Es stellt sich schon einmal die Frage, welcher Verlag eine Publikation in sein Programm aufnimmt, die „an Skurrilität und Schwülstigkeit nicht zu überbieten ist. (…) Mit der ersten Begegnung von Grohmann und Kurz beginnt auch der schwülstige Prolog, der stilistisch eher an einen gymnasialen Erlebnisaufsatz erinnert.“ (derstandard.at, 6.9.19) Unter dem Twitter-Hashtag #50shadesofkurz ergoss sich auch reichlich Spott über die Kurz-Huldigungsschrift von Judith Grohmann. Fragt sich, welcher Verlag denn bereit war, das Buch bei sich herauszugeben. Es fand sich einer, nämlich der deutsche „FinanzBuch Verlag“ für die von der ÖVP autorisierte Biografie.
So lagen wir in seinem Bett, die Bettwäsche roch nach zarten Rosenblüten.
Er beugte sich mit seinem starken Körper über meinen Körper und verlangte, dass ich ihm etwas Schmutziges sage.
So dies sein Wille war, hauchte ich ihm zart ins Ohr: „Erbschaftsteuer“. #50shadesofkurz— Raffaela (@DieRaffa) 5. September 2019
Bereits im April diesen Jahres beschäftigte sich der Blog „bkramer.noblogs.org – Dokumentieren gegen Rechts“ ausgiebig mit dem „FinanzBuch Verlag“ (1). Der Anlass war die jüngste Hetzschrift von Thilo Sarrazin („Feindliche Übernahme“), die Sarrazins ursprünglicher Verlag (Random House) nicht mehr herausbringen wollte. Der „FinanzBuch Verlag“ (FBV) sprang ein, Sarrazins Buch erschien dort im August 2018.
Die dem Springer Verlag zugehörige deutsche Tageszeitung „Die Welt“ fragte sich im Juli 2018, ob „der AfD-Geist in Thilo Sarrazins neuem Verlag“ weht: „Sarrazin wird sich in seinem neuen Verlag heimisch fühlen: Hier sind Merkel-Kritik, Euro-Skepsis und Bücher von ‚Tichys Einblick’.“ (Die Welt, 14.7.18 – Artikel hinter Paywall) Und „Die Welt“ beantwortet die Frage in für ihr Klientel beruhigender Art und Weise: „Im Finanzbuch-Verlag steckt allerdings mehr Bernd Lucke als Gauland.“ Denn:
Das Online-Portal „Tichys Einblick“ kuratiert bei FBV eine eigene Buchreihe. Von einzelnen, dann doch eher im Sieferle-Sound daherkommenden Autoren (https://www.welt.de/themen/autoren/) wie dem konservativen Briten und „Spectator“- Autor Douglas Murray („Der Selbstmord Europas. Immigration, Identität, Islam“ (https://www.m‑vg.de/finanzbuchverlag/shop/article/13874-der-selbstmord-europas/)) sollte man sich nicht täuschen lassen: Aus den meisten FBV-Titeln spricht kein ressentimentgeladenes, sondern ein realpolitisches Programm. Es geht um volkswirtschaftliche statt um völkische Sorgen. Der Verlag richtet sich ganz offenkundig an Leute, die an Law & Order nichts verwerflich und an reichen Menschen nichts Obszönes finden, im Gegenteil.
Realpolitische Sorgen sind es also, die die AutorInnen des FBV ansprechen und die „Law and Order“ und reiche Menschen ok finden. Na dann passt doch die Kurz-Bio schon einmal bestens dazu, zumal Kurz genau diese Kundschaft bedient (und von ihr, den Reichen, bedient wird). Jedoch finden sich auch eine Reihe von AutorInnen, die der extremen Rechten zuzurechnen sind und keinerlei Berührungsängste zeigen, bei einschlägigen Veranstaltungen aufzutreten oder in rechtsextremen Medien, wie etwa der „Jungen Freiheit“, „Tichys Einblick“, „Achse des Guten“ etc. zu publizieren. Verbindungen zur AfD gibt’s ebenso zuhauf wie zur sog. „Neuen Rechten“, darunter ins identitäre Umfeld.
