Blaue Spesenritter (Teil 6): Die Einzelfälle haben System

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Wir wol­len es nicht über­trei­ben, aber die Fort­set­zungs­ge­schich­te „Blaue Spe­sen­rit­ter“ hat das Zeug zu einer fast unend­li­chen Geschich­te. Es gibt näm­lich nicht bloß die blau­en Spe­sen­kai­ser, die mit eini­gem Geschick und jeden­falls gro­ßer Kalt­schnäu­zig­keit immer wie­der neue Spe­sen­töp­fe geöff­net, son­dern auch vie­le ein­fa­che blaue Spe­sen­rit­ter, die zumin­dest ein­mal kräf­tig abkas­siert haben. Die zahl­rei­chen Spe­sen­ein­zel­fäl­le haben in der FPÖ Sys­tem. Des­halb hier eini­ge aus­ge­wähl­te wei­te­re Ein­zel­fäl­le und Erklärungsversuche.

Als sich Mathi­as Reich­hold 2002 nach nur 40 Tagen „aus gesund­heit­li­chen Grün­den“ als Bun­des­par­tei­ob­mann der FPÖ auf sei­nen Bau­ern­hof zurück­zog, wuss­ten nur die wenigs­ten, dass ihn die Par­tei für die­se kur­ze Zeit „in einer noblen Pent­house­suite des Wie­ner Ring­stra­ßen­ho­tels SAS“ (News, 19.5.2005) ein­quar­tiert hat­te – auf Par­tei­kos­ten natür­lich. Reich­hold, der bis dahin schon fast alle Funk­tio­nen und Man­da­te bei der FPÖ aus­pro­biert hat­te, wur­de auch danach noch reich­lich belohnt: Als er nach einem kur­zen Inter­mez­zo als Vor­stands­mit­glied der Asfi­nag Ende 2007 wie­der aus­schei­den muss­te, nahm er als klei­ne Ent­schä­di­gung für die 18 Mona­te Abfer­ti­gung, Bonus und Son­der­bo­nus in der Höhe von 720.000 Euro mit auf sei­nen Bauernhof.

Das war zwar kein Spe­sen­er­satz, aber mit so ähn­lich ver­schach­tel­ten Kon­struk­tio­nen hat­te Reich­hold auch schon frü­her sehr posi­ti­ve Erfah­run­gen gemacht.1988 war Reich­hold Gene­ral­se­kre­tär der FPÖ und Vor­sit­zen­der des Kura­to­ri­ums des Frei­heit­li­chen Bil­dungs­werks (FBW) gewor­den – eine Syn­er­gie, die sich für ihn aus­zahl­te. Eine Jah­res­ga­ge von 773.000 ATS plus eine Spe­sen­pau­scha­le von 230.614 ATS erhielt er als Vor­sit­zen­der des FBW, stell­te der par­la­men­ta­ri­sche Rech­nungs­hof­aus­schuss damals fest (Stan­dard, 10.4.1992). Dazu kam aller­dings noch eine jähr­li­che Auf­wands­ent­schä­di­gung als Gene­ral­se­kre­tär in der Höhe von 242.778 ATS, das waren ins­ge­samt etwa schlan­ke 900.000 Euro – jährlich.

Gene­ral­se­kre­tär der FPÖ (2000–2002) und Abge­ord­ne­ter zum Euro­päi­schen Par­la­ment (1996–2004) wie Reich­hold war dann auch etwas spä­ter Peter Sichrovs­ky, ein Spe­sen­rit­ter der Son­der­klas­se. Wie die von Stra­che ver­an­lass­te Prü­fung der FPÖ-Buch­hal­tung ergab, hat Sichrovs­ky in sei­ner Zeit als Gene­ral­se­kre­tär dem­nach Spe­sen in der Höhe von 562.178 Euro, zusätz­lich 75.926 Euro Aus­lands­spe­sen und Tele­fon­kos­ten von 40.000 Euro der Par­tei ver­rech­nen kön­nen. Die ihm zuge­rech­ne­ten Spe­sen dif­fe­rie­ren in den ver­schie­de­nen Berich­ten dazu, aber nur gering­fü­gig. Sichrovs­ky, der in die­sem Zeit­raum als EP-Abge­ord­ne­ter ja ein ordent­li­ches Ein­kom­men bezog (und auch Spe­sen ver­rech­nen konn­te), ver­an­lass­te die Offen­le­gung sei­ner FPÖ-Spe­sen zu dem Kom­men­tar: „Was? So wenig? Ich hab geglaubt, das war viel mehr.” (News, 19.5.2005)

