nen­don­ner” abfeu­ert. Der ehe­ma­li­ge Direk­tor Man­fried Rau­chen­stei­ner kämpf­te in den 1990er-Jah­ren dar­um, das HGM in die­se Rich­tung noch wei­ter aus­zu­bau­en, konn­te aber kei­ne Gel­der dafür auftreiben.
Fal­ter” Nr. 35 / 2019 vom 28.08.2019

 

„Das Hee­res­mu­se­um im Wie­ner Arse­nal hat vor lau­ter Waf­fen kei­nen Platz für Fragen“
Robert Som­mer, Redak­teur des „Augus­tin“

 

„Die­ses Muse­um gehört ins Museum“
„A rich­ti­ges Kai­ser­wet­ter heu­te“, höre ich, wäh­rend ich noch die Chai­se­longue bewun­de­re, den Muse­ums­auf­pas­ser sei­ner jun­gen Kol­le­gin zuru­fen. Und in die­sem Raum beginnt, was sich durch das Muse­um, den Roman Mess­ners und die gesam­te öster­rei­chi­sche Natio­nal­ge­schichts­schrei­bung zieht: der Opfer­kult. Das HGM ist laut Eigen­be­schrei­bung das „Image­mu­se­um des Öster­rei­chi­schen Bun­des­hee­res“. Was zeigt man? Uni­for­men, Waf­fen und Nie­der­la­gen. Vor allem den Ers­ten Welt­krieg und tote Mon­ar­chen, aber auch „Maria The­re­sia“ und dem 30jährigen Krieg mit­samt den „Tür­ken und Prinz Eugen“ sind Räu­me gewid­met. Sozi­al­ge­schich­te? Kul­tur­ge­schich­te? Kriegs­trei­be­rei und impe­ria­les Groß­macht­stre­ben? Davon hat man hier noch nichts gehört. Auch davon, dass Krieg auch mit Leid, und zwar nicht nur im eige­nen Land – wohl­ge­merkt in die­sem Fall dem Land der Täter –, son­dern auch und ins­be­son­de­re an jenen Orten, die man besetzt und angreift, zu tun hat und es – weni­ge aber doch – immer wie­der Stim­men, Par­tei­en und sozia­le Grup­pen gibt, die sich gegen die jeweils geführ­ten Krie­ge aus­spre­chen, davon spricht man in die­sem Muse­um lie­ber nicht.
Mal­moe 2015

zu Teil 1: Das HGM als iden­ti­tä­re Projektionsfläche
zu Teil 2: Der zeit­ge­schicht­li­che Saal als Steil­vor­la­ge für rechts­extre­me Umdeu­tun­gen der Geschichte
zu Teil 3: Rechts­extre­me Lite­ra­tur und Wehr­machts­pan­zer im Museumsshop
zu Teil 5: Der Minis­ter lässt die Vor­wür­fe prüfen

Fuß­no­ten

1 HGM-You­tube-Kanal, zuletzt ein­ge­se­hen am 03.07.2019