Wochenschau KW 23

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Die Hit­ler­grü­ßer im Vor­marsch? Die­sen Ein­druck könn­te man jeden­falls nach der Lek­tü­re der Berich­te zur letz­ten Kalen­der­wo­che erhal­ten. Ganz falsch ist der Ein­druck nicht, auch wenn es mehr­heit­lich nicht um Vor­fäl­le in der letz­ten Woche, son­dern um Urtei­le und Ankla­gen geht. Aber das Hin­ter­grund­ge­räusch nimmt zu, das zeigt nicht nur das ver­stö­rend het­ze­ri­sche Foto aus See­feld, son­dern auch der dümm­li­che Vor­stoß der FPÖ Ober­ös­ter­reich, Brauch­tum und Tra­di­ti­on in der Ver­fas­sung festzuschreiben.

Wien-Pal­ma di Mallorca/Esp: Hit­ler­gruß nach Ländermatch
Wien-Vil­lach/K: Hit­ler­grü­ße und Nazi-Postings
Linz: Zehn Mona­te für Hitlergruß
Seefeld/T: Holz­bank „Not for Muslims“!
Klagenfurt/Bleiburg : Ankla­gen gegen Hit­ler­grü­ßer rechtskräftig
Inns­bruck: Diver­si­on für das „erschieß­ba­re Asylantengfrast“
Graz: Wal­hal­la für „Aula“
OÖ: Schwei­ne­fleisch in die Ver­fas­sung! Und die „Zechen“?

Wien/Palma di Mallorca: Hitlergruß nach Ländermatch

Nach dem Fuß­ball-Län­der­match, das Öster­reich am Sams­tag, 2. Juni gegen Deutsch­land mit 2:1 gewon­nen hat, konn­te ein öster­rei­chi­scher Fan im Lokal „Bier­kö­nig“ in Pal­ma di Mal­lor­ca beim Abspie­len der öster­rei­chi­schen Hym­ne sich nicht mehr län­ger zurück­hal­ten, stell­te sich mit nack­tem Ober­kör­per auf eine Bier­bank und zeig­te den Hitlergruß.

Das Foto eines Par­ty­gas­tes doku­men­tiert die Sze­ne, die den Neo­na­zi auf einer Bier­bank von hin­ten mit dem Hit­ler­gruß zeigt, wobei der nack­te Rücken dan­kens­wer­ter­wei­se zahl­rei­che Tat­toos frei­gibt, die deut­li­che Hin­wei­se auf die Iden­ti­tät des alko­ho­li­sier­ten Man­nes geben. „Ehre, Treue, Vater­land“ umrah­men den Bun­des­ad­ler – auch ein Land­ser mit Stahl­helm ist zu sehen. Angeb­lich haben Zeu­gen auf dem Bauch auch noch den Spruch ACAB (All Cops are Bas­tards) erkannt. Viel Zeit war ja nicht, denn die Secu­ri­ty des Lokals griff schnell durch und beför­der­te den Nazi ins Freie. Da es offen­sicht­lich nicht nur Fotos, son­dern auch Zeu­gen gibt, dürf­te ihn ein Ver­fah­ren nach dem Ver­bots­ge­setz erwarten.

Wien-Villach/K: Hitlergrüße und Nazi-Postings

Am Mon­tag, 4. Juni, muss­ten sich vier jun­ge Kärnt­ner vor Geschwo­re­nen am Wie­ner Lan­des­ge­richt wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ant­wor­ten. Der Erst­an­ge­klag­te Nico T. ist zwar erst 22 Jah­re alt, aber schon ein alter Bekann­ter in der Nazi-Skin-Sze­ne. Der bereits ein­mal Vor­be­straf­te hat es für die Ankla­ge auf 54 „ein­schlä­gig-wider­li­che Pos­tings“ (Kro­ne, 6.6.2018) bzw. auf „48 ein­schlä­gi­ge Bil­der“ auf Face­book für die Ankla­ge gebracht. Der Bericht auf derstandard.at gibt nicht nur eini­ge die­ser wider­li­chen Pos­tings von Nico wie­der, son­dern schil­dert auch in Ansät­zen die Geburts­tags­fei­er vom 18. März 2017 im Lokal des Zweit­an­ge­klag­ten, bei der auch der Hit­ler­gruß gezeigt und vom Wir­ten abfo­to­gra­fiert und kom­men­tiert wur­de: „Bin stolz auf euch, 88″ (derstandard.at).

Eher depri­mie­rend fällt der Bericht in der „Kro­ne“ aus, wo die Geburts­tags­fei­er als „ent­ar­tet“ (!) bezeich­net und dem Quar­tett „zugu­te“ gehal­ten wur­de, dass es sich mit der Ankla­ge­be­he­bung „frei­wil­lig“ in ein Dera­di­ka­li­sie­rungs­pro­gramm bege­ben habe. Dem Bericht auf standard.at ist zu ent­neh­men, dass das Urteil die Ange­klag­ten ver­pflich­tet, ihr Anti­fa­schis­mus­trai­ning fort­zu­set­zen und inner­halb eines hal­ben Jah­res in Ein­zel­füh­rung das KZ Maut­hau­sen zu besu­chen. Der Erst­an­ge­klag­te Nico T. wur­de zu zwei­ein­halb Jah­ren Haft (davon 9 Mona­te unbe­dingt), die ande­ren zu Haft­stra­fen zwi­schen neun und zwölf Mona­ten bedingt verurteilt.

