Panzer im Netz und in der Halle
Der Schmiss ist nicht zu übersehen: Franz Brödl war ein Mitglied der schlagenden rechtsextremen Burschenschaft Olympia, die ihm den „ehrenvollen Aussprung“ gewährte, nachdem er sein Studium abgebrochen hatte. Seit 2015 ist er im HGM angestellt und war davor in „verschiedensten Verwendungen als Offizier in der österreichischen Panzertruppe“ tätig, wie es in einer kurzen Selbstbeschreibung auf dem HGM-Wissensblog heißt. Brödl ist Referent für „Waffen und Technik“, betreut die technische Sammlung des HGM und die 2017 eröffnete Panzerhalle, an deren Gestaltung er maßgeblich beteiligt war.
Zudem präsentiert er in kurzen Videos, die im offiziellen Youtube-Kanal des HGM erscheinen, die Geräte aus der Panzerhalle. Ein solcher sechsminütiger Clip über den Jagdpanzer 38 „Hetzer“ erreicht immerhin über 250.000 Aufrufe auf Youtube. Diese Klickzahl ist erstaunlich – es sind mehr als doppelt so viele Aufrufe als jene aller anderen Videos zusammen (1). Dabei wird es sich kaum um einen Zufall handeln, denn es ist von den 23 auf Youtube veröffentlichten Videos das einzige, das einen Nazi-Panzer thematisiert. Wobei „thematisiert“ eine verharmlosende Formulierung ist, denn von einer historisch-analytischen und dementsprechend sensiblen Behandlung kann keine Rede sein. Denn hier bekommen ZuseherInnen beinahe ausschließlich die Faszination für technische Details sowie für die Leistungsfähigkeit des Geräts vermittelt, aber keine kritische Einbettung in ein Kriegsgeschehen, bei dem die NS-Wehrmacht der Aggressor war und mit ihren Panzervormärschen zunächst halb Europa niederwalzte. Ja, nicht einmal die Ängste einer Panzerbesatzung, ihr Ausgeliefertsein an eine Technik, die für sie ebenso tödlich sein konnte wie für die von ihr Bedrohten sind Thema. Vielmehr erwecken etliche Formulierungen den Eindruck, es handle sich um ein Promo-Video für den Panzer.
„Auf Rädern und Ketten“
Derselbe Franz Brödl war heuer Organisator der jährlich stattfindenden Veranstaltung „Auf Rädern und Ketten“, die – zwischen 31. Mai und 2. Juni 2019 – nunmehr bereits zum zwölften Mal über die Bühne ging. Der Eintritt zu dieser Veranstaltung, die auch als Familienevent beworben wird, ist kostenlos. Wir wurden auf die Schau aufgrund ihrer fragwürdigen Ausrichtung im letzten Jahr aufmerksam gemacht und haben uns heuer an zwei Tagen umgeschaut und Fotos gemacht.
Bei der dreitägigen Veranstaltung handelt es sich laut HGM-Website um ein „internationales Militär Oldtimertreffen“; es gibt „Vorführungen von Räder- und Kettefahrzeugen“, dazu einen „Oldtimerflohmarkt und zünftige Gastronomie mit Spezialitäten vom Grill“. Die harmlos als „Oldtimerflohmarkt“ präsentierten Stände haben tatsächlich kaum anderes verkauft als alte Waffenteile (Magazine, Patronenhülsen, Messer und dergleichen), fragwürdige Devotionalien, glorifizierendes NS-Bildmaterial und Promo-Artikel für Neonazis.
An einem Stand wurden etwa T‑Shirts mit der Aufschrift „Legenden sterben nicht – Deutsche Wehrmacht“ und „Legenden sterben nicht – Tiger“ – inklusive Abbildung des von Neonazis verehrten Tiger-Wehrmachtpanzers feilgeboten.
Diese Shirts waren nicht etwa in irgendwelchen Ramschkisten vergraben, sondern hingen völlig offen im und neben dem Verkaufsstand. Zudem gab es etliche verherrlichende Fotografien von namenlosen Männern mit NS-Abzeichen und Uniformen.
Ein Stand der Wiener Buchhandlung Stöhr, die als „Partner-Buchhandlung“ der rechtsextremen Zeitschrift „Neue Ordnung“ geführt wird, fiel mit einer beachtlichen Anzahl an einschlägiger Literatur auf.
Inwieweit hier gegen das Verbots- und Abzeichengesetz verstoßen wurde, wird seitens der Justiz zu prüfen sein. Dass Brödl und seine Helfer nicht bemerkt hatten, was dort zum Verkauf stand, ist kaum möglich – man hätte die Augen fest schließen müssen, um die fragwürdigen Objekte nicht zu sehen.
Das Argument mit den Besucherzahlen
Warum aber unternimmt die Direktion nichts gegen die rechtsextremen und revisionistischen Geschichtsdeutungen, die sich rund um das HGM breitmachen? Warum spielt das Verteidigungsministerium da mit?
Auch dazu gibt es – neben einer politischen Dimension, dass das Treiben des HGM offenbar nicht stört – eine Deutung. Das Ministerium ist offenbar mit den BesucherInnenzahlen des HGM zufrieden, die seit 2005, als der neue Direktor Christian Ortner installiert und sein Vorgänger Manfried Rauchensteiner in die Pension geschickt wurde, tatsächlich stark gesteigert werden konnten.
