Lesezeit: 5 Minuten

Die schweigsamen Germanen in Wien

Ger­ma­nen gibt es vie­le unter den Bur­schen­schaf­ten in Öster­reich. Damit geht nicht nur das Bekennt­nis zum „deut­schen Volks­tum“ ein­her, das sie alle auf den Lip­pen tra­gen, son­dern auch – sehr häu­fig – auch die Ver­wen­dung der reichs­deut­schen Far­ben in der Ver­bin­dung. Oder auch – nicht ganz so häu­fig – der Name der Ver­bin­dung: „Ger­ma­nia“. Die […]

8. Nov 2019

Schon bei den „Far­ben“ zeigt die Wie­ner Ger­ma­nia klar Flag­ge. Für sie bzw. für „ech­te“ Ger­ma­nen kommt da nur Schwarz-Rot-Gold, die „Reichs­far­ben“ in Fra­ge. Und das, obwohl „unter Patro­nanz der Sie­ger­mäch­te“ in deren „geschicht­li­cher Unkennt­nis“ die­se Far­ben dann für „West­deutsch­lands“ Flag­ge ver­wen­det wurden.

über die Bundesfarben der pB Germania Wien: Schwarz-Rot-Gold (Screenshot Website Germania Wien, 2019)
über die Bun­des­far­ben der pB Ger­ma­nia Wien: Schwarz-Rot-Gold (Screen­shot Web­site Ger­ma­nia Wien, 2019)

Mit der geschicht­li­chen Kennt­nis neh­men es aber auch die Wie­ner Ger­ma­nen nicht so genau. Als 2013 wir und der „Stan­dard“ (29.1.2013) über die Fotos vom Faschingsgschnas 2008 auf der Web­site der Ger­ma­nia Wien berich­te­ten, auf denen man Uni­for­mier­te (Mili­tär oder Poli­zei?), Men­schen in der Kut­te des Ku-Klux-Klan und einen als ortho­do­xen Juden Ver­klei­de­ten erken­nen konn­te, nahm die Ger­ma­nia als Reak­ti­on alle ihre Fotos vom Netz und ver­such­te es mit einer Gegenerzählung.

Germania-Gschnas 2008: mit Ku Klux Klan, Uniformierten und orthodoxem Juden (Screenshot Website Germania Wien, 2013)
Ger­ma­nia-Gschnas 2008: mit Ku-Klux-Klan, Uni­for­mier­ten und ortho­do­xem Juden (Screen­shot Web­site Ger­ma­nia Wien, 2013)

Die Fotos stamm­ten zwar vom Faschingsgschnas, die wei­ßen Kut­ten wären aber nicht dem Klan zuzu­rech­nen, son­dern wür­den „Büßer“ wie in der Sema­na San­ta in Sevil­la zei­gen. In der Sema­na San­ta, also der hei­ligs­ten Woche des Jah­res, wer­den zwar auch Kut­ten getra­gen, es kom­men aber kei­ne ortho­do­xen Juden und auch kei­ne Uni­for­mier­ten vor. Eine all­zu bil­li­ge und bös­ar­ti­ge Aus­re­de für die „ver­stö­ren­den Bil­der“ (Die Pres­se, 27.1.2018), die von den Medi­en auch nicht geglaubt wurde.

Auf ihrer Web­sei­te stel­len sich die Wie­ner Ger­ma­nen auch mit ihren Grund­sät­zen und Zie­len vor. Da bekennt sich die Bur­schen­schaft umstands- und abstands­los zur deut­schen Volks- und Kul­tur­ge­mein­schaft, obwohl die­ser Begriff ein zen­tra­ler ideo­lo­gi­scher Begriff des Natio­nal­so­zia­lis­mus war.

Das Bun­des­lied der Wie­ner Ger­ma­nia, die 1907 gegrün­det wur­de und ein Mit­glieds­bund des Öster­rei­chi­schen Pen­nä­ler-Rin­ges (ÖPR) ist, quillt über vor Bekennt­nis­sen zum Deutsch­tum in allen Aus­schmü­ckun­gen: „deut­sche Zun­ge“, „deut­sches Herz“, „deut­sche Erde“, „deut­sche Trop­fen“, „deut­sches Vater­land“, „deut­sches Volk“ und natür­lich auch das „deut­sche Eichen­holz“ wer­den da in knap­pen vier Stro­phen aus­gie­big abge­fei­ert. Den frü­he­ren Wie­ner Kul­tur­stadt­rat Andre­as Mailath-Pokor­ny ver­an­lass­te die­se prall­deut­sche Dich­tung aus dem Jahr 1886 zu eini­gen sar­kas­ti­schen Sät­zen an die Adres­se der FPÖ im Wie­ner Gemein­de­rat: „Kommt Ihnen das bekannt vor? Wird das bei Ihnen so gesun­gen? Dann hät­te ich doch ger­ne, dass Sie sich ins Fern­se­hen stel­len und das dort auch tun. Und dann wer­den wir sehen, wie vie­le Leu­te sich tat­säch­lich dem anschlie­ßen wol­len.“ (Stan­dard, 27.1.2018)

Das Bun­des­lied ist aber nicht die ein­zi­ge Dich­tung, die die Wie­ner Ger­ma­nen anzu­bie­ten haben. „Zum Geleit“ springt die Besu­che­rIn­nen der Home­page schon das etwas holp­ri­ge Opus in Vers­form „Bur­schen­schaft“ von Prof. Heinz Rei­chen­fel­ser an.