Linz: Zehn Monate für Hitlergruß

Der Ort, an dem der Ange­klag­te (26) am 5. Febru­ar 2017 den Hit­ler­gruß zeig­te, war nicht unbe­dingt gut aus­ge­wählt: das Poli­zei­an­hal­te­zen­trum Linz, wo er mit zwei ande­ren Häft­lin­gen ein­saß. Von sei­nem Hit­ler­gruß damals gab es sogar ein Beweis­fo­to . Sei­ne Ver­tei­di­gungs­tak­tik war auch eher sub­op­ti­mal : „Ich habe nur über die Kör­per­grö­ße gescherzt, habe des­we­gen den Arm geho­ben, um zu zei­gen: Die Ber­ge in Tirol sind grö­ßer als ich.“ Das Urteil: zehn Mona­te bedingt (heu­te OÖ, 6.6.2018).

Seefeld/T: Holzbank „Not for Muslims“!

Aus See­feld in Tirol erreicht uns das Foto einer der zahl­rei­chen Holz­bän­ke, die rund um den See zur Rast für Wan­dern­de auf­ge­stellt wur­den, mit der ein­ge­ritz­ten Inschrift „Not for Mus­lims“. Nach unse­ren Infos wur­den die Hass­bot­schaf­ten an min­des­tens zwei die­ser Holz­bän­ke angebracht.

© pri­vat

Klagenfurt/Bleiburg : Anklagen gegen Hitlergrüßer rechtskräftig

Inzwi­schen sind alle sechs Ankla­gen gegen die mut­maß­li­chen Hit­ler­grü­ßer vom Loi­ba­cher Feld in Blei­burg rechts­kräf­tig. Die sechs ange­klag­ten Kroa­ten blei­ben vor­erst auch in Unter­su­chungs­haft – der Antrag auf Ent­haf­tung, den einer von ihnen gestellt hat­te, blieb erfolg­los Zwei wei­te­re von den sechs Beschul­dig­ten haben mitt­ler­wei­le eben­falls Ent­haf­tungs­an­trä­ge gestellt, berich­tet die „Klei­ne Zei­tung“ am 5.6.2018.

Innsbruck: Diversion für das „erschießbare Asylantengfrast“

Auf der Face­book-Sei­te des Tiro­ler FPÖ-Chefs Mar­kus Abwerz­ger wird zeit­wei­se so hef­tig gehetzt, dass das Lan­des­ge­richt Inns­bruck ganz schön beschäf­tigt wäre, wür­den alle Hetz­pos­tings zur Anzei­ge kom­men. Das läuft fast immer so ab: Abwerz­ger kom­bi­niert Medi­en­be­rich­te über Vor­fäl­le mit Asyl­wer­bern, Flücht­lin­gen oder Mus­li­men, schreibt dazu einen knap­pen Kom­men­tar wie etwa „Unfass­bar“ und über­gibt den Kno­chen der Meu­te, die sich dann gegen­sei­tig mit het­ze­ri­schen Sprü­chen überbietet.

Statt Abwerz­ger könn­te man natür­lich auch Stra­che oder Gude­nus oder irgend­ei­nen ande­ren FPÖ-Häupt­ling ein­set­zen. Im Fal­le von Sepp Kuschal war es aber Abzwerz­ger, der einen „Krone“-Bericht über die Ermor­dung eines Lin­zer Ehe­paars durch einen Asyl­wer­ber teil­te und mit „Unfass­bar“ kom­men­tier­te. Sepp Kuschal set­ze dazu: „Erschieß­bar ist so ein Asy­lan­teng­fra­st immer“.

Dafür und für ande­re Hass­sprü­che muss­te er sich am 6. Juni vor dem Lan­des­ge­richt Inns­bruck wegen Ver­het­zung ver­ant­wor­ten. Dabei stell­te sich her­aus, dass Sepp Kuschal in Wirk­lich­keit Wolf­gang K. heißt, in Nie­der­ös­ter­reich lebt, sich selbst als „weder aus­län­der­feind­lich noch ras­sis­tisch“ (Kro­ne Tirol, 7.6.18) sehen möch­te und damals, am 1. Juli 2017, nach eige­nen Anga­ben stark alko­ho­li­siert und nach dem Tod sei­nes Vaters in einem psy­chi­schen Aus­nah­me­zu­stand war.

Der Vor­schlag der Ver­tei­di­gung auf Diver­si­on wur­de sowohl von der Staats­an­walt­schaft als auch dem Ange­klag­ten akzep­tiert . Das bedeu­tet. 2.500 Euro Buße für das „Asy­lan­teng­fra­st“ plus 100 Euro Ver­fah­rens­kos­ten. Ein aus­führ­li­cher Pro­zess­be­richt ist hier zu lesen.

