Die schweigsamen Germanen in Wien

Ger­ma­nen gibt es viele unter den Burschen­schaften in Öster­re­ich. Damit geht nicht nur das Beken­nt­nis zum „deutschen Volk­s­tum“ ein­her, das sie alle auf den Lip­pen tra­gen, son­dern auch – sehr häu­fig – auch die Ver­wen­dung der reichs­deutschen Far­ben in der Verbindung. Oder auch – nicht ganz so häu­fig – der Name der Verbindung: „Ger­ma­nia“. Die gibt es als akademis­che Burschen­schaften in Graz (Ger­ma­nia und Marko-Ger­ma­nia) und als pen­nale Verbindun­gen in Wiener Neustadt, Ried, Wien, Dorn­birn, Mis­tel­bach und Pinkafeld (FPÖ Hofers Marko-Ger­ma­nia). Es ist wohl kein Zufall, dass die pen­nalen Ger­ma­nen beson­ders auf­fäl­lig sind. Ein Porträt der pen­nalen Burschen­schaft Ger­ma­nia in Wien, eine jen­er Ger­ma­nen-Verbindung, über die wir noch wenig berichtet haben.

Schon bei den „Far­ben“ zeigt die Wiener Ger­ma­nia klar Flagge. Für sie bzw. für „echte“ Ger­ma­nen kommt da nur Schwarz-Rot-Gold, die „Reichs­far­ben“ in Frage. Und das, obwohl „unter Patro­nanz der Siegermächte“ in deren „geschichtlich­er Unken­nt­nis“ diese Far­ben dann für „West­deutsch­lands“ Flagge ver­wen­det wurden.

über die Bundesfarben der pB Germania Wien: Schwarz-Rot-Gold (Screenshot Website Germania Wien, 2019)

über die Bun­des­far­ben der pB Ger­ma­nia Wien: Schwarz-Rot-Gold (Screen­shot Web­site Ger­ma­nia Wien, 2019)

Mit der geschichtlichen Ken­nt­nis nehmen es aber auch die Wiener Ger­ma­nen nicht so genau. Als 2013 wir und der „Stan­dard“ (29.1.2013) über die Fotos vom Faschings­gschnas 2008 auf der Web­site der Ger­ma­nia Wien berichteten, auf denen man Uni­formierte (Mil­itär oder Polizei?), Men­schen in der Kutte des Ku-Klux-Klan und einen als ortho­dox­en Juden Verklei­de­ten erken­nen kon­nte, nahm die Ger­ma­nia als Reak­tion alle ihre Fotos vom Netz und ver­suchte es mit ein­er Gegenerzählung.

Germania-Gschnas 2008: mit Ku Klux Klan, Uniformierten und orthodoxem Juden (Screenshot Website Germania Wien, 2013)

Ger­ma­nia-Gschnas 2008: mit Ku-Klux-Klan, Uni­formierten und ortho­dox­em Juden (Screen­shot Web­site Ger­ma­nia Wien, 2013)

Die Fotos stammten zwar vom Faschings­gschnas, die weißen Kut­ten wären aber nicht dem Klan zuzurech­nen, son­dern wür­den „Büßer“ wie in der Sem­ana San­ta in Sevil­la zeigen. In der Sem­ana San­ta, also der heilig­sten Woche des Jahres, wer­den zwar auch Kut­ten getra­gen, es kom­men aber keine ortho­dox­en Juden und auch keine Uni­formierten vor. Eine allzu bil­lige und bösar­tige Ausrede für die „ver­stören­den Bilder“ (Die Presse, 27.1.2018), die von den Medi­en auch nicht geglaubt wurde.

Auf ihrer Web­seite stellen sich die Wiener Ger­ma­nen auch mit ihren Grund­sätzen und Zie­len vor. Da beken­nt sich die Burschen­schaft umstands- und abstand­s­los zur deutschen Volks- und Kul­turge­mein­schaft, obwohl dieser Begriff ein zen­traler ide­ol­o­gis­ch­er Begriff des Nation­al­sozial­is­mus war.

Das Bun­deslied der Wiener Ger­ma­nia, die 1907 gegrün­det wurde und ein Mit­glieds­bund des Öster­re­ichis­chen Pen­näler-Ringes (ÖPR) ist, quillt über vor Beken­nt­nis­sen zum Deutsch­tum in allen Auss­chmück­un­gen: „deutsche Zunge“, „deutsches Herz“, „deutsche Erde“, „deutsche Tropfen“, „deutsches Vater­land“, „deutsches Volk“ und natür­lich auch das „deutsche Eichen­holz“ wer­den da in knap­pen vier Stro­phen aus­giebig abge­feiert. Den früheren Wiener Kul­turstad­trat Andreas Mailath-Poko­rny ver­an­lasste diese pralldeutsche Dich­tung aus dem Jahr 1886 zu eini­gen sarkastis­chen Sätzen an die Adresse der FPÖ im Wiener Gemein­der­at: „Kommt Ihnen das bekan­nt vor? Wird das bei Ihnen so gesun­gen? Dann hätte ich doch gerne, dass Sie sich ins Fernse­hen stellen und das dort auch tun. Und dann wer­den wir sehen, wie viele Leute sich tat­säch­lich dem anschließen wollen.“ (Stan­dard, 27.1.2018)

Das Bun­deslied ist aber nicht die einzige Dich­tung, die die Wiener Ger­ma­nen anzu­bi­eten haben. „Zum Geleit“ springt die BesucherIn­nen der Home­page schon das etwas hol­prige Opus in Vers­form „Burschen­schaft“ von Prof. Heinz Reichen­felser an.

Wir zitieren hier nur zwei Zeilen: „Burschen­schaft, du Hort der Treue, alt und ewig jung zugleich,
Keine Feinde kön­nen schmälern deine Tat­en, stolz und reich.

Geleitgedicht der pB Germania Wien: "Burschenschaft, Du Hort der Treue" (Screenshot Website Germania Wien, 2019)

Geleitgedicht der pB Ger­ma­nia Wien: „Burschen­schaft, Du Hort der Treue” (Screen­shot Web­site Ger­ma­nia Wien, 2019)

Der Reimeschmied dieses wuchti­gen Werkes, Heinz Reichen­felser (1901–1969), kommt nicht nur aus ein­er Dynas­tie von pen­nalen Ger­ma­nen, son­dern war auch der Autor des Büch­leins „Sie fol­gten dem Ruf des Führers. Erleb­nisse eines SS-Mannes“.

Die Stadt Graz weiß über ihn und seine Tat­en Fol­gen­des zu berichten:

Im Juli 1938 plante er zusam­men mit Hans Ziss­er die bis ins kle­in­ste Detail insze­nierte Feier zum Gedenken an die beim Putsch gegen Doll­fuß getöteten Nation­al­sozial­is­ten. Während des „Drit­ten Reich­es” war Reichen­felser, ein Ange­höriger der Waf­fen-SS, Pro­fes­sor für Gebrauchs­grafik an der Meis­ter­schule des deutschen Handw­erks in Graz. Mit Hans Stock­bauer gestal­tete er den noch heute im Rathaus unter anderem Namen präsen­tierten groß­for­mati­gen Gob­elin-Entwurf mit dem ursprünglichen Titel ‚Graz — Stadt der Volk­ser­he­bung, Boll­w­erk gegen den Südosten’, der den Kampf um das Deutsch­tum im Gren­z­land the­ma­tisiert. Nach der Befreiung durch die Alli­ierten wurde Reichen­felser im Lager Glasen­bach interniert. Er war Mit­be­grün­der der frei­heitlichen ‚Aula’ und illus­tri­erte Büch­er des Leopold Stock­er Ver­lages. Ab 1953 leit­ete er die Wer­be­abteilung der Brauerei Reininghaus.

Damit wird das Porträt der Ger­ma­nia, die sich mit dem Gedicht des ehe­mals ille­galen Nazi schmückt, noch etwas deut­lich­er und ein­schlägiger. Wir erin­nern bei dieser Gele­gen­heit aber auch noch ein­mal an das, was wir bere­its 2013 geschrieben haben:

2009 luden sie sich den früheren Chef der wegen NS-Wieder­betä­ti­gung ver­bote­nen Hochschul­gruppe Aktion Neue Rechte (ANR), Bruno Haas zu einem Vor­trag über die „Hochschulpoli­tik in den 70er Jahren“. Ende der 70er Jahre tauchte die ANR in den ‚informellen Unter­grund’ ab. Bei einem ihrer Pro­po­nen­ten, Georg Gasser, fand die Polizei bei ein­er Haus­durch­suchungeine Ku-Klux-Klan-Mit­glied­surkunde. Gassers SS-Kampfge­mein­schaft Prinz Eugen, die im Jahr 2002 aufge­flo­gen ist, haben wir hier schon mehrfach beschrieben.

Es dürfte daher auch kein Zufall sein, dass ein­er der wichtig­sten Aktivis­ten der Küssel’schen Neon­azi-Truppe „Alpen-Donau“ ein Mit­glied der pen­nalen Ger­ma­nen war. Ange­blich wurde er nach sein­er Verurteilung aus­geschlossen, aber was weiß man schon! Die pen­nalen Ger­ma­nen sprechen über sich ja nicht so gerne.

➡️ Die deutsch-völkische Verbindung des Nor­bert Hofer: Die pen­nale Burschen­schaft Marko Germania
➡️ Ger­ma­nia Ried: Fin­gers crossed?