Wir zitie­ren hier nur zwei Zei­len: „Bur­schen­schaft, du Hort der Treue, alt und ewig jung zugleich,
Kei­ne Fein­de kön­nen schmä­lern dei­ne Taten, stolz und reich.

Geleitgedicht der pB Germania Wien: "Burschenschaft, Du Hort der Treue" (Screenshot Website Germania Wien, 2019)
Geleit­ge­dicht der pB Ger­ma­nia Wien: „Bur­schen­schaft, Du Hort der Treue” (Screen­shot Web­site Ger­ma­nia Wien, 2019)

Der Rei­me­schmied die­ses wuch­ti­gen Wer­kes, Heinz Rei­chen­fel­ser (1901–1969), kommt nicht nur aus einer Dynas­tie von pen­na­len Ger­ma­nen, son­dern war auch der Autor des Büch­leins „Sie folg­ten dem Ruf des Füh­rers. Erleb­nis­se eines SS-Mannes“.

Die Stadt Graz weiß über ihn und sei­ne Taten Fol­gen­des zu berichten:

Im Juli 1938 plan­te er zusam­men mit Hans Zis­ser die bis ins kleins­te Detail insze­nier­te Fei­er zum Geden­ken an die beim Putsch gegen Doll­fuß getö­te­ten Natio­nal­so­zia­lis­ten. Wäh­rend des „Drit­ten Rei­ches” war Rei­chen­fel­ser, ein Ange­hö­ri­ger der Waf­fen-SS, Pro­fes­sor für Gebrauchs­gra­fik an der Meis­ter­schu­le des deut­schen Hand­werks in Graz. Mit Hans Stock­bau­er gestal­te­te er den noch heu­te im Rat­haus unter ande­rem Namen prä­sen­tier­ten groß­for­ma­ti­gen Gobe­lin-Ent­wurf mit dem ursprüng­li­chen Titel ‚Graz — Stadt der Volks­er­he­bung, Boll­werk gegen den Süd­os­ten’, der den Kampf um das Deutsch­tum im Grenz­land the­ma­ti­siert. Nach der Befrei­ung durch die Alli­ier­ten wur­de Rei­chen­fel­ser im Lager Gla­sen­bach inter­niert. Er war Mit­be­grün­der der frei­heit­li­chen ‚Aula’ und illus­trier­te Bücher des Leo­pold Sto­cker Ver­la­ges. Ab 1953 lei­te­te er die Wer­be­ab­tei­lung der Braue­rei Reininghaus.

Damit wird das Por­trät der Ger­ma­nia, die sich mit dem Gedicht des ehe­mals ille­ga­len Nazi schmückt, noch etwas deut­li­cher und ein­schlä­gi­ger. Wir erin­nern bei die­ser Gele­gen­heit aber auch noch ein­mal an das, was wir bereits 2013 geschrie­ben haben:

2009 luden sie sich den frü­he­ren Chef der wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung ver­bo­te­nen Hoch­schul­grup­pe Akti­on Neue Rech­te (ANR), Bru­no Haas zu einem Vor­trag über die „Hoch­schul­po­li­tik in den 70er Jah­ren“. Ende der 70er Jah­re tauch­te die ANR in den ‚infor­mel­len Unter­grund’ ab. Bei einem ihrer Pro­po­nen­ten, Georg Gas­ser, fand die Poli­zei bei einer Haus­durch­su­chungeine Ku-Klux-Klan-Mit­glied­sur­kun­de. Gas­sers SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen, die im Jahr 2002 auf­ge­flo­gen ist, haben wir hier schon mehr­fach beschrie­ben.

Es dürf­te daher auch kein Zufall sein, dass einer der wich­tigs­ten Akti­vis­ten der Küssel’schen Neo­na­zi-Trup­pe „Alpen-Donau“ ein Mit­glied der pen­na­len Ger­ma­nen war. Angeb­lich wur­de er nach sei­ner Ver­ur­tei­lung aus­ge­schlos­sen, aber was weiß man schon! Die pen­na­len Ger­ma­nen spre­chen über sich ja nicht so gerne.

➡️ Die deutsch-völ­ki­sche Ver­bin­dung des Nor­bert Hofer: Die pen­na­le Bur­schen­schaft Mar­ko Germania
➡️ Ger­ma­nia Ried: Fin­gers crossed?