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Was uns die Identitären auf ihrem Jahreskongress verrieten (Teil 2)

Ein Blick auf die Teil­neh­me­rIn­nen des iden­ti­tä­ren Kon­gress „Remi­gra­ti­on und Leit­kul­tur“, der am am 28. Jän­ner im Gra­zer Hotel Weit­zer statt­fand, ver­deut­lich­te neben neo­na­zis­ti­schen Wur­zel des rechts­extre­men Maga­zins Info-DIREKT, erneut zahl­rei­che Schnitt­stel­len zwi­schen den Iden­ti­tä­ren und der FPÖ. Von „Info­krieg“ zu Info-DIREKT Erst vor weni­gen Tagen publi­zier­te das DÖW neue Erkennt­nis­se, die den Anfangs­ver­dacht der neonazistischen […]

8. Feb 2017

Von „Infokrieg“ zu Info-DIREKT

Erst vor weni­gen Tagen publi­zier­te das DÖW neue Erkennt­nis­se, die den Anfangs­ver­dacht der neo­na­zis­ti­schen Wur­zeln von Info-DIREKT erhär­ten: Neben Scharf­mül­ler betätig(t)en sich Ste­fan Magnet (ehem. Lei­ter des BfJ) und der 2016 ver­stor­be­ne FPÖ-Poli­ti­ker Ste­fan Kohl­bau­er, der u.a. 2007 am Som­mer­la­ger des BfJ teil­nahm, für das Maga­zin. Bei die­sem Lager traf Kohl­bau­er nicht nur auf Gott­fried Küs­sel, Felix Budin und Richard Pfingstl, die spä­te­ren Betrei­ber von alpen-donau.info, son­dern auch auf den Iden­ti­tä­ren Ste­fan Juritz. Die­ser berei­te­te gemein­sam mit Alex­an­der Mar­ko­vic und Juli­an Utz (d.h. der „Theo­rie­grup­pe“ der IB) einen inhalt­li­chen Bei­trag für den iden­ti­tä­ren Kon­gress in Graz vor.

Beson­ders inter­es­sant ist jedoch ein Feh­ler, der sich in den Prä­sen­ta­ti­ons­fo­li­en ein­ge­schli­chen hat und noch wäh­rend des lau­fen­den Vor­trags kor­ri­giert wur­de: Denn nicht Scharf­mül­ler, son­dern „Ulrich Püschel“ war anfangs auf der Lein­wand unter Info-DIREKT zu lesen und Peter Dings­le­der, der den Kon­gress mode­rier­te, muss­te sich den Namen des tat­säch­lich anwe­sen­den Refe­ren­ten erst zuflüs­tern lassen.

Präsentation von INFO-DIREKT. Rechts: Michael Scharfmüller. (Screenshot der FB-Liveübertragung des Kongresses)
Prä­sen­ta­ti­on von INFO-DIREKT. Rechts: Micha­el Scharf­mül­ler. (Screen­shot der FB-Live­über­tra­gung des Kongresses)

Mit Püschel schließt sich ein wei­te­rer Kreis zwi­schen einem publi­zis­ti­schen BfJ-Nach­fol­ge­pro­jekt, rechts­extre­mer Par­tei­po­li­tik, völ­kisch-deutsch­na­tio­na­lem Män­ner­bund und den neo­fa­schis­ti­schen Iden­ti­tä­ren: Er ist Büro­lei­ter des Lin­zer FPÖ Stadt­rats Mar­kus Hein und Orts­par­tei­ob­mann-Stell­ver­tre­ter der FPÖ-Orts­grup­pe Urfahr-Mitte.

Sowohl Hein als auch Püschel sind in der rechts­extre­men Armi­nia Czer­no­witz kor­po­riert wobei Püschel als Schrift­füh­rer eine lei­ten­de Posi­ti­on ein­nimmt. Die völ­kisch-deutsch­na­tio­na­le Bur­schen­schaft erlang­te u.a. durch die Bewer­bung einer Ver­an­stal­tung mit einem von Nazis ent­lie­he­nem Sujet 2010 ein­schlä­gi­ge Bekannt­heit und war 2016 eng in die Orga­ni­sa­ti­on des rechts­extre­men Kon­gres­ses der Ver­tei­di­ger Euro­pas ein­ge­bun­den, wobei Püschel als Kon­takt­per­son für die Saal­mie­te auf­trat. (1) Seit 2016 beher­bergt die Armi­nia Czen­owitz zudem das iden­ti­tä­re Zen­trum in Linz. Die­sem kommt auch in der Jah­res­pla­nung für 2017 eine beson­de­re Rol­le zu: Denn die Zen­tren sol­len sich zum Aus­gangs­punkt iden­ti­tä­rer „Gegen­kul­tur“ ent­wi­ckeln, bestehend aus Folk­lo­re, Kampf­sport und berau­schen­den Fei­ern. Also das, was die bur­schen­schaft­li­chen Ver­mie­ter ohne­hin seit jeher auf ihren Buden praktizieren.