Ein wei­te­rer FPÖ-Spe­sen­rit­ter war der stei­ri­sche Lan­des­rat und Kurz­zeit­mi­nis­ter Micha­el Schmid, der 2001 aus der FPÖ aus­trat, weil er nicht auf sei­ne Poli­ti­ker­pen­si­on in der Höhe von fast 13.000 Euro brut­to ver­zich­ten woll­te, was sei­ne Par­tei von ihm damals ver­lang­te. Mit der Spe­sen­pau­scha­le, die Schmid zuvor als Lan­des­rat in der Stei­er­mark erhielt, hat­te die FPÖ kein Pro­blem, obwohl damit das von der FPÖ ver­ord­ne­te maxi­ma­le Net­to­ein­kom­men für FPÖ-Poli­ti­ker (60.000 ATS) völ­lig unter­lau­fen wur­de. Die Spe­sen­pau­scha­le für den Lan­des­rat betrug eben­falls 60.000 ATS (rund 4.300 €) monat­lich, aller­dings aus dem Spe­sen­topf des Lan­des und nicht der Par­tei. (Standard,6.6.1998) Spä­tes Bon­mot am Ran­de: Als 2019 Mel­dun­gen über Stra­ches Spe­sen ver­öf­fent­licht wur­den, erklär­te Schmid, dass die FPÖ für ihn des­halb nicht mehr wähl­bar sei. (vgl. kleinezeitung.at, 27.9.19)

Michael Schmid: "Die FPÖ ist für mich auf Bundesebene nicht wählbar" (Kleine Zeitung)

Micha­el Schmid: „Die FPÖ ist für mich auf Bun­des­ebe­ne nicht wähl­bar” (Klei­ne Zei­tung)

Wal­ter Meisch­ber­ger hat­te bei sei­ner Poli­ti­ker­pen­si­on zwar auch Wickel mit der Par­tei, aber die Lösung, die man schluss­end­lich fand, war doch ziem­lich gene­rös. Weil Meisch­ber­ger, der auch ein­mal Gene­ral­se­kre­tär der FPÖ war, 1999 nach einer Ver­ur­tei­lung ent­ge­gen dem Demo­kra­tie­ver­trag der FPÖ nicht aus dem Par­la­ment aus­schei­den woll­te, weil ihm ja nur mehr eini­ge Wochen für sei­nen Anspruch auf eine saf­ti­ge Poli­ti­ker­pen­si­on fehl­ten, gab es zunächst ein­mal ordent­li­chen Zoff in der FPÖ. Meisch­ber­ger, der dann in spä­te­ren Jah­ren den Steu­er­zah­le­rIn­nen noch ganz ande­re Spe­sen­rech­nun­gen prä­sen­tier­te, trat zunächst von sei­nem Man­dat zurück, dann von sei­nem Rück­tritt, um schließ­lich nach Geheim­ge­sprä­chen mit Hai­der und einer Abgel­tung in der Höhe von fast 182.000 Euro in der Tasche doch aus dem Natio­nal­rat aus­zu­schei­den. Das saf­ti­ge Extra-Hono­rar von der FPÖ soll­te die spe­sen­mä­ßi­ge Ent­schä­di­gung für die von Meisch­ber­ger erbrach­ten Pen­si­ons­bei­trä­ge darstellen.

Walter Meischberger(Haiders Buberlpartei – ORF Report)

Wal­ter Meisch­ber­ger (Hai­ders Buberl­par­tei – ORF Report)

An die­sem Vor­bild woll­te sich offen­sicht­lich auch der frü­he­re FPÖ-Sozi­al­spre­cher im Natio­nal­rat und kurz­zei­ti­ge stell­ver­tre­ten­de Gene­ral­di­rek­tor der Pen­si­ons­ver­si­chungs­an­stalt (PVA), Rein­hart Gaugg, ori­en­tie­ren, nach­dem er im August 2002 nach einer Schlan­gen­li­ni­en­fahrt mit sei­nem PKW Job und Man­dat auf­ge­ben soll­te. Gaugg ver­lang­te für den Ver­zicht eine Spe­sen­apa­na­ge von 10.000 Euro monat­lich, die ihm die Par­tei für eini­ge Zeit auch gewähr­te. Weit­ge­hend unbe­ach­tet blieb, dass Gaugg damals „mit einem vom ober­stei­ri­schen Auto­haus Lai­mer zur Ver­fü­gung gestell­ten Fahr­zeug“ (Die Pres­se, 7.9.2002), einer Sach­spen­de sozu­sa­gen, unter­wegs war.

