Kurz-Biografie im rechtsextremen Umfeld

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Die von der ÖVP auto­ri­sier­te Bio­gra­fie über Sebas­ti­an Kurz ist in mehr­fa­cher Hin­sicht bemer­kens­wert: Nicht nur Schreib­stil und ins Anbe­ten­de gehen­de Pas­sa­gen haben zahl­rei­che, zwi­schen humo­ris­tisch und bei­ßend ange­sie­del­te Kom­men­ta­re nach sich gezo­gen, son­dern auch die offen­bar fal­schen bio­gra­fi­schen Anga­ben der Autorin über sich selbst. Min­des­tens so erwäh­nens­wert ist jedoch der Ver­lag, in dem die Bio­gra­fie erschie­nen ist, denn der ver­legt rei­hen­wei­se rechts­extre­me Publikationen.

Es stellt sich schon ein­mal die Fra­ge, wel­cher Ver­lag eine Publi­ka­ti­on in sein Pro­gramm auf­nimmt, die „an Skur­ri­li­tät und Schwüls­tig­keit nicht zu über­bie­ten ist. (…) Mit der ers­ten Begeg­nung von Groh­mann und Kurz beginnt auch der schwüls­ti­ge Pro­log, der sti­lis­tisch eher an einen gym­na­sia­len Erleb­nis­auf­satz erin­nert.“ (derstandard.at, 6.9.19) Unter dem Twit­ter-Hash­tag #50shadesofkurz ergoss sich auch reich­lich Spott über die Kurz-Hul­di­gungs­schrift von Judith Groh­mann. Fragt sich, wel­cher Ver­lag denn bereit war, das Buch bei sich her­aus­zu­ge­ben. Es fand sich einer, näm­lich der deut­sche „Finanz­Buch Ver­lag“ für die von der ÖVP auto­ri­sier­te Biografie.

Bereits im April die­sen Jah­res beschäf­tig­te sich der Blog „bkramer.noblogs.org – Doku­men­tie­ren gegen Rechts“ aus­gie­big mit dem „Finanz­Buch Ver­lag“ (1). Der Anlass war die jüngs­te Hetz­schrift von Thi­lo Sar­ra­zin („Feind­li­che Über­nah­me“), die Sar­ra­zins ursprüng­li­cher Ver­lag (Ran­dom House) nicht mehr her­aus­brin­gen woll­te. Der „Finanz­Buch Ver­lag“ (FBV) sprang ein, Sar­ra­zins Buch erschien dort im August 2018.

Facebook-Ankündigung der Kurz-Bio durch den FinanzBuch Verlag

Face­book-Ankün­di­gung der Kurz-Bio durch den Finanz­Buch Verlag

Die dem Sprin­ger Ver­lag zuge­hö­ri­ge deut­sche Tages­zei­tung „Die Welt“ frag­te sich im Juli 2018, ob „der AfD-Geist in Thi­lo Sar­ra­zins neu­em Ver­lag“ weht: „Sar­ra­zin wird sich in sei­nem neu­en Ver­lag hei­misch füh­len: Hier sind Mer­kel-Kri­tik, Euro-Skep­sis und Bücher von ‚Tichys Ein­blick’.“ (Die Welt, 14.7.18 – Arti­kel hin­ter Pay­wall) Und „Die Welt“ beant­wor­tet die Fra­ge in für ihr Kli­en­tel beru­hi­gen­der Art und Wei­se: „Im Finanz­buch-Ver­lag steckt aller­dings mehr Bernd Lucke als Gau­land.“ Denn:

Das Online-Por­tal „Tichys Ein­blick“ kura­tiert bei FBV eine eige­ne Buch­rei­he. Von ein­zel­nen, dann doch eher im Sie­fer­le-Sound daher­kom­men­den Autoren (https://www.welt.de/themen/autoren/) wie dem kon­ser­va­ti­ven Bri­ten und „Spec­ta­tor“- Autor Dou­glas Mur­ray („Der Selbst­mord Euro­pas. Immi­gra­ti­on, Iden­ti­tät, Islam“ (https://www.m‑vg.de/finanzbuchverlag/shop/article/13874-der-selbstmord-europas/)) soll­te man sich nicht täu­schen las­sen: Aus den meis­ten FBV-Titeln spricht kein res­sen­ti­ment­ge­la­de­nes, son­dern ein real­po­li­ti­sches Pro­gramm. Es geht um volks­wirt­schaft­li­che statt um völ­ki­sche Sor­gen. Der Ver­lag rich­tet sich ganz offen­kun­dig an Leu­te, die an Law & Order nichts ver­werf­lich und an rei­chen Men­schen nichts Obs­zö­nes fin­den, im Gegenteil.

Real­po­li­ti­sche Sor­gen sind es also, die die AutorIn­nen des FBV anspre­chen und die „Law and Order“ und rei­che Men­schen ok fin­den. Na dann passt doch die Kurz-Bio schon ein­mal bes­tens dazu, zumal Kurz genau die­se Kund­schaft bedient (und von ihr, den Rei­chen, bedient wird). Jedoch fin­den sich auch eine Rei­he von AutorIn­nen, die der extre­men Rech­ten zuzu­rech­nen sind und kei­ner­lei Berüh­rungs­ängs­te zei­gen, bei ein­schlä­gi­gen Ver­an­stal­tun­gen auf­zu­tre­ten oder in rechts­extre­men Medi­en, wie etwa der „Jun­gen Frei­heit“, „Tichys Ein­blick“, „Ach­se des Guten“ etc. zu publi­zie­ren. Ver­bin­dun­gen zur AfD gibt’s eben­so zuhauf wie zur sog. „Neu­en Rech­ten“, dar­un­ter ins iden­ti­tä­re Umfeld.

bkramer.noblogs“ lis­tet in einer sehr guten Recher­che auf, in wel­chem Umfeld sich die Kurz-Bio ein­ord­net – wir grei­fen davon nur eini­ge weni­ge AutorIn­nen heraus:

So z.B. 2017 das Buch „Die Quo­ten­fal­le War­um Quo­ten­re­ge­lun­gen in die Irre füh­ren“, einem Sam­mel­band mit Bei­trä­gen von Miso­gy­nen, Rassist*innen, Homosexuellenhasser*innen und/oder Per­so­nen mit Ver­bin­dun­gen ins rech­te bzw. rechts­extre­me Spektrum.

Auch das Buch von Phil­ip Pli­ckert (u.a. Autor der FAZ, Tichys Ein­blick, 2016 Mode­ra­tor für die All­ge­mei­ne Deut­schen Bur­schen­schaft (ADB)…): „Mer­kel. Eine kri­ti­sche Bilanz“ wur­de 2017 vom Finanz­Buch Ver­lag her­aus­ge­ge­ben. Auch die­ses Buch ist ein Sam­mel­band mit ein­schlä­gig bekann­ten Autor*innen aus den Rei­hen orga­ni­sier­ter Abtreibungsgegner*innen, beken­nen­der Rassist*innen (zuzügl. Unterzeichner*innen der ras­sis­ti­schen Erklä­rung 2018, initi­iert von der extrem rech­ten Publi­zis­tin Vera Lengs­feld), Referent*innen für Orga­ni­sa­tio­nen, die den sog. „neu­en“ Rech­ten zuge­ord­net wer­den kön­nen oder Autor*innen für ras­sis­ti­sche Blogs und rech­te Maga­zi­ne, wie z.B. Necla Kelek Vor­stands­frau von Terre des Femmes, die für Tichys Ein­blick und den islam­feind­li­chen ras­sis­ti­schen Blog Ach­se des Guten schreibt.
Unter den Autor*innen sind z.B. die Anti­fe­mi­nis­tin und Abtrei­bungs­geg­ne­rin Bir­git Kel­le, Wer­ner J. Pat­z­elt oder Wolf­gang Ocken­fels (u.a. Kura­to­ri­ums­mit­glied der AfD-nahen Desi­de­ri­us-Eras­mus-Stif­tung (DES))…

Andre­as Popp: u.a. wis­sen­schaft­li­ches Gre­mi­ums­mit­glied der Wis­sens­ma­nu­fak­tur, der am Oster­mon­tag 2014 gemein­sam mit Lars Mäh­r­holz, Jür­gen Elsäs­ser und Rico Albrecht an der Mahn­wa­che für Frie­den in Ber­lin als Red­ner teil­ge­nom­men hat. In sei­nem Buch „Plan B“ bezie­hen sich Popp und sein Mit­au­tor posi­tiv auf die anti­se­mi­ti­sche Hetz­schrift von Gott­fried Feder, einem der füh­ren­den Wirt­schafts­theo­re­ti­ker der NSDAP. Das sagt schon alles über den Autoren aus.

Rahim Tag­hiz­ade­gan: Bekannt gewor­den als Autor für die „neu“rechte Wochen­zei­tung Jun­ge Frei­heit und für Eigen­tüm­lich frei.

Ger­trud Höh­ler: Die Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin und Unter­neh­mens­be­ra­te­rin ist bereits 2016 als Refe­ren­tin für die Biblio­thek des Kon­ser­va­tis­mus aufgetreten.

Der bri­ti­sche Autor und Publi­zist Dou­glas Mur­ray ver­tritt in sei­nem Buch die Ansicht Euro­pa bege­he Selbst­mord. „Gebrech­lich und über­frem­det, getrie­ben von Nai­vi­tät und Selbst­ver­ach­tung gehe es sei­nem Ende ent­ge­gen. Kul­tur­frem­de Ein­wan­de­rer, vor allem Mus­li­me, schick­ten sich an, den christ­li­chen Kon­ti­nent zu über­neh­men. Bald „wer­den wir den ein­zi­gen Ort auf der Welt, der unse­re Hei­mat war, ver­lo­ren haben.“

Dass aus­ge­rech­net der unter chro­ni­scher „Mes­sa­ge Con­trol“ agie­ren­den ÖVP nicht auf­ge­fal­len ist, mit einer Autorin zu koope­rie­ren, deren beruf­li­che Kar­rie­re etwas anders ver­lau­fen ist, als sie es selbst angibt, ist bereits ver­wun­der­lich. Dass die­se alles kon­trol­lie­ren­de ÖVP auch nie nach­ge­se­hen haben soll, wo und in wel­chen Umfeld das Buch erscheint, ist sehr unwahr­schein­lich. Wenn da nicht eine ande­re Erklä­rungs­va­ri­an­te her­an­ge­zo­gen wer­den könn­te: Es ist der ÖVP egal, ganz nach dem Mot­to, Haupt­sa­che, es wird über Kurz gere­det. Und das Fischen im rechts­po­pu­lis­ti­schen, zuwei­len auch rechts­extre­men Teich gehört schließ­lich auch zu ihrer expli­zi­ten Agenda.

1 Den Hin­weis ver­dan­ken wir der Grü­nen Bun­des­rä­tin Ewa Ernst-Dziedzic.