Ausgelöscht wurde aber nicht die Partei, sondern Waldner selbst. Am 15. Februar 1997 wurde er am Reichrieglerhof ermordet aufgefunden. Einige Tage später dann eine Hausdurchsuchung im Parteibüro der „Freiheitlichen” – eine politisch äußerst heikle Angelegenheit, aber die richtige Spur. Im Büro war wild herumgeballert worden. Insgesamt fielen 16 Schüsse, bei denen auch fünf Exemplare des Buches von Jörg Haider „Die Freiheit, die ich meine“ durchlöchert wurden. Das Projektil, das gefunden wurde, stammte aus der gleichen Waffe wie die Todesschüsse auf Waldner.
Von da dauerte es nur mehr Stunden, bis Peter Paul R. als Tatverdächtiger verhaftet wurde. Der legte zunächst auch ein umfassendes Geständnis ab, führte die Ermittler zum Versteck der Tatwaffe und präsentierte ein Motiv: Er sei von Waldner erpresst worden wegen seines gefälschten Matura-Zeugnisses. Das Motiv ist klingt plausibel. Schließlich arbeitete Peter Paul R. am Institut für Geschichte der Universität Innsbruck als Assistent und dissertierte in Innsbruck – ohne gesetzliche Grundlage, weil das Maturazeugnis gefälscht war.
Die Enthüllung von der Anstellung des Tatverdächtigen an der Innsbrucker Universität wirft neue Fragen auf, nicht nur die, wie das Matura-Zeugnis überprüft wurde. Es stellt sich heraus, dass Peter Paul R. und vor ihm schon Waldner (dieser am Institut für Revisions-Treuhand- und Rechnungswesen) „Privatangestellte“ der Institute waren, die die Gelder dafür von einem „Verein zur Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung und Tätigkeit von Südtirolern an der Universität Innsbruck“ erhalten haben. Und dieser Verein erhielt einen Gutteil seiner Gelder von anderen Vereinen und einer Stiftung, die damals schon dafür bekannt war, die extreme Rechte in Südtirol mitzufinanzieren: die Laurin-Stiftung.
Peter Paul R. weigerte sich auch, die Namen derjenigen zu nennen, die mit ihm gemeinsam an der Schießerei im Parteilokal beteiligt waren. Dazu kamen dann noch kryptische Bemerkungen von Waldner über die Freiheitlichen. Viel Stoff für alle möglichen Verschwörungs- und Agentengeschichten, die in Südtirol auf gute Resonanz stießen. Zu Beginn des Mordprozesses vor dem Landesgericht Bozen im August 1997 folgt dann auch noch der Widerruf des Geständnisses durch R. . Der Prozess selbst legt dann noch einige Schlampigkeiten beiden polizeilichen Ermittlungen offen – der Angeklagte wird am Ende aber verurteilt: 22,5 Jahre Haft.
R. geht in Berufung und das Oberlandesgericht Trient folgt ihr tatsächlich, spricht R. Ende 1998 „wegen erwiesener Schuldlosigkeit“ frei und setzt ihn sofort auf freien Fuß. Das Schreiben der rechtsextremen Terrororganisation „Ein Tirol“ wird bekannt. In dem Schreiben wurde der vorsitzende Richter mit Mord bedroht. Später behauptet ein ursprünglich mit dem Angeklagten sympathisierender Redakteur, dieser selbst habe das Schreiben an den Richter veranlasst. Im Mai 2000 hebt das Kassationsgericht Brescia den Freispruch wieder auf und bestätigt das Urteil der Erstinstanz, aber mittlerweile ist der rechtskräftig verurteilte Mörder nicht mehr auffindbar. Das Kassationsgericht Brescia verfügt noch einen internationalen Strafbefehl „wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr“ und wegen seiner „Kontakte zu ultranationalistischen, extremistischen Kreise“, die ihn verstecken könnten.
Gesprengter Strommast, Terror in der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol/Alto Adige/Sudtirolo
Nach acht Monaten Suche wird Peter Paul R. Anfang Jänner 2001 in der Wohnung seiner späteren Frau in Wien Rudolfsheim aufgegriffen und kommt in Auslieferungshaft. In Österreich gibt es mittlerweile eine schwarzblaue Regierung mit einem blauen Justizminister Böhmdorfer, und Peter Paul R. hat einen Verteidiger, der auch schon blauer Justizminister war: Harald Ofner. Es dauert lange und braucht auch eine parlamentarische Anfrage, bis über die Auslieferung nach Italien entschieden wird. Am 18.12.2001 wird die Auslieferung vom Justizministerium genehmigt. Hätte das Verfahren noch bis zum 5.1.2002 gedauert, hätte Peter Paul R. enthaftet werden müssen. So aber wird R. gerade noch fristgerecht nach Italien ausgeliefert, wo er in Padua seine Haft antritt. 2005 wird ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen, 2007 ordnet das Kassationsgericht Rom dann doch noch eine Neuaufnahme an, weil angeblich neue Entlastungszeugen aufgetaucht sind. Im Oktober 2008 entscheidet dann aber das OLG Triest, dass es bei der Verurteilung bleibt, weil die Zeugen nicht glaubwürdig sind.
Bis Mitte 2013 hat R. knapp zwei Drittel seiner Haft verbüßt und wird wegen guter Führung entlassen. Der Zeitung „Alto Adige” vertraut er an, dass er nicht nach Südtirol zurückkehren, sondern in Padua bleiben möchte. Anfang Februar 2015 taucht Peter Paul R. aber als Teilnehmer einer rechtsextremen Pegida-Kundgebung in Linz auf. „Seit seiner Haftentlassung im Sommer 2013 lebt Peter Paul Rainer mit seiner Ehefrau in Oberösterreich”, berichtet die „Neue Südtiroler Tageszeitung” (23.3.15).