Rechtsextremes im letzten großen Staatsmuseum. Teil 5: Der Minister lässt die Vorwürfe prüfen

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Das Hee­res­ge­schicht­li­che Muse­um (HGM) ist nicht nur der ältes­te Muse­ums­bau Wiens, son­dern auch das letz­te Muse­um Öster­reichs, das von einem Bun­des­mi­nis­te­ri­um gelei­tet wird. Trotz die­ser sen­si­blen öffent­li­chen Stel­lung fin­det im HGM eine zutiefst rück­wärts­ge­wand­te Geschichts­ver­mitt­lung statt, die von Hel­den­ver­eh­rung und Mon­ar­chie­ver­klä­rung mit­un­ter bis hin zu einer Offen­heit für Rechts­extre­mis­mus und Geschichts­re­vi­sio­nis­mus reicht. Jetzt – nach unse­rer bzw. der Bericht­erstat­tung von „Kurier“ und „Stan­dard“ und den poli­ti­schen Reak­tio­nen – tut sich aber einiges.

Mitt­ler­wei­le ist klar: das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um will die Vor­gän­ge und Vor­fäl­le im Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um über­prü­fen las­sen. Nach den Recher­chen von „Stoppt die Rech­ten“ und den Berich­ten von „Der Stan­dard“, „Kurier“ (nur über Regis­trie­rung les­bar) und dem Blog „Semio­sis“ hat das Minis­te­ri­um bzw. Minis­ter Star­lin­ger reagiert. Eine Kom­mis­si­on wird mit der Unter­su­chung der Vor­wür­fe zum HGM beauf­tragt. Der Vor­wür­fe gibt es mehr als genug – es wird wohl nicht zuletzt von der Zusam­men­set­zung der Kom­mis­si­on abhän­gen, ob sie geklärt und berei­nigt werden.

Im Fall von Dr. Ilse Krum­pöck geht es wohl weni­ger um Berei­ni­gung als um eine nach­träg­li­che Klä­rung. Die His­to­ri­ke­rin war im HGM Lei­te­rin des Refe­rats für Kunst­ge­schich­te und wur­de „aus dem brau­nen Sumpf“ hin­aus­ge­mobbt, wie sie in einem Mail an den „Kurier“ (das sie auch uns zur Ver­fü­gung gestellt hat) schreibt:

End­lich! Dan­ke! Als ehe­ma­li­ge Kunst­his­to­ri­ke­rin und hin­aus gemobb­te Vor­gän­ge­rin von Dr. K. [Abkür­zung durch SdR] im HGM, die sich selbst am Schopf aus dem brau­nen Sumpf her­aus­zie­hen muss­te, weil sie 15 Jah­re hin­durch von den Behör­den kei­ne Hil­fe erhielt — obwohl sie Gott und die Welt über die Zustän­de im HGM infor­mier­te — freue ich mich über jede Ihrer Zei­len. Mir fällt ein Stein vom Her­zen bei dem Gedan­ken, dass nun end­lich das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um aktiv wird. Mei­ne 2008 vor­ge­brei­te­te Kla­ge, die von der Gewerk­schaft unter­stützt wor­den wäre, müss­te eigent­lich noch ein­seh­bar sein. Nach dem Tod mei­nes Man­nes war für mich alles rela­tiv und ich such­te ein Rück­zugs­ge­biet auf.

Jetzt müss­ten wir eigent­lich noch den von Krum­pöck genann­ten Dr. K. ali­as „Pap­pen­heim“ etwas genau­er vor­stel­len, aber da ver­wei­sen wir vor­läu­fig auf den Blog „Semio­sis“ und den „Kurier“.

