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Seltsame Entscheidungen

Die öster­rei­chi­sche Jus­tiz hat sