Mesut Onay (Innsbruck) über eine entgleiste Kundgebung

Eine Sprecherin der Bürg­erini­tia­tive, die der Mei­n­ung ist, die Iden­titären hät­ten sich klar von Ras­sis­mus dis­tanziert, ein ÖVP-Gemein­der­at, der aus­ge­buht wurde und seine Rede abbrechen musste, ein Grün­er Gemein­der­at, der heftig attack­iert wurde. Kein Zweifel, die Kundge­bung der IG Arzl, die sich gegen Flüchtlinge und eine Großun­terkun­ft richtete, ist völ­lig ent­gleist. Wir haben bei Mesut Onay, dem Gemein­der­at der Grü­nen, nachgefragt.

1. Warum warst Du bei der Ver­anstal­tung der IG Arzl?

Ich bin Gemein­der­at der Stadt Inns­bruck und gle­ichzeit­ig der Vor­sitzende des gemein­derätlichen „Auss­chuss­es für Bürg­erIn­nen­beteili­gung, Peti­tio­nen und Zivilge­sellschaft”. Ich bin stets bemüht, bei Ver­anstal­tun­gen von Bürg­erini­tia­tiv­en teilzunehmen. In diesem Fall kommt noch hinzu, dass ich die Forderung „keine Traglufthallen als Unterkün­fte für Geflüchtete” teile. Im Vor­feld hat­ten sich im Mobil­isierungs­fly­er der IG Arzl aus mein­er Sicht unre­flek­tierte, Angst schürende Aus­sagen befun­den. Deshalb wollte ich aus erster Hand wis­sen, was dahin­ter steckt. Bürg­erini­itia­tiv­en ist auch nicht geholfen, wenn sie öffentlich aufrufen und keine Poli­tik­erIn­nen zuhören. Ich finde, dass Mit­glieder des Gemein­der­ats im Sinne der Wertschätzung aktiv­er Stadt­be­wohner­In­nen der­ar­tige Ver­samm­lun­gen besuchen soll­ten. Deshalb war ich dort.

2. Wie hat sich die Polizei Dir gegenüber verhalten?

Der Polizist, der dort war, ist nicht beson­ders in Szene getreten. Er wollte mich beruhi­gen und war ruhig.

Video:

3. Wur­dest Du von den Teil­nehmerIn­nen attackiert?

Ja. Ver­bal und kör­per­lich. Kaum wurde mein Schild mit der Auf­schrift „Flüchtlinge Willkom­men in Tirol” gese­hen – ich hat­te es nur mit, weil ich mich von den Fah­nen und Trans­par­enten der Iden­titären still abgren­zen wollte –, wurde ich schon ange­brüllt. Bin­nen Sekun­den kamen die Schreie und Belei­di­gun­gen von allen Seit­en. Der Ord­ner ver­suchte mir mein Schild aus der Hand zu reißen, ich wurde auch geschupft. Ein stilles Teil­nehmen war nicht mehr möglich. Ich sah nur zwei Optio­nen: Entwed­er ich drehe mich um und ver­lasse schnell die Kundge­bung, oder ich gehe auf Risiko und lass mich auf das Spiel ein, mit dem Ziel, die Iden­titären aufzudeck­en – komme was wolle. Ich entsch­ied mich für Zweit­eres. Ich ging trotz allem, was um mich herum geschah, direkt zum Haupt­trans­par­ent der Iden­titäten, stellte mich davor hin, drehte mich um, hob mein Schild hoch und rief mit dem Fin­ger auf die iden­titären Fah­nen zeigend: „Das sind keine besorgten Bürg­er. Das sind Recht­sex­treme, das sind Ras­sis­ten. Das sind vom Ver­fas­sungss­chutz beobachtete gewalt­bere­ite Recht­sex­treme. Lasst Euch von diesen Leuten nicht vor den Kar­ren span­nen!” Dann ging der Spießruten­lauf erst richtig los. Ich hielt mich an meinem Schild fest und wieder­holte laut immer wieder meine Aus­sagen. Ich möchte noch dazu sagen, ich hab NIE Nazis gesagt. Vor Ort wurde ich beschuldigt, sie Nazis und Faschis­ten genan­nt zu haben, das hab ich wirk­lich nicht getan. Ganz bewusst nicht getan. Mir wur­den Prügel ange­dro­ht, ich wurde geschupft, in Fah­nen eingewick­elt, ras­sis­tisch belei­digt etc. Auch nach der Kundge­bung. Die FPÖ beze­ich­nete mich und mein Ver­hal­ten via Presseaussendung als „Schande für die öster­re­ichis­che Demokratie und die poli­tis­che Kul­tur in diesem Land” – ich hätte vorsät­zlich provoziert und die Leute ange­grif­f­en. Ich war dann wirk­lich froh, dass mir das Video per Mail zugeschickt wurde, das übri­gens aus der „geheimen” Face­book­seite der IG Arzl stammt, zu der auch die FPÖ Zugang hat.

4. Warst Du noch dort, als der ÖVP-Stad­trat aus­ge­buht wurde? Wie war das?

Er kon­nte noch eine Minute sprechen. Kaum hat­te er einen Satz gesagt, der den Leuten nicht gefiel, wurde er so lange aus­ge­buht, bis die Sprecherin der IG Arzl ihm das Mikro fre­undlich, aber direkt aus der Hand riss.


Auss­chnitt Flug­blatt IG Arzl 

5. Hat es unter den Teil­nehmerIn­nen organ­isierte Grup­pen gegeben, die Dir beson­ders aufge­fall­en sind?

Ja. Neben den Iden­titären, die mobil­isiert hat­ten – viele von ihnen waren ohne Fahne in der Menge verteilt – hat­ten die FPÖ und die Liste Dinkhauser mobil­isiert. Die FPÖ und die „Liste Fritz“ Dinkhauser hat­ten auch die IG finanziert. Ich habe Screen­shots geschickt bekom­men, in denen man die mas­siv ras­sis­tis­chen, und per­sön­lichen Beschimp­fun­gen auf der IG Arzl Seite sieht. Es waren auch Poli­tik­er divers­er Parteien dort. Ich bin geschockt darüber zu sehen, dass die noch kräftig mitar­beit­en, um die Gun­st der Leute dort zu erhaschen. Kein Einziger hat es geschafft, Stopp zu sagen. Stattdessen ver­sprechen sie das näch­ste Mal dabei zu sein bzw. geben noch Empfehlun­gen, unbe­d­ingt per Leser­brief gegen mich vorzugehen.