Die fehlenden Fakten sind noch relativ einfach zu erklären. Als nach dem Bruch zwischen Haider und Strache 2005 die Prüfer der FPÖ in die Bücher gehen wollten, um vermuteten Malversationen der alten Parteispitzen auf die Schliche zu kommen, fanden sie kaum noch Belege vor, berichtete etwa die Kleine Zeitung am 10.6.2005. Der „Kurier“ zitierte einen der Buchprüfer: „Er habe in seiner langjährigen Tätigkeit noch nie so einen ‚Sauhaufen’ und so ‚unverschämte Griffe in die Kassa’ gesehen.“ (Kurier, 8.7.2005) Da verwundert es dann auch nicht weiter, dass ausgerechnet in dieser Phase der damalige FPÖ-Generalsekretär Kickl einen Einbruch in der FPÖ-Bundesgeschäftsstelle anzeigen musste.
Die Königskobra
Trotz all dieser Wirren und fehlenden Belege konnten die Prüfer einiges rekonstruieren. Beginnen wir mit Susanne Riess-Passer, die zwischen 2000 und 2003 Vizekanzlerin bzw. bis September 2002 (Knittelfeld) auch FPÖ-Parteivorsitzende war. Den Spitznamen „Königskobra“ hat sie nicht wegen ihrer Spesenrechnungen erhalten, sondern wegen ihrer blitzartigen Interventionen in der Partei in ihrer Zeit als Stellvertreterin von Jörg Haider.
Nachdem Strache nach der Abspaltung des BZÖ im April 2005 zum Parteivorsitzenden der FPÖ gewählt worden war, hat er nicht nur eine Menge Schulden von der „alten“ FPÖ geerbt, sondern auch schonungslose Aufklärung versprochen:
Ich nehme den Besen in die Hand und mache das eigene Haus sauber. Nichts, aber schon gar nichts darf unter den Teppich gekehrt werden. Ich nehme das Motto von der gläsernen Partei ernst. Wer immer sich in der Vergangenheit etwas zuschulden kommen ließ, muss dafür nun die Verantwortung tragen. (News, 9.6.2005)
Das klang ziemlich vielversprechend – im Jahr 2005. Aber es dauerte keine zwei Jahre, dann kursierte schon das erste Dossier über Straches Vorlieben für Luxus-Accessoires. Dass sich knappe fünfzehn Jahre später seine Vorwürfe über exzessive Spesenabrechnungen, die sich zunächst gegen Haider und Riess-Passer richteten, dann gegen ihn selbst richten würden, hat er wohl damals selbst noch nicht geahnt. Oder doch? Auf die Frage, welche Spesen denn er verrechne, fiel Strache 2005 jedenfalls nur ein sehr bescheidener „Auslagenersatz“ für sein Handy ein …
Bei Susanne Riess-Passer fielen der neuen FPÖ-Führung und dem Wirtschaftsprüfer Zacke da schon einige andere Spesenposten auf. Laut dem für die FPÖ tätigen Gutachter verrechnete die damalige FPÖ-Chefin über die Kreditkarte der FPÖ 37.571 Euro:
Davon sind für 32.980 Euro die Belege nicht mehr vorhanden. Eine buchhalterische Rekonstruktion ergibt Bewirtungen von 4.591 Euro, Reisespesen von 10.899 Euro und ‚persönliche Anschaffungen’ in Höhe von 22.081 Euro. Darunter sind auch Schuhe, Kleider und Taschen für den persönlichen Gebrauch zu verstehen. (News, 9.6.2005)
Für 2000 beliefen sich die über die FPÖ-Kreditkarte verrechneten Spesen auf 21.825 Euro und für das inkomplette Jahr 2002 auf 19.831 Euro. Auch dafür waren kaum Belege vorhanden. Im Bericht von „News“-Chefredakteur Alfred Worm hieß es weiter:
Interessant die weiteren Spesen: Riess-Passer verrechnete 2001 der FPÖ zusätzlich 100 Abflüge Wien-Innsbruck zum Preis von 16.867 Euro. Und das – wie Zacke vermerkt –‚ obwohl auch Dienstwagen’. Und zusätzlich ‚obwohl als Vizekanzler eigener Dienstwagen’. Im Zacke-Gutachten heißt es hiezu weiters, dass für Riess-Passer die ‚Anschaffung eines neuen A6 (Audi) am 30. 11. 2001 durch Bundespartei’ durchgeführt wurde.
Riess-Passers Hauptwohnsitz und der ihres Gatten war zu dieser Zeit in Tirol. Anmerkung im Gutachten Zacke: ‚Tankungen für dieses Kraftfahrzeug überwiegend in Tirol’. Die Kosten dieses Zusatzautos (zusätzlich zum Regierungsauto) betrugen laut Zacke allein für die Jahre 2001 und 2002 exakt 41.601 Euro. Was übrigens Monatskosten von 3.782 Euro entspricht. (News, 9.6.2005)
2001 feierte die Vizekanzlerin ihren 40. Geburtstag mit einem pompösen Fest und verrechnete der Partei dafür die stolze Summe von 1.501.620 ATS (etwa 109.000 Euro).
Neben einigen anderen Spesen-Gustostückerln wie etwa Mobiliar für ihr Regierungsbüro, das auf FPÖ-Kosten angekauft wurde (273.704 ATS, etwa 20.000 Euro), fällt vor allem ein Wohnungszuschuss auf, der jetzt auch bei Strache eine Rolle spielt. Der FPÖ-Parteichefin finanzierte die Partei eine Penthouse-Wohnung am Wiener Rathausplatz, „deren Gesamtkosten mit 493.472 Schilling zu Buche schlugen“ (News). Vor dem Gericht, wo dann über Jahre hinweg die Spesen der Ex-Parteivorsitzenden verhandelt wurden, erklärte der als Zeuge geladene Peter Westenthaler (FPÖ, BZÖ, jetzt „alles roger“), dass die Wohnung auch für vertrauliche Besprechungen der FPÖ-Spitze genutzt worden sei und deshalb die Partei die Kosten übernommen habe. So einfach geht das!
Hat das nicht auch so ähnlich Strache für seinen Mietkostenzuschuss von 2.500 Euro geltend gemacht? Noch sind wir aber nicht bei Strache angekommen. Es fehlt noch eine andere FPÖ-Größe, die ebenfalls einen Wohnkostenzuschuss von seiner Partei erhalten hat: Jörg Haider, ein blauer Spesenkaiser!
Die Versuche der FPÖ unter Strache, von Riess-Passer ihre Spesen gerichtlich zurück zu klagen, weil sie angeblich ohne Deckung durch Parteigremien abgerechnet worden wären, blieben erfolglos. Auch die strafrechtlichen Ermittlungen wurden rasch wieder eingestellt. Susanne Riess-Passer hat sich nach ihrem Bruch mit Haider sukzessive aus der FPÖ zurückgezogen, ist 2005 aus der Partei ausgetreten und hat im Nationalratswahlkampf 2019 die ÖVP unterstützt.
Blaue Spesenritter (Teil 1): Andreas Mölzer
Blaue Spesenritter (Teil 2): Ewald Stadler
Blaue Spesenritter (Teil 4): Der Spesenkaiser Jörg Haider
Blaue Spesenritter (Teil 5): Der Ofenrohrbeobachter
Blaue Spesenritter (Teil 6): Die Einzelfälle haben System