Rund 50 Prozesse gegen österreichische UserInnen des Thiazi-Forums sind noch ausständig, berichtete die „Tiroler Tageszeitung“ im November 2015. Nach unserer Einschätzung könnten es noch deutlich mehr sein, denn auf Thiazi waren im Lauf der Jahre Hunderte Rechtsextreme aus Österreich aktiv. Freilich betrieben nicht alle NS-Wiederbetätigung. Die allermeisten im Nationalsozialisten-Privatforum (NSPF) aber sicher. Dort herrschte ein strengeres Regime als in den öffentlichen Foren. Im NSPF gab‘s immer wieder mal Säuberungswellen. Wer sich zu wenig an der Debatte beteiligte wurde rausgeworfen. Wer zu sehr gegen die Administratoren aufbegehrte ebenso. Einer der beiden Admins war übrigens auch Österreicher: „Mjölnir” alias Christian W. aus der Gegend um Wiener Neustadt, der schon 2011 deswegen zwanzig Monate (davon fünf unbedingt) ausfasste.
Wann stehen die vor Gericht?
„Frontwehr“ trat Anfang Juni 2009 in das NSPF ein. Zu Beginn noch etwas schüchtern, beherrschte er schon nach wenigen Wochen das einschlägige Vokabular. Die Eintrittsfrage beantwortete er bereits wie ein alter Nazi: „Nein, Ich glaube nicht an den Holocaust.“ (1.6.2009)
Wann stehen die vor Gericht?
Ein Monat später eröffnete er einen Diskussions-Thread mit der zynischen Frage: „Heil Hitler! Ich frage Mich seit längerem: Wie hat die Endlösung auszusehen? Der erste Versuch einer humanen Resozialiserung der Juden in den Konzentrationslagern ist gescheitert.“ Im September2009 spulte er die Grußformeln routiniert ab: „Heil Hitler, Kameraden! (…) Mit Deutschem Gruße, Frontwehr“ (21.9.2009)
Auch das Verbotsgesetz, nach dem „Frontwehr“ nun vor Gericht stand, war ihm damals nicht unbekannt. Er schlug eine Gesprächsführung zum Holocaust vor:
Weise darauf hin, daß das Strafgesetz bestimmt, daß es den Holocau$t gegeben hat und umschreibe, daß Du eine revisionistische Ansicht besitzt. Versuche mit deiner Distanzierung von eine Holocau$tdiskussion gleichzeitig Dein Gegenüber zum Nachdenken über die Absurdität des Verbotes zu bewegen.
Bei einem Vieraugengespräch hingegen sehe ich keine Gefahr einer Anzeige. Ich selbst bin schon, zugunsten meines Redeflusses das Risiko des 3g eingegangen, auch vor mehreren Leuten. Wichtig ist, daß die Leute, vor denen Du den Holocau$t „leugnest”, Dich schon kennen, bevor Du Deinen politischen Standpunkt preisgibst. Aus Sympathie zu Dir und Deinem Charakter wird Dir in 99% der Fälle eine Anzeige erspart bleiben. (Fehler im Original)
Hätte vielleicht bei „Frontwehr“ auch funktioniert, wenn das Thiazi-Forum 2012 nicht aufgeflogen wäre. Das NSPF war bereits 2010 tot, nachdem die deutsche Antifa die Inhalte komplett online gestellt und etliche Schreiber enttarnt hatte.
Wann steht der vor Gericht?
„Frontwehr“ war damals 18 Jahre. Sein Verteidiger machte im Prozess deshalb auch das jugendliche Alter geltend, betonte, dass der Angeklagte „seine damaligen völlig inakzeptablen Aussagen zutiefst“ bereue und „wirklich geläutert“ sei. Sogar der Hinweis auf die „angesehene bürgerliche Familie“, aus der er stamme, durfte nicht fehlen.
Die Diversion, die er dem Gericht vorschlug, wurde am Ende des Beweisverfahrens abgelehnt. Wohl zu Recht, denn auch unter Berücksichtigung des Alters, war das, was „Frontwehr“ auf Thiazi und im NSPF geliefert hatte, sehr heftig. Auch was der Staatsanwalt sonst noch vortrug, war nicht geeignet, um Geschworene und Gericht vom Angeklagten zu überzeugen. Der musste nach Befragung nämlich zugeben, dass er nicht „bloß“ im Internet Neonazi war, sondern auch Kontakte zu Leuten aus der einschlägigen Szene im Wiener Raum hatte.
Außerdem war da noch der merkwürdige Auftritt bei der polizeilichen Einvernahme im Jahr 2015, bei der er mit gefärbten Haaren, bunten Kontaktlinsen, einem durch Lack verdeckten einschlägigen Tattoo und Superkleber an den Fingerkuppen erschienen ist. Das Thiazi-Forum wollte er nicht einmal kennen. Half alles nichts – die Beweise waren eindeutig. Die Geschworenen sprachen ihn der Wiederbetätigung für schuldig, vom Vorwurf, auch Verhetzung betrieben zu haben, sprachen sie ihn frei. Das Strafmaß wurde vom Gericht dann mit einem Jahr bedingt und einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu vier Euro festgelegt. Der Angeklagte nahm das Urteil an, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab – daher noch nicht rechtskräftig.