„bkramer.noblogs“ listet in einer sehr guten Recherche auf, in welchem Umfeld sich die Kurz-Bio einordnet – wir greifen davon nur einige wenige AutorInnen heraus:
So z.B. 2017 das Buch „Die Quotenfalle Warum Quotenregelungen in die Irre führen“, einem Sammelband mit Beiträgen von Misogynen, Rassist*innen, Homosexuellenhasser*innen und/oder Personen mit Verbindungen ins rechte bzw. rechtsextreme Spektrum.
Auch das Buch von Philip Plickert (u.a. Autor der FAZ, Tichys Einblick, 2016 Moderator für die Allgemeine Deutschen Burschenschaft (ADB)…): „Merkel. Eine kritische Bilanz“ wurde 2017 vom FinanzBuch Verlag herausgegeben. Auch dieses Buch ist ein Sammelband mit einschlägig bekannten Autor*innen aus den Reihen organisierter Abtreibungsgegner*innen, bekennender Rassist*innen (zuzügl. Unterzeichner*innen der rassistischen Erklärung 2018, initiiert von der extrem rechten Publizistin Vera Lengsfeld), Referent*innen für Organisationen, die den sog. „neuen“ Rechten zugeordnet werden können oder Autor*innen für rassistische Blogs und rechte Magazine, wie z.B. Necla Kelek Vorstandsfrau von Terre des Femmes, die für Tichys Einblick und den islamfeindlichen rassistischen Blog Achse des Guten schreibt.
Unter den Autor*innen sind z.B. die Antifeministin und Abtreibungsgegnerin Birgit Kelle, Werner J. Patzelt oder Wolfgang Ockenfels (u.a. Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES))…Andreas Popp: u.a. wissenschaftliches Gremiumsmitglied der Wissensmanufaktur, der am Ostermontag 2014 gemeinsam mit Lars Mährholz, Jürgen Elsässer und Rico Albrecht an der Mahnwache für Frieden in Berlin als Redner teilgenommen hat. In seinem Buch „Plan B“ beziehen sich Popp und sein Mitautor positiv auf die antisemitische Hetzschrift von Gottfried Feder, einem der führenden Wirtschaftstheoretiker der NSDAP. Das sagt schon alles über den Autoren aus.
Rahim Taghizadegan: Bekannt geworden als Autor für die „neu“rechte Wochenzeitung Junge Freiheit und für Eigentümlich frei.
Gertrud Höhler: Die Literaturwissenschaftlerin und Unternehmensberaterin ist bereits 2016 als Referentin für die Bibliothek des Konservatismus aufgetreten.
Der britische Autor und Publizist Douglas Murray vertritt in seinem Buch die Ansicht Europa begehe Selbstmord. „Gebrechlich und überfremdet, getrieben von Naivität und Selbstverachtung gehe es seinem Ende entgegen. Kulturfremde Einwanderer, vor allem Muslime, schickten sich an, den christlichen Kontinent zu übernehmen. Bald „werden wir den einzigen Ort auf der Welt, der unsere Heimat war, verloren haben.“
Dass ausgerechnet der unter chronischer „Message Control“ agierenden ÖVP nicht aufgefallen ist, mit einer Autorin zu kooperieren, deren berufliche Karriere etwas anders verlaufen ist, als sie es selbst angibt, ist bereits verwunderlich. Dass diese alles kontrollierende ÖVP auch nie nachgesehen haben soll, wo und in welchen Umfeld das Buch erscheint, ist sehr unwahrscheinlich. Wenn da nicht eine andere Erklärungsvariante herangezogen werden könnte: Es ist der ÖVP egal, ganz nach dem Motto, Hauptsache, es wird über Kurz geredet. Und das Fischen im rechtspopulistischen, zuweilen auch rechtsextremen Teich gehört schließlich auch zu ihrer expliziten Agenda.
1 Den Hinweis verdanken wir der Grünen Bundesrätin Ewa Ernst-Dziedzic.