Es hat mehrere Anläufe von parlamentarischen Fragen gebraucht, um dem Innenminister einigermaßen herauszukitzeln, in welchen Medien das Innenministerium inseriert bzw. „Google Ads” platzieren lässt. Abgeordnete von SPÖ (Sabine Schatz), Liste Pilz (Alfred Noll) und der Grüne Bundesrat David Stögmüller bemühten sich in unterschiedlichen Varianten um eine Antwort auf die Frage, warum der Minister in rechtsextremen Medien inseriert und in welchen.
Am weitesten gekommen ist dabei die Abgeordnete Schatz (SPÖ). In ihrer zweiten Anfrage fragt sie gezielt die „Online-Werbung des Innenministeriums“ in bestimmten Medien ab. Die führt sie auch taxativ an. Da bleibt dem Innenminister nicht mehr viel anderes übrig als doch zu antworten. Das ist nicht selbstverständlich beim BMI, denn als der „Kurier“ und „Stoppt die Rechten” über die Bannerwerbung des BMI bei dem rechtsextremen identitären Medienprojekt Die Tagesstimme berichteten, ließ das BMI via Kurier jede Verbindung mit der Tagesstimme dementieren, sprach sogar von rechtlichen Schritten, die man prüfen wolle.
Durch die Anfragebeantwortung ist geklärt, dass das BMI über „Google Ads” in rechtsextremen, antisemitischen und/oder verschwörungstheoretischen Medien Bannerwerbung für die Rekrutierung von Polizeinachwuchs platzieren ließ. Die vom BMI definierten Kriterien für eine „Blacklist“ schließen nämlich eine Werbung in rassistischen, rechtsextremen und verschwörungstheoretischen Online-Medien nicht aus.
Bei der Frage, ob der Minister oder sein Fachreferent für „operative Kommunikation“, Alexander Höferl (bis zum Eintritt in Kickls Kabinett Chefredakteur von unzensuriert), mit der Werbekampagne in den Online-Medien etwas zu tun haben, verweigerte der Minister die Antwort. Egal, wir können uns es denken. Offen bleibt, ob durch die von Sabine Schatz abgefragten Medien tatsächlich alle rechtsextremen Medien im deutschsprachigen Raum erfasst sind, in denen Kickl inserieren ließ. Auch das ist eigentlich egal – die zugegebenen Publikationen sprechen ohnehin für sich.
In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage von Sabine Schatz zu Inseraten in extrem rechten und antisemitischen Publikationen führte Kickl nämlich die Printmedien alles roger? und Wochenblick bzw. wochenblick.at an, die mit Inseraten des BMI versorgt wurden.
Das DÖW bezeichnete diese Medien 2017 als „Desinformationsprojekte am rechten Rand“, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) urteilte 2016, also vor der Razzia, in einer Gefährdungseinschätzung über unzensuriert.at und info-direkt: „Die in diesen Medien veröffentlichten Inhalte sind zum Teil äußerst fremdenfeindlich und weisen antisemitische Tendenzen auf. Es werden auch verschwörungstheoretische Ansätze und eine pro-russische Ideologie vertreten.“
Im Folgenden daher nur einige Informationen zu den deutschen extrem rechten und verschwörungstheoretischen Portalen, in denen das BMI Bannerwerbung für Polizeinachwuchs platzierte.
Das Nachrichtenportal Sputnik News ist – so wie Russia Today – ein Ableger des staatlichen russischen Medienunternehmens Rossija Sewodnja, das vom Chefredakteur des Online-Mendienportas meedia als eines der erfolgreichsten Alternativmedien „aus einem rechten Paralleluniversum“ bezeichnet wurde. Wie sehr sich das Medienportal für brachiale russische Propaganda instrumentalisieren lässt, wurde besonders deutlich durch die Berichterstattung im Fall Lisa, bei der Sputnik News federführend war, wie Wikipedia berichtet:
Im Fall Lisa, bei dem im Januar 2016 von einer vermeintlichen Vergewaltigung einer russischstämmigen Schülerin durch Migranten in Berlin berichtet wurde, war Sputnik federführend in der Verbreitung irreführender und unsubstantiierter Berichte, die zu beträchtlicher Unruhe unter Russlanddeutschen bis hin zu Demonstrationen mit mehreren hundert Teilnehmern auch vor dem Kanzleramt führten. Die Falschbehauptungen wurden in der Folge auch von rechtsextremen Kreisen aufgegriffen und gegen Flüchtlinge und die Migrationspolitik der Bundesregierung instrumentalisiert. Der russische Außenminister Sergei Wiktorowitsch Lawrow schaltete sich schließlich persönlich in die „Affäre“ ein und unterstellte den deutschen Ermittlungsbehörden fälschlich, hier zur politisch korrekten Übermalung von Migrationsproblemen eine Vergewaltigung zu vertuschen.
Compact online ist der Internet-Ableger des immer mehr zur extremen Rechten tendierenden völkischen Magazins Compact von Jürgen Elsässer. Von dem stammen Aussagen wie die über die AfD, die „der Stock (ist), mit dem wir die Blockparteien prügeln müssen, bis sie grün und blau sind“. Compact versteht sich als Sprachrohr von AfD und Pegida. Tobias Ginsburg beschreibt in seinem Buch „Die Reise ins Reich“ Elsässer und Compact so:
Elsässer ist Herausgeber und Chefredakteur der ultrarechten Zeitschrift Compact, Aktivist, Ex-Linker, Neu-Rechter und Verschwörungstheoretiker par excellence – kaum einer tanzt so wild über das straff gespannte Stahlseil zwischen Naziparole und bürgerlichem Ressentiment wie er. Momentan ist er auf großer Werbetour für die AfD. »Compact Live« nennen sich die Veranstaltungen, organisiert von Elsässers Magazin und der AfD. Parteipolitiker und rechtsradikale Prominente treten hier auf und zum Abschluss auch immer Elsässer selbst, als sein eigener Stargast. (S. 190)
Der Wächter ist das wohl in Österreich am wenigsten bekannte Online-Portal aus dem „rechten Paralleluniversum“. Mimikama beschäftigte sich mit einer der dümmsten, vom Wächter verbreiteten Legenden über Hitler, der seinen Selbstmord überlebt haben soll. Der Blogger Martin Weber bringt eine sehr treffende Beschreibung des anonymen (!) Wächter:
Dort teilt man mit einer großen Kelle dampfend gegen all jene Systemmedien aus, verbreitet gerne auch klassische Verschwörungstheorien (»Finanz-Judentum«, Zentralbanken im Besitz der Familie Rothschild etc) und verbreitet ansonsten auch ziemlich jeden Quatsch (beispielsweise »Snowden sagt, Bin Laden lebe«, was auf eine Satirewebsite zurückging).
Werbung in rechtsextremen und/oder verschwörungstheoretischen und/oder antisemitischen Publikationen – dafür steht das Innenministerium des Herbert Kickl.