Womit wir bei Erklä­rungs­ver­su­chen für die sys­te­mi­sche Spe­sen­rit­te­rei in der FPÖ wären: Sowohl Hai­der als auch Stra­che stütz­ten ihre Macht nicht nur auf sta­tu­ta­risch ver­an­ker­te gro­ße Voll­mach­ten, son­dern auf eine Loya­li­tät inner­halb die Par­tei, die –im Fal­le Hai­ders – auch manch­mal bra­chi­al erzwun­gen wur­de, sich bei Stra­che aber die längs­te Zeit auf des­sen Ret­ter­my­thos stüt­zen konn­te. War es bei Stra­che eine sehr klei­ne Kern­trup­pe, so war es bei Hai­der die wech­seln­de „Buberl­par­tie“, die den inne­ren Kreis der Macht bil­de­te und – so wie Par­tei­chefs – nicht nur aus der Par­tei­en- und Bil­dungs­för­de­rung, son­dern auch aus den Geld- und Sach­spen­den pri­va­ter Gön­ner und manch­mal auch aus­län­di­scher Poten­ta­ten und Olig­ar­chen (ech­te und fal­sche) ihre Spe­sen plus Sach­auf­wen­dun­gen bestritten.

Von den wei­te­ren FPÖ-Par­tei­chefs seit Hai­der blie­ben Her­bert Haupt (2002–2004) und Ursu­la Haub­ner (2004 ‑2005) zwar stand­haft, was ihre eige­ne Spe­sen­ge­stal­tung betraf – im Unter­schied zu Susan­ne Riess-Pas­ser (2000–2002) und ihrem Kurz­zeit-Nach­fol­ger Mathi­as Reich­hold (2002). Aller­dings war die FPÖ spä­tes­tens ab 2002, wie die Prü­fung der Buch­hal­tung 2005 ergab, auf Bun­des­ebe­ne schon hoff­nungs­los verschuldet.

Neben der Par­tei­en­för­de­rung stan­den vor allem den Par­tei­chefs Hai­der und nach ihm dann Stra­che (in noch unge­klär­tem Aus­maß) pri­va­te För­de­rer und Gön­ner zur Ver­fü­gung. Das stei­ri­sche Auto­haus, das Gaugg 2002 mit einem PKW beglück­te, hat­te auch Hai­der sein Por­sche-Kabrio zur Ver­fü­gung gestellt. (Pres­se, 7.9.2002) Pri­va­te Spon­so­ren haben aber nicht nur die FPÖ unter Jörg Hai­der und ihn per­sön­lich mit gro­ßen Geld- und Sach­spen­den unter­stützt, son­dern waren auch für Stra­ches FPÖ bzw. für Stra­che selbst tätig (der Ofen­rohr­pro­du­zent etwa) . Das wird nicht nur im Ibi­za-Video von Stra­che behaup­tet, son­dern ist bei Gas­ton Glock, dem Waf­fen­pro­du­zen­ten, sogar rela­tiv gut doku­men­tiert. (Sie­he auch für Hai­der: Die Pres­se, 7.9.2002) Dazu kom­men mög­li­cher­wei­se noch die ukrai­nisch-rus­si­schen Geschäfts­leu­te, die in der Sach­ver­halts­dar­stel­lung gegen Stra­che erwähnt werden.

Ähn­li­ches gab es schon bei Hai­der, der nicht nur ordent­li­che Geld­be­trä­ge von Sad­dam Hus­sein (laut pro­fil vom 31.3.2014 500.000 bzw. beim zwei­ten Mal zwei Mil­lio­nen USD) ein­kas­sier­te, son­dern auch von rus­si­schen Mil­lio­nä­ren für Staats­bür­ger­schaf­ten (pro­fil, 31.3.2014). Ob und wie sehr mit die­sen Extra-Ein­nah­men schwar­ze Kas­sen finan­ziert wur­den und dar­aus Spe­sen aller Art, war bis­lang noch nicht wirk­lich Gegen­stand von inten­si­ven Recher­chen. Ein weit­ge­hend unge­klär­tes Kapi­tel sind die immer wie­der kol­por­tier­ten Mil­lio­nen­be­trä­ge, die der liby­sche Dik­ta­tor Gad­da­fi Hai­der gespen­det haben soll, dann aber von des­sen Pri­vat­se­kre­tär bei­sei­te geschafft wor­den sein sol­len. Dies­be­züg­li­che straf­recht­li­che Ermitt­lun­gen wur­den aller­dings eingestellt.

Im Haider’schen Spe­sen-Sys­tem haben mut­maß­lich mehr Per­so­nen von groß­zü­gi­gen Apa­na­gen und Spe­sen­re­ge­lun­gen und ‑geschen­ken pro­fi­tiert als unter Stra­che, bei dem der Kreis der Günst­lin­ge – nach allem, was wir bis­her wis­sen – wesent­lich enger, aber den­noch vor­han­den war.

Blaue Spe­sen­rit­ter (Teil 1): Andre­as Mölzer
Blaue Spe­sen­rit­ter (Teil 2): Ewald Stadler
Blaue Spe­sen­rit­ter (Teil 3): Die „Königs­ko­bra“ und der Sauhaufen
Blaue Spe­sen­rit­ter (Teil 4): Der Spe­sen­kai­ser Jörg Haider
Blaue Spe­sen­rit­ter (Teil 5): Der Ofenrohrbeobachter