Mitte August war für den Klubobmann der ÖVP im Nationalrat klar: Das Verbot der Identitären wird eine Koalitionsbedingung für die ÖVP nach den Nationalratswahlen. Die Ansage, die allgemein als wahltaktisches Manöver in Richtung FPÖ interpretiert wurde, ist damals von der FPÖ prompt zurückgewiesen, aber auch von Verfassungsjuristen sehr skeptisch aufgenommen worden. Als der Tiroler SPÖ-Landesparteivorsitzende Georg Dornauer wenige Tage später dem rechtsextremen Magazin „Info-Direkt“ bereitwilligst ein Interview gab („Ich rede mit allen“), war die öffentliche Kritik groß und Dornauer musste wieder zurückrudern.
Dass zeitgleich auch ÖVP-Altkanzler Kurz bei „Info-Direkt“ mit einem Interview präsentiert wurde, erklärte die ÖVP damit, dass ein Redakteur des Magazins schon Monate zuvor „nicht angemeldet oder akkreditiert“ wohl einige Fragen gestellt habe, das „Interview allerdings weder vereinbart noch autorisiert“ worden sei, wie „Die Presse“ (26.8.2019) berichtete.
Das kann man vielleicht noch glauben wollen. Wenn dann allerdings Wochen später bei „Info-Direkt“ ein Interview mit dem Klubobmann der ÖVP im Nationalrat, August Wöginger, erscheint, in dem sich Wöginger und die ÖVP als „heimatverbunden“ präsentieren, dann kann die von Wögingers Sprecherin gegenüber „Oe24“präsentierte Erklärung, „Herr Wöginger wusste nicht, mit wem er spricht. Die Redakteure des Magazins haben sich nicht bei ihm vorgestellt und zu erkennen gegeben“, wohl nur mehr als billige Ausrede interpretiert werden.
Das sieht auch der Redakteur des identitären Organs „Tagesstimme“ so, der seine Kameraden von „Info-Direkt“ gleich mit Insider-Infos verteidigt. Der via Info-Direkt veröffentlichte Audiomitschnitt belegt denn auch, dass sich der Wöginger angeblich unbekannte Autor vorgestellt hat, und zwar mit Name (Scharfmüller) und Magazin-Titel.
Ein ÖVP-Klubobmann, der nichts mitgekriegt haben will vom Dornauer-Interview, auch nicht vom verunglückten Interview mit seinem Chef Sebastian, der nicht weiß, dass „Info-Direkt“ ziemlich identitär bzw. rechtsextrem ist?
Hier, bittehttps://t.co/YIgudOYK2Y
— Ayranman© (@Lesart_) 9. September 2019
Ein solcher ÖVP-Spitzenfunktionär ist jedenfalls in bester Gesellschaft mit der FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel, die auch nicht mitgekriegt haben will, dass sie am Wochenende auf einer Demo der Identitären mitgelatscht ist. Mit Fackel und Rede. Dass die Demo zur türkischen Belagerung von 1683 von den Identitären propagiert und organisiert wurde, sei ihr nicht bewusst gewesen, so Stenzel, die sich jetzt – das muss man erst einmal unter einen Hut bringen! – von den Identitären distanziert, von der identitären Beteiligung an der Demo nichts gewusst haben, aber wieder zu 1683 demonstrieren will – mit Rücktrittsforderungen aus so ziemlich allen politischen Lagern konfrontiert sieht.
Die FPÖ selbst hat es auch nicht gerade leicht, den rechtsextremen Ausflug von Stenzel einzuordnen. Während die Wiener Stadträtin in ersten Rechtfertigungsversuchen der Partei zunächst als „einfaches Mitglied“ eingestuft wurde, ist sie dann von FPÖ-Generalsekretär Vilimsky zur „untadeligen Grande Dame“ hochgejazzt worden. Für Norbert Hofer wäre die Funktion von Stenzel im April dieses Jahres eigentlich noch völlig egal gewesen. Damals war es für ihn noch „unvorstellbar, dass jemand, der bei uns aktiv ist – egal auf welcher Ebene –, sagt: ‚Ich spende etwas oder ich gehe zu einer Veranstaltung oder Demo’“ der Identitären (News, 11.4.2019).
Weil Norbert Hofer aber am nächsten Wochenende zum Parteivorsitzenden der FPÖ gewählt werden will, zählt die Aussage vom April nicht mehr so wirklich.