Identitäre, FPÖ und eine „Front der Patrioten“

Der Name Ulrich Püschel war jedoch nicht die ein­zi­ge Schnitt­stel­le zur FPÖ und deren Vor­feld­or­ga­ni­sa­tio­nen im Rah­men des Kongresses:

  • Wie erwähnt, refe­rier­te Mar­ko­vic (der 2010 auf Bezirks­ebe­ne für die FPÖ in Wien kan­di­dier­te (2)) eine Ana­ly­se zu iden­ti­tä­ren Posi­tio­nen in der öster­rei­chi­schen Par­tei­po­li­tik, die er u.a. gemein­sam mit Ste­fan Juritz (ehem. Bezirks­ob­mann des RFJ Deutsch­lands­berg) erar­bei­te­te. Es ist wohl kaum eine Erwäh­nung wert, dass die meis­ten Über­ein­stim­mun­gen mit der FPÖ, gefolgt vom Team Stro­nach, gefun­den wurden.
  • Ste­ve, ein 24 Jäh­ri­ger Lin­zer, der seit einem Jahr in der IB aktiv ist, durf­te von sei­nem per­sön­li­chen Wer­de­gang als rechts­extre­mer Akti­vist erzäh­len. Er sei 2015 erst der FPÖ und dem RFJ bei­getre­ten, dann in der IBÖ gelandet.
  • Ein wei­te­rer Pro­gramm­punkt am Kon­gress war die Ver­lei­hung des iden­ti­tä­ren „Prinz Eugen Prei­ses“ für „außer­ge­wöhn­li­chen Ein­satz“: Ver­lie­hen von Luca Kerbl, dem Lei­ter der IB Stei­er­mark (und ehem. FPÖ-Gemein­de­rat in Fohns­dorf sowie bis April 2016 FPÖ-Bezirks­ob­mann in Graz-Lend), an Harald Peter Wied­ner, dem Lei­ter der Iden­ti­tä­ren Bezirks­grup­pe Weiz, (der 2015 mit der FPÖ für den Gemein­de­rat in St. Ruprecht an der Raab kan­di­dier­te. (3))

Tat­säch­lich gilt die Grup­pe um Wied­ner als eine der aktivs­ten Grup­pen in der Stei­er­mark, wenn auch nicht als Kämp­fer der „Recon­quis­ta“ auf Bezirks­ebe­ne, wie Kerbl deren Aktio­nis­mus hoch­sti­li­sier­te. Aber durch die Teil­nah­me an Stamm­ti­schen und Kleins­tak­tio­nen wie Info­stän­den in ver­schie­de­nen Bezir­ken tra­gen sie zur Insze­nie­rung einer brei­ten „Bewe­gung“ bei, die in jedem Bezirk ver­tre­ten ist – nur bei genaue­rem Hin­se­hen eben immer durch die glei­che Hand voll rei­se­freu­di­ger AktivistInnen.

Dies passt natür­lich nicht ganz zu Mar­tin Sell­ners über­schwäng­li­cher „Lage­ana­ly­se“, der die pos­tu­lier­te Gewalt­lo­sig­keit sei­nes Bru­ders gegen mar­tia­li­sche Phra­sen tausch­te: Eine durch Iden­ti­tä­re Initi­al­zün­dung aus­ge­lös­te patrio­ti­sche Mas­se wer­de wie eine „Lawi­ne ins Tal rol­len um den Damm der Poli­ti­cal Cor­rect­ness weg­zu­fe­gen“, hieß es etwa. Denn, zumin­dest in Sell­ners Phan­ta­sie, gibt es in Öster­reich 5,8 Mil­lio­nen Iden­ti­tä­re – die meis­ten wis­sen es nur selbst noch nicht. In eine ähn­li­che Ker­be schlug auch Phil­ipp Hue­mer in sei­nem Bei­trag: „[G]erade eine ers­te Rei­he, die mit offe­nem Visier die Kon­fron­ta­ti­on sucht, braucht einen brei­ten, sta­bi­li­sie­ren­den Rück­halt in der Bevöl­ke­rung. Oder – mili­tä­risch gespro­chen – eine Avant­gar­de, die den Vor­stoß wagt, muss sich ihrer Rücken­de­ckung gewiss sein.“ Über­ge­ord­ne­tes Ziel für 2017 sei es daher, eine „Front der Patrio­ten“ auf­zu­bau­en, die „genug Schlag­kraft“ auf­weist, um „aktiv und wirk­sam zu sein.“

Radikalisierung des Extremismus der Mitte

Mit ande­ren Wor­ten: Der latent bis offen vor­han­de­ne Ras­sis­mus und auto­ri­tä­re Cha­rak­ter in der soge­nann­ten „Mit­te” der Gesell­schaft wird als Res­sour­ce und Poten­ti­al einer rechts­extre­men Grup­pe ver­stan­den, die sich durch äuße­re Moder­ni­sie­rung und geschlif­fe­ner Medi­en­ar­beit um ein anschluss­fä­hi­ge­res Image bemüht. Und die­sen Extre­mis­mus der Mit­te ver­sucht die IB zu radi­ka­li­sie­ren und zu orga­ni­sie­ren. Inner­halb des rechts­extre­men Spek­trums zeigt der Kon­gress hin­ge­gen den Ver­such, sich zu pro­fes­sio­na­li­sie­ren und zu ver­net­zen, ohne im Aus­blick Abstri­che von der eige­nen Mili­tanz machen zu müssen.

Fuß­no­ten:
1 Don­ners­ba­cher, Paul (2016) Was hat der Lin­zer Vize-Bür­ger­meis­ter mit dem rech­ten „Kon­gress der Ver­tei­di­ger Euro­pas” zu tun?. Online auf­ruf­bar unter: www.vice.com (Zugriff am 1.2.2017)
2 Anna Thal­ham­mer: Das Netz­werk der Iden­ti­tä­ren mit der FPÖ. In: Die Pres­se vom 10.06.2016. Online abruf­bar unter: diepresse.at (Zugriff am 1.2.2017)
3 Vgl. Post­wurf­sen­dung „Wir Stei­ter“ der FPÖ Weiz. Aus­ga­be St. Ruprecht a.d. Raab (05/März 2015), S.3.

➡️ Was uns die Iden­ti­tä­ren auf ihrem Jah­res­kon­gress ver­rie­ten (Teil 1)