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Was uns die Identitären auf ihrem Jahreskongress verrieten (Teil 1)

Beglei­tet von eini­gen tech­ni­schen Pan­nen fand am 28. Janu­ar im Gra­zer Hotel Weit­zer der Kon­gress „Remi­gra­ti­on und Leit­kul­tur“ der „Iden­ti­tä­ren Bewe­gung Öster­reich“ (IB) statt. 160–180 Akti­vis­tIn­nen und Sym­pa­thi­san­tIn­nen der rechts­extre­men Grup­pe aus Öster­reich sowie aus Deutsch­land, Kroa­ti­en und Nor­we­gen sol­len laut IB und dem rechts­extre­men Maga­zin INFO-DIREKT teil­ge­nom­men haben. (1) Es ist der zwei­te Kongress […]

7. Feb 2017

Es ist der zwei­te Kon­gress die­ser Art, der in der Gra­zer Innen­stadt ver­an­stal­tet wur­de. Bereits im Vor­jahr, am 16. Janu­ar 2016 ver­sam­mel­ten sich 100 Iden­ti­tä­re für einen Jah­res­rück­blick, eben­falls im noblen Hotel Weit­zer. Damals wur­de das Zusam­men­kom­men des akti­vis­ti­schen Kerns der selbst­er­nann­ten Bewe­gung gleich mehr­fach genutzt: Noch in der Nacht wur­de das lin­ke Kul­tur­zen­trum SUb (2) von 15 zum Teil füh­ren­den Kadern der Grup­pe ange­grif­fen. Am Fol­ge­tag wur­de eine Demons­tra­ti­on vor der damals geplan­ten Asyl­wer­be­rIn­nen­un­ter­kunft in der Kirch­ner­ka­ser­ne abge­hal­ten. Anschlie­ßend wur­den Gegen­de­mons­tran­tIn­nen in einer Sei­ten­stra­ße mit Hieb­waf­fen wie einem Tele­skop­schlag­stock atta­ckiert und ver­letzt. Schon die­se Begleit­erschei­nun­gen des Vor­jah­res lie­ßen nichts Gutes für die­ses Wochen­en­de erahnen.

Rück­blick nach Vorn – zwi­schen Rela­ti­vie­rung und der Suche nach Helden
Tho­mas Sell­ner (Obmann IBÖ und Lei­ter IB NÖ) und Roland Moritz (Lei­ter IB OÖ) refe­rier­ten in zwei Bei­trä­gen den Rück­blick auf das Jahr 2016. Letz­te­rer befass­te sich vor­wie­gend mit Sta­tis­tik: Mit der Ent­wick­lung von Lan­des- und Bezirks­grup­pen (wobei sich, wenig über­ra­schend, Stei­er­mark und Wien als akti­vis­ti­sche Hot­spots her­aus­stell­ten), den iden­ti­tä­ren Kanä­len auf sozia­len Medi­en, dem Auf- und Aus­bau von Infra­struk­tur wie dem geplan­ten Zen­trum in Wien sowie den bestehen­den in Graz und Linz. Die­se bräch­ten laut den Refe­ren­ten Poten­ti­al mit sich, wür­den aber in Kom­bi­na­ti­on von Akti­vis­mus, einem neu­en „Sekre­ta­ri­at“ und der Kom­pen­sa­ti­on von anti­fa­schis­ti­schen Inter­ven­tio­nen und lau­fen­den Kla­gen gegen die rechts­extre­me Grup­pe zu stei­gen­den Kos­ten füh­ren. Auf die­se anste­hen­den Gerichts­pro­zes­se plant die IB laut Phil­ipp Hue­mer (Lei­ter IB Wien) mit einer Kam­pa­gne zu reagie­ren. Unter dem Schlag­wort der „Mei­nungs­frei­heit” soll die Straf­frei­heit füh­ren­der rechts­extre­mer Kader erwirkt werden.

Im Jah­res­rück­blick fiel beson­ders der Bei­trag von Tho­mas Sell­ner als Mischung von Geschichts­klit­te­rung und ‚iden­ti­tä­rem‘ Erleb­nis­auf­satz auf: „Die Stim­mung ist ange­spannt. Immer wie­der geht der Ablauf durch den Kopf. Ziel­stre­big und schnell, aber völ­lig wort­los mar­schie­ren sie auf ein Gebäu­de zu und betre­ten es. Die Gän­ge sind leer, die Grup­pe wird lang­sa­mer. Rechts von ihnen ein paar Stu­fen, eine Tür …“

