Das Geschworenengericht, das nun nach einer blamablen ersten Runde im zweiten Anlauf der benötigten Jugendgerichtsbarkeit entspricht (der Angeklagte war im Tatzeitraum teilweise unter 21 Jahre alt), muss nun über den Vorwurf der NS-Wiederbetätigung entscheiden.
Wie auch im geplatzten Verfahren im März beantragte der Beschuldigte zu Beginn den Ausschluss der Öffentlichkeit wegen seiner persönlicher Daten, da diese sonst am nächsten Tag in „allen Medien“ veröffentlicht würden. Auch diesmal entschieden sich die drei Berufsrichter_innen dagegen. In ihrer Begründung machten sie deutlich, dass die Zulassung der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren „ein hohes Gut“ ist, welches gesetzlich streng geregelt ist.
Die Staatsanwaltschaft Wien legt dem Angeklagten zur Last, „sich im nationalsozialistischen Sinne betätigt zu haben. In der Zeit zwischen März 2009 und März 2011 bestand die von den bereits rechtskräftig verurteilten Gottfried Küssel, Felix B. und Christian A. betriebene rechtsextreme Website alpen-donau.info. Sie wurde betrieben, um nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiteten und weiter hochleben zu lassen“, so die Staatsanwältin.
Im dort angeschlossenem Forum alinfodo.com soll der hier Angeklagte als Administrator unter dem Kürzel „RSD“ (steht für Reichssicherheitsdienst) als redaktioneller Leiter und administrativ Verantwortlicher tätig gewesen sein.
„Er war nicht nur für die inhaltliche Gestaltung und die nationalsozialistische Ausrichtung des Forums verantwortlich, sondern er hat auch wesentlich mitbestimmt wer als User berechtigt war daran teilzunehmen“, konkretisierte die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe. Der Angeklagte soll auch selbst Beiträge im besagten Forum veröffentlicht haben. In der Signatur des ihm zugeordneten Profils fand sich unter jedem Posting ein Zitat Adolf Hitlers aus „Mein Kampf“.
Außerdem soll er in diesem Zeitraum Bilder und Beitrage auf alpen-donau.info veröffentlicht und auch die Website inhaltlich mitgestaltet haben. Zum Beispiel soll er dort am 22.04.2009 einen Text in Bezug auf den wegen NS-Wiederbetätigung rechtskräftig verurteilten (und mittlerweile verstorbenen) Gerd Honsik online gestellt haben.
Zuordnung des Angeklagten
Die Beweislage stützt sich vor allem auf einen sichergestellten E‑Mail-Kontakt zwischen dem bereits rechtskräftig verurteilten Christian A. und dem Beschuldigten, aus dem hervorgehen soll, dass er mit der Erstellung und Einrichtung dieses Forums betraut und noch bevor das Forum online gegangen ist, bereits registriert gewesen sei.
Der Angeklagte selbst bestritt, mit alldem etwas zu tun gehabt zu haben und bekannte sich nicht schuldig. Er habe auch nie Kontakt zum geladenen Zeugen Christian A. gehabt, an den das belastende Mail verschickt worden sein soll. Der geladene Zeuge sagte ebenfalls aus, dieses Mail nur aus dem Ermittlungsakt zu kennen. Mehr über den Hintergrund werden wir wohl erst im weiteren Prozessverlauf erfahren.
Politische Gesinnung
Zu seiner ideologischen Einstellung und möglichen Kontakten zu den bereits rechtskräftig Verurteilten Gottfried Küssel, Felix B. und Christian A. schwieg der Angeklagte während der Verhandlung, verbergen konnte er seine politische Gesinnung jedoch auch im Verfahren nicht.
Während der Angeklagte diesmal im auffälligen Anzug mit aufgedruckten Palmen und Flamingos vor Gericht auftrat, glänzte er beim gescheitertem Prozess im März noch im „Wir sind alle www.alpen-donau.info“-Solidaritäts-Shirt, also von der Webseite, für die er vor Gericht steht. Außerdem saßen diesmal keine Unbekannten mit im Publikum um den Angeklagten beizustehen: Sascha R., Sebastian P., Franz R. und andere warteten vor Prozessbeginn beziehungsweise in den Pausen mit dem Beschuldigten vor dem Saal.
Die bei einer Hausdurchsuchung sichergestellten Flugblätter, Bücher, Aufkleber und Anstecknadeln mit Hakenkreuzen und Hitler-Bildern versuchte der Angeklagte mit seinem „historischem Interesse“ abzutun und gab an, dass zum Beispiel Bücher wie „Mein Kampf“ (von denen der Beschuldigte gleich drei Exemplare besaß) in vielen Bibliotheken zu finden seien. Dies sorgte nicht nur im Publikum für Skepsis. Als der Angeklagte dann auch noch einen Sachverständigen für Nachrichtentechnik ausgerechnet aus Braunau am Inn vorschlug, konnte sich selbst eine Geschworene nicht mehr den Kommentar „Braunau, komisch“ verkneifen. Der vorsitzende Richter kommentierte dies mit einer Beschwichtigung, dass ihm hier niemand etwas unterstellen würde, es aber „schon ein kleiner Gag“ sei, dass ausgerechnet Braunau genannt wurde.
„Sie sind jetzt nicht der Kommentator der Anklage!“
Den Großteil des ersten Prozesstages verbrachte der Angeklagte damit, selbst eine Vielzahl von Beweisanträgen zu stellen, was nicht nur beim Richter für Unmut sorgte. Der Angeklagte zeigte sich unbeeindruckt von den Einwänden des Vorsitzenden, auch als dieser ihm ganz deutlich sagte, er sei hier „nicht der Kommentator der Anklage“, sondern könne lediglich entlastende Beweise vorbringen.
Es folgte eine eidesstattliche Erklärung, die Beantragung weiterer Sachverständiger und Zeug_innen, zum Beispiel soll ein Sachbearbeiter des LKAs Rostock und der Anstaltsleiter der Haftanstalt, in der Felix B. einsaß, geladen werden.
Der Richter_innensenat entschied sich nach längerer Beratungspause dafür, zum einen den von der Staatsanwaltschaft beantragten „großen“ Akt rund um den alpen-donau-Komplex einzuholen und zum anderen Felix B. als Zeugen zu laden. Das wird am nächsten Prozesstag im September geschehen, an dem auch über die weiteren Beweisanträge des Angeklagten entschieden werden soll. Wir werden weiter berichten.
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