Sommerserie: Völkische Studentenverbindungen in Wien

Som­merserie Teil 2: Im zweit­en Teil unser­er Serie zur Vorstel­lung von Mit­gliedsverbindun­gen des Wiener Kor­po­ra­tionsrings (WKR) wid­men wir uns der akademis­chen Burschen­schaft Goth­ia, die mit eini­gen klin­gen­den Namen aufwarten kann – von Schöner­er bis Rosenkranz.

Aus­gewählte Mitglieder

Aktuell: Alexan­der Höferl (Leit­er des FPÖ-Kom­mu­nika­tions­büros, ver­schiedentlich als Chefredak­teur der Het­z­plat­tform „unzensuriert.at“ gehan­delt, Chris­t­ian Neschwara (außeror­dentlich­er Pro­fes­sor am Wiener Juridicum), Arne Rosenkranz (Sohn von Bar­bara und Horst-Jakob).


Anti­semit Georg Schönerer

His­torisch: Georg von Schöner­er (Ehren­bursch ab 1919), Mirko Jelu­sich (NS-Schrift­steller, ‑Jour­nal­ist und ‑Kul­tur­poli­tik­er, kom­mis­sarisch­er Burgth­e­aterchef nach dem „Anschluss“, noch 1975 Red­ner auf einem großen Burschen­schafter-Kom­mers in Inns­bruck), Fritz Stüber (vul­go „Heil Hitler Fritz“, regime­treuer Jour­nal­ist im Nation­al­sozial­is­mus, nach 1945 Mit­be­grün­der des FPÖ-Vor­läufers Ver­band der Unab­hängi­gen und für diesen im Nation­al­rat, erster Schriftleit­er der Zeitschrift „Eckart“, Namensge­ber des „Fritz-Stüber-Heims“ der Arbeits­ge­mein­schaft für demokratis­che Poli­tik (AFP).


„Heil Hitler Fritz“, © unbekannt

Geschichte

In ihrer jet­zi­gen Form ging die Goth­ia aus ein­er Fusion der Burschen­schaften Goth­ia und Ger­ma­nia Wien 1952 her­vor. Die Goth­ia wurde 1885 gegrün­det und ver­stand sich laut aktueller Gothen-Web­site als „Kamp­for­gan­i­sa­tion“ gegen die „Slaw­isierungspoli­tik der Hab­s­burg­er“, für die „Größe, Ein­heit und Rein­heit des deutschen Volkes“ und die „Rein­hal­tung von deutschem Volk­s­tum und Boden“. In diesem Sinne sah sie ihre Auf­gabe inner­halb des Dachver­ban­des Deutsche Burschen­schaft (DB) ab 1919 auch „vor allem in der Durch­set­zung der ost­märkischen Grund­sätze“, wozu nicht zulet­zt die Ein­führung eines Ari­er­para­graphen und die Sat­is­fak­tionsver­weigerung gegenüber Juden zählten. Die Ger­ma­nia wurde 1861 gegrün­det und bezog 1903 eine Bude in der Lan­gen Gasse 10 (Wien-Josef­s­tadt). Dort verblieb sie bis 1938. Den Anschluss Öster­re­ichs ans Deutsche Reich vol­l­zog sie mit ihrer Eingliedierung in den NS-Stu­den­ten­bund (NSD­StB) als Kam­er­ad­schaft Con­rad von Hötzendorf.

Nach dem Zweit­en Weltkrieg und der Fusion von Gothen und Ger­ma­nen erwarb der neue Bund ein Haus in der Schlös­sel­gasse (eben­falls Wien-Josef­s­tadt), in dem er noch heute resi­diert. Die (nicht son­der­lich aktuelle) Web­site gibt die Größe des Bun­des mit cir­ca 60 Mit­gliedern an.

Poli­tis­che Einord­nung und Aktivitäten

Die Goth­ia ver­hält sich nach außen hin in den let­zten Jahren eher unauf­fäl­lig. Für öster­re­ichis­che Ver­hält­nisse zeigte sie sich vorüberge­hend sog­ar eher pro­gres­siv: So gehörte sie 1971 zu den ersten Burschen­schaften in Öster­re­ich, die sich vom Prinzip der „unbe­d­ingten Sat­is­fak­tion“ ver­ab­schiede­ten. In ihrem Auße­nauftritt betont sie in den let­zten Jahrzehn­ten, anders als etwa die Olympia oder Teu­to­nia, weniger poli­tis­che als vielmehr die gesel­li­gen und kar­ri­ere­fördern­den Aspek­te des Verbindungslebens. Nichts­destotrotz gehört die Goth­ia dem inner­burschen­schaftlichen Recht­saußen-Zusam­men­schluss Burschen­schaftliche Gemein­schaft (BG) an. 2005 lud sie Safet Babic, den dama­li­gen stel­lvertre­tenden Vor­sitzen­den des Nation­aldemokratis­chen Hochschul­bun­des (NHB) (Stu­den­tenor­gan­i­sa­tion der deutschen NPD) zu einem Vor­trag ein. Selb­st der Ring Frei­heitlich­er Stu­den­ten (RFS), der ursprünglich als Mitver­anstal­ter aufge­treten war, zog sich (auf Geheiß der FPÖ-Führung?) von der Ver­anstal­tung zurück. Im Jahr darauf strahlten die Gothen auf ihrer Bude den „revi­sion­is­tis­chen“, in Neon­azikreisen abge­feierten Pro­pa­gan­das­treifen „Geheimak­te Heß“ aus, nach­dem die Auf­führung in einem Kino gescheit­ert war. Ein Nahev­er­hält­nis der Gothen zur recht­sex­tremen bis neon­azis­tis­chen AFP ist zudem über wieder­holte Auftritte des AFP-Kaders Kon­rad Windisch bei den bzw. für die Gothen doku­men­tiert. Nicht zulet­zt for­muliert die Goth­ia noch heute auf ihrer Web­site als ihr „große[s] übergreifende[s] Ziel“ kryp­tisch die „Vol­len­dung der Ein­heit des deutschen Volkes im geistig-kul­turellen Sinne“.


Nahev­er­hält­nis zur neon­azis­tis­chen AFP

Triv­ia

Mehrere Gen­er­a­tio­nen von Gothen weist die Wiener Fam­i­lie Wrabetz auf, aus der der aktuelle ORF-Gen­eraldirek­tor Alexan­der Wrabetz stammt. Die Fam­i­lien­tra­di­tion riss mit ihm allerd­ings ab: Wrabetz ist nicht korporiert.

Som­merserie Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4 |