Selbst der Fuß­weg von einer Stra­ßen­bahn­hal­te­stel­le in ein Uni­ver­si­täts­ge­bäu­de wur­de so zu einem epi­schen Schlacht­zug ruhm­rei­cher Kämp­fer sti­li­siert und die Iden­ti­tä­ren konn­ten zumin­dest in ihrer eige­nen Nach­er­zäh­lung zu jenen Hel­den wer­den, nach denen sie sich so sehr seh­nen. Auf­fal­lend war dabei der wie­der­hol­te Ver­such, den rechts­extre­men Aktio­nis­mus als „dis­zi­pli­niert“ und „gewalt­frei“ dar­zu­stel­len: „Nie­mand wur­de ver­letzt, nichts ist pas­siert, wir konn­ten es rei­bungs­los durch­füh­ren“, hieß es etwa zu dem Saal­sturm der Auf­füh­rung von Elfrie­de Jelin­eks „Die Schutz­be­foh­le­nen” im Wie­ner Audi­max. Dass dabei sowohl per­for­men­de Geflüch­te­te als auch Per­so­nen aus dem Publi­kum geschla­gen bzw. gesto­ßen und in Fol­ge acht Anzei­gen wegen Kör­per­ver­let­zung gegen die IB erstat­te­tet wur­den, blen­de­te Sell­ner in sei­ner Erzäh­lung ein­fach aus – im Gegen­satz zu den „Main­stream Medi­en“, die er pau­schal als „Fake-News“ diffamierte.

Stürmung der Vorstellung "Die Schutzbefohlen" im audimax der Uni Wien, 14.04.2016 - Bildquelle: Armin Rudelstorfer (c)
Stür­mung der Vor­stel­lung „Die Schutz­be­foh­len” im audi­max der Uni Wien, 14.04.2016 — Bild­quel­le: Armin Rudels­tor­fer ©

Von „Info­krieg“ zu INFO-DIREKT
Da sich kri­ti­sche Bericht­erstat­tung mit rechts­extre­mer Dem­ago­gie nicht gut ver­trägt, soll die rechts­extre­me Medi­en­ar­beit zur Ver­brei­tung „alter­na­ti­ver Fak­ten” (beschrie­ben als „Info­krieg“ und „Gegen­öf­fent­lich­keit“) wei­ter pro­fes­sio­na­li­siert wer­den. Neben der wei­te­ren Kon­zen­tra­ti­on auf sozia­le Medi­en sol­len ein „Film­stu­dio“ sowie eine „patrio­ti­sche-Ken­nen­lern-App” für ein­sa­me Rechts­extre­me (mit „Patrio­ten­ra­dar“ und Ter­min­ka­len­der) auf­ge­baut werden.

Die Ein­la­dung Mar­tin Sell­ners in ein Talk-For­mat von Ser­vus TV wur­de glei­cher­ma­ßen als moti­vie­rend wie als Legi­ti­ma­ti­on der rechts­extre­men Grup­pe auf­ge­fasst. Trotz­dem soll vor allem die Koope­ra­ti­on mit „alter­na­ti­ven Medi­en“ wei­ter ver­tieft wer­den. Expli­zit genannt wur­den hier­bei die deut­schen Maga­zi­ne Com­pact und Sezes­si­on sowie das dahin­ter agie­ren­de Insti­tut für Staats­po­li­tik. Als wich­ti­ge Part­ne­rIn­nen in Öster­reich, wur­den der FPÖ-nahe Blog unzensuriert.at und das Maga­zin INFO-DIREKT aus Linz her­vor­ge­ho­ben, das nicht nur mit einem Stand am Kon­gress ver­tre­ten war, son­dern auch mit einem Refe­ren­ten: Micha­el Scharf­mül­ler, ein ehe­ma­li­ger Füh­rungs­ka­der des neo­na­zis­ti­schen Bund frei­er Jugend (BfJ).

Fuß­no­ten:
1 Vgl. Face­book-Pos­ting der IBÖ vom 29.01.2017 12:10 Uhr bzw. INFO-DIREKT: Am Wochen­de: Iden­ti­tä­rer Kon­gress und Anti­fa-Gewalt. Online auf­ruf­bar unter: info-direkt-Home­page (Zugrif­fe am 1.2.2017) Anzu­mer­ken ist, dass unter den Teil­neh­men­den mit gro­ßem Abstand vor­wie­gend, unter den Vor­tra­gen­den sogar aus­schließ­lich, Män­ner anzu­tref­fen waren.
2 Vgl. News­ein­trag vom 20.01.2016 des SUb Graz. Online auf­ruf­bar unter subsubsub.at (Zugriff am 1.2.2017)
3 Vgl. Der Stan­dard vom 15.04.2016: Anzei­gen wegen Kör­per­ver­let­zung nach Iden­ti­tä­ren-Akti­on. Online auf­ruf­bar unter: derstandard.at (Zugriff am 1.2.2017)

➡️ Was uns die Iden­ti­tä­ren auf ihrem Jah­res­kon­gress ver­rie­ten (Teil 2)