Der schla­gen­de Bur­schen­schaf­ter, der so illus­tren Ver­bin­dun­gen wie der (aka­de­mi­schen) Gothia Wien und der pen­na­len Ger­ma­nia Libe­ra zu Mis­tel­bach ange­hört, ist ver­mut­lich auch der, der vom FPÖ-Gene­ral­se­kre­tär Chris­ti­an Hafenecker in einer Pres­se­aus­sendung unter sei­nen beson­de­ren Schutz gestellt wur­de. Eine auch für einen FPÖ-Gene­ral­se­kre­tär nicht ganz ein­fa­che Ange­le­gen­heit, denn einer­seits muss sei­ner Ansicht nach über das, was „in den Ver­kaufs­vi­tri­nen des Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­ums ange­bo­ten wird, (…) natür­lich nach­ge­dacht wer­den“, ande­rer­seits darf ein Bur­schen­schaf­ter mit rechts­extre­men Posi­tio­nen nicht kri­ti­siert wer­den. Hafenecker:

Wird nun von die­sen Pro­po­nen­ten ein Berufs­ver­bot im staats­na­hen Bereich für alle jene gefor­dert, die frei­heit­lich sind, oder im bur­schen­schaft­li­chen Umfeld zu ver­or­ten sind? Die­se demo­kra­tie­feind­li­chen, links­extre­men Ten­den­zen sind genau zu beob­ach­ten und gege­be­nen­falls auch recht­lich zu verfolgen.

Abge­se­hen von Hafenecker sind die poli­ti­schen Reak­tio­nen auf unse­re Recher­chen und die Berich­te zum HGM aber sehr ein­deu­tig. Die Kul­tur­spre­che­rIn­nen von SPÖ (Tho­mas Droz­da), Lis­te Jetzt (Wolf­gang Zinggl) und Grü­nen (Eva Blim­lin­ger) sind sich dar­in einig, dass das HGM aus dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um her­aus­ge­löst und in die Bun­des­mu­se­en inte­griert wer­den soll­te und zuvor die Vor­wür­fe rasch zu klä­ren seien.

Wolf­gang Zinggl hat auch noch eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge zu rechts­extre­men Umtrie­ben am Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um ver­fasst, die wir hier in Aus­zü­gen zitieren:

Der Stan­dard und der Blog Stoppt die Rech­ten berich­tet von Wehr­machts­pan­zer-Model­len im Muse­ums-Shop des Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­ums, von Ver­kaufs­stän­den Drit­ter bei einer HMG-Ver­an­stal­tung, bei denen neben Nazi-Devo­tio­na­li­en auch Wehr­machts-Mer­chan­di­se ver­kauft wur­de, und von einem Ver­kaufs­stand, wo als Wäh­rung auch „girls“ akzep­tiert wür­den. (Quel­len: https://www.derstandard.at/story/2000108269847/wehrmachts-merchandise-im-heeresgeschichtlichen-museum; https://www.stopptdierechten.at/2019/09/06/rechtsextremes-im-letzten-grossen-staatsmuseum-teil-4-eine-panzerschau-mit-ns-reliquien/)

Der KURIER berich­tet wie­der­um, dass ein Mit­ar­bei­ter des Muse­ums ver­deckt auf Wiki­pe­dia aktiv ist, und dort Fotos von Nazi-Kunst­wer­ken unkom­men­tiert hoch­lädt. Auch wird über ein völ­lig unge­nü­gen­des Aus­stel­lungs­kon­zept beson­ders hin­sicht­lich der Prä­sen­ta­ti­on von Schau­stü­cken aus dem Natio­nal­so­zia­lis­mus infor­miert. Die fach­li­che Qua­li­tät und der ideo­lo­gi­sche Hin­ter­grund nicht nur des Direk­tors des Muse­ums sei frag­lich. Zitat einer Kunst­his­to­ri­kern zu einem vom Mit­ar­bei­ter erstell­ten Wikipedia-Text:

„Wür­de ein Stu­dent von mir so einen völ­lig unkri­ti­schen Text schrei­ben, wür­de ich ihm den um die Ohren hau­en. Ich bin ent­setzt, dass heut­zu­ta­ge so etwas noch mög­lich ist. Die­ser Mann ent­stammt einer ande­ren Gene­ra­ti­on.“ Die Kunst­his­to­ri­ke­rin woll­te dem KURIER anfangs nicht glau­ben, dass es sich beim Ver­fas­ser um einen stu­dier­ten His­to­ri­ker han­delt. „Der Text ist völ­lig unpro­fes­sio­nell und reiht ohne Ein­ord­nung posi­ti­vis­ti­sche Din­ge anein­an­der.“ Außer­dem berich­tet die Zei­tung über Ein­schüch­te­run­gen der Mit­ar­bei­ter bei Kri­tik und über die Mani­pu­la­ti­on von Besucherzahlen. (…)

Aus die­sem Grund stel­len die unter­fer­ti­gen­den Abge­ord­ne­ten folgende 

Anfra­ge:

  1. Waren die­se Vor­wür­fe oder Tei­le der Vor­wür­fe vor dem Bekannt­wer­den in den Medi­en bereits aktenkundig?
  2. In wel­cher Form wer­den die­se Vor­wür­fe gegen die Lei­tung des Muse­ums und eini­ge sei­ner Mit­ar­bei­ter sei­tens des Minis­te­ri­ums untersucht?
  3. In wel­cher Form geden­ken Sie dem Par­la­ment und der Öffent­lich­keit davon Bericht zu erstatten?
  4. Wer (wel­che Sek­ti­on) ist in Ihrem Minis­te­ri­um für die Kon­trol­le des Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­ums zuständig?
  5. In wel­cher Form wur­de die­se Kon­trol­le in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ausgeübt?
  6. Zu wel­chem Ergeb­nis sind die Kon­trol­len des Muse­ums gekommen?
  7. Wur­den die ent­spre­chen­den Berich­te veröffentlicht?
    a. Falls nein: Wer­den Sie die­se Berich­te veröffentlichen?
  8. Wel­che fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on ist aus Ihrer Sicht für die Direk­ti­on des Muse­ums maßgeblich?
  9. Erfüllt der der­zei­ti­ge Direk­tor des Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­ums die­se Bedingungen?
  10. Nach wel­chem Kon­zept wird das Muse­um der­zeit gestaltet?
  11. Liegt die­ses Kon­zept dem Minis­te­ri­um vor?
    a. Falls ja: Seit wann? In wel­cher Form wur­de es wann von wem genehmigt?
    b. Falls nein: Wur­de sei­tens des Minis­te­ri­ums ein sol­ches Kon­zept eingefordert?
  12. Was sind aus Ihrer Sicht die muse­ums­di­dak­ti­schen und grund­sätz­li­chen Leit­li­ni­en, die bei der Behand­lung des NS-Zeit in einem Muse­um zu beach­ten sind?
  13. Ent­spricht die der­zei­ti­ge Gestal­tung der Schau­räu­me des Muse­ums die­sen Leitlinien?
    a. Falls ja: Wie begrün­det das Minis­te­ri­um die­se Einschätzung?
    b. Falls nein: Wie geden­ken Sie, die Gestal­tung zu ändern?
  14. Gibt es Richt­li­ni­en für den Umgang mit NS-Kunst in den Schau­räu­men des Museums?
    a. Falls ja: Was besa­gen die­se Richtlinien?
    b. Falls nein: Pla­nen Sie, ent­spre­chen­de Vor­ga­ben in Zusam­men­ar­beit mit kunst­his­to­ri­schen Exper­tin­nen und Exper­ten zu erarbeiten?
  15. Gibt es Leit­li­ni­en des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums für Akti­vi­tä­ten von Muse­ums-Mit­ar­bei­tern in der Wikipedia?
    a. Falls ja: Was besa­gen die­se Leitlinien?
    b. Falls nein: Wäre es aus Ihrer Sicht kor­rekt, wenn ein Mit­ar­bei­ter des Muse­ums ideo­lo­gie­po­li­ti­sche Akti­vi­tä­ten für das poli­tisch drit­te Lager in Wiki­pe­dia entfaltet?

zu Teil 1: Das HGM als iden­ti­tä­re Projektionsfläche
zu Teil 2: Der zeit­ge­schicht­li­che Saal als Steil­vor­la­ge für rechts­extre­me Umdeu­tun­gen der Geschichte
zu Teil 3: Rechts­extre­me Lite­ra­tur und Wehr­machts­pan­zer im Museumsshop
zu Teil 4: Eine Pan­zer­schau mit NS-Reliquien