Graz: Walhalla für „Aula“

Als am 7.6. der „Schrift­lei­ter“ und Geschäfts­füh­rer der „Aula“, Mar­tin Pfeif­fer, als Gra­zer FPÖ-Funk­tio­när geoutet wur­de, hieß es aus der FPÖ abweh­rend, zur „Aula“ sei sei­tens der FPÖ alles gesagt. „Etwa­ige Fra­gen sei­en an den Frei­heit­li­chen Aka­de­mi­ker­ver­band zu rich­ten, da es sich bei der ‚Aula’ um kei­ne Publi­ka­ti­on der FPÖ han­delt“, erklär­te der stei­ri­sche FPÖ-Klub­ob­mann Ste­fan Her­mann der APA.

Daher zog sich der Gra­zer Gemein­de­rat Hein­rich Sickl am Sams­tag, 9.6. sein FPÖ-Gwandl kurz­fris­tig aus, leg­te die Kluft des Frei­heit­li­chen Aka­de­mi­ker­ver­ban­des (FAV) Stei­er­mark an und erklär­te, dass die soeben erschie­ne­ne „Aula“ die letz­te gewe­sen sei. Aus. Schluss. Ende. Wal­hal­la für die „Aula“!

Ein­mal mehr erwies sich dadurch die wahr­sa­ge­ri­sche Bega­bung des wei­sen Vilims­ky, der schon vor Wochen das bal­di­ge Ende des Blätt­chens pro­phe­zeit hat­te. Aber schon Her­mann Hes­se wusste:

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tap­fer­keit und ohne Trauern
In and­re, neue Bin­dun­gen zu geben.

Daher folgt auf die erfreu­li­che Nach­richt vom jähen Hin­schei­den der „Aula“ auch die bit­te­re Bot­schaft, dass ab Herbst ein neu­es Maga­zin, „patrio­tisch und wert­kon­ser­va­tiv“ (Sickl), dem wel­ken brau­nen Blatt nach­fol­gen soll.

OÖ: Schweinefleisch in die Verfassung! Und die „Zechen“?

Mit einem wahr­haft epo­cha­len Vor­schlag ließ die ober­ös­ter­rei­chi­sche FPÖ in der Vor­wo­che auf­hor­chen. Der lang­fris­ti­ge Erhalt der lan­des­ty­pi­schen Brauch­tü­mer und Tra­di­tio­nen sei vor allem in Zei­ten mit hoher Zuwan­de­rung von gro­ßer Bedeu­tung, argu­men­tier­ten der FPÖ-Lan­des­haupt­mann-Stell­ver­tre­ter Haim­buch­ner und FPÖ-Klub­ob­mann Her­wig Mahr. Die ÖVP habe schon Zustim­mung signa­li­siert, berich­tet der „Stan­dard“.

Die For­mu­lie­rung in der Lan­des­ver­fas­sung könn­te etwa so lau­ten: „Das Land OÖ bekennt sich zur Hei­mat­pfle­ge durch das Bewah­ren der lan­des­ty­pi­schen Brauch­tü­mer und Tra­di­tio­nen”. Haim­buch­ner nann­te da auch gleich prak­ti­sche Bei­spie­le. Weder dür­fe am Hän­de­schüt­teln gerüt­telt noch am Schwei­ne­fleisch gezerrt wer­den: „Nicht wir wer­den unse­re Tra­di­tio­nen ändern, son­dern unse­re Tra­di­tio­nen und unser Brauch­tum stel­len einen Wert an sich dar, an dem nicht gerüt­telt wird.

Ein kla­rer Stand­punkt, bei dem nur noch die Fra­ge offen­bleibt, ab wel­chem Jahr bzw. Jahr­hun­dert die lan­des­ty­pi­schen Tra­di­tio­nen und das Brauch­tum begin­nen? Denn da hät­te unse­re ober­ös­ter­rei­chi­sche Anti­fa-Brauch­tums­ab­tei­lung gleich meh­re­re Vor­schlä­ge. Etwa die Wie­der­be­le­bung des Brauch­tums der „Inn­viert­ler Zeche“. Das waren Gemein­schaf­ten jun­ger (Bau­ern-) Bur­schen in Ort­schaf­ten, die sich am Wochen­en­de in den Wirts­häu­sern Mes­ser­ste­che­rei­en (mit dem „Fei­tel“) oder Schlä­ge­rei­en mit dem „Och­sen­zee“ (prä­pa­rier­ter Rin­der­pe­nis) gelie­fert haben. Da kön­nen Zuwan­de­rer noch aller­hand ler­nen von unse­rem Brauchtum!

„Fei­tel”, © Matěj Baťha, CC BY-SA 2.5

Auch eine wirk­li­che Neu­be­le­bung des „Fran­ken­bur­ger Wür­fel­spiels“ wäre denk­bar, damit Zuwan­de­rer einen rea­lis­ti­schen Ein­druck erhal­ten, was mit Anhän­gern abwei­chen­der Reli­gio­nen in Ober­ös­ter­reich pas­siert – ist ja eh nur Tradition!