Wurden im Jahr 2005 noch 62.984 BesucherInnen gezählt, so waren es 2010 172.007 und 2018 gar 272.000. Das wäre tatsächlich eine sehr beeindruckende Entwicklung. Sie wird allem Anschein nach aber in erster Linie dadurch erreicht, dass bei den großen Publikumsevents des HGM, „Montur & Pulverdampf“, „Auf Rädern & Ketten“ (und an Sonntagen), der Zähler beim Drehkreuz mitläuft, obwohl kein Eintritt verlangt wird. Der bemerkenswerte Vorgang hat sogar seine literarische Würdigung gefunden. In dem Roman von Elena Messner „Das lange Echo“ heißt es dazu leicht verfremdet, dass es die Direktorin des HGM geschafft habe, „die Besucherzahlen des Museums zu verdreifachen, und zwar nicht auf dem Wege der Eintrittspreisreduzierung …“.
Vergleicht man die Angaben zu der fiktiven Direktorin in Messners Roman mit den Angaben zum echten Direktor auf Wikipedia, dann fallen die Ähnlichkeiten auf – und der Hinweis auf den Werner Hahlweg-Preis, der 2008 auch an den echten Direktor verliehen wurde. Hahlweg war nicht nur in den 1930er-Jahren Volontär am Österreichischen Heeresmuseum (dem Vorgänger des HGM), sondern so etwas wie Chefideologe und Chefplaner für NS-Militärmuseen sowie Mitglied der SS und der NSDAP. 2012 wurde in Deutschland die Nazi-Vergangenheit von Hahlweg thematisiert — der Werner Hahlweg-Preis wird seither nicht mehr vergeben. Der Direktor des HGM schmückt sich nach wie vor mit dem Preis.
Dem Vernehmen nach tragen BesucherInnen des Adventmarktes vor dem HGM ebenfalls zur Steigerung der Eintrittszahlen bei, denn die müssen durchs Zähldrehkreuz des HGM, wenn sie aufs WC gehen.
„Kriege gehören ins Museum” lautet der Werbeslogan des HGM. Genau genommen stellt es aber weder ein Kriegsmuseum noch ein reines Armeemuseum dar. Im Vergleich etwa zum Imperial War Museum in London hängt die Präsentation zu sehr am Materiellen, an den „Beutestücken” der Sammlung. Zu den wichtigsten Exponaten zählen ein türkisches Audienzzelt, der Prunksäbel von Feldmarschall Radetzky sowie das angeschossene Auto und die zerfetzte Uniform von Erzherzog Franz Ferdinand. Am ehesten entspricht das HGM dem antiquierten Konzept eines „Nationalmuseums”. Patriotisch-nostalgischer Geschichtsstolz durchzieht diese Institution, die heute noch regelmäßig „k.u.k. Kanonendonner” abfeuert. Der ehemalige Direktor Manfried Rauchensteiner kämpfte in den 1990er-Jahren darum, das HGM in diese Richtung noch weiter auszubauen, konnte aber keine Gelder dafür auftreiben.
Falter” Nr. 35 / 2019 vom 28.08.2019
„Das Heeresmuseum im Wiener Arsenal hat vor lauter Waffen keinen Platz für Fragen“
Robert Sommer, Redakteur des „Augustin“
„Dieses Museum gehört ins Museum“
„A richtiges Kaiserwetter heute“, höre ich, während ich noch die Chaiselongue bewundere, den Museumsaufpasser seiner jungen Kollegin zurufen. Und in diesem Raum beginnt, was sich durch das Museum, den Roman Messners und die gesamte österreichische Nationalgeschichtsschreibung zieht: der Opferkult. Das HGM ist laut Eigenbeschreibung das „Imagemuseum des Österreichischen Bundesheeres“. Was zeigt man? Uniformen, Waffen und Niederlagen. Vor allem den Ersten Weltkrieg und tote Monarchen, aber auch „Maria Theresia“ und dem 30jährigen Krieg mitsamt den „Türken und Prinz Eugen“ sind Räume gewidmet. Sozialgeschichte? Kulturgeschichte? Kriegstreiberei und imperiales Großmachtstreben? Davon hat man hier noch nichts gehört. Auch davon, dass Krieg auch mit Leid, und zwar nicht nur im eigenen Land – wohlgemerkt in diesem Fall dem Land der Täter –, sondern auch und insbesondere an jenen Orten, die man besetzt und angreift, zu tun hat und es – wenige aber doch – immer wieder Stimmen, Parteien und soziale Gruppen gibt, die sich gegen die jeweils geführten Kriege aussprechen, davon spricht man in diesem Museum lieber nicht.
Malmoe 2015
zu Teil 1: Das HGM als identitäre Projektionsfläche
zu Teil 2: Der zeitgeschichtliche Saal als Steilvorlage für rechtsextreme Umdeutungen der Geschichte
zu Teil 3: Rechtsextreme Literatur und Wehrmachtspanzer im Museumsshop
zu Teil 5: Der Minister lässt die Vorwürfe prüfen
Fußnoten
1 HGM-Youtube-Kanal, zuletzt eingesehen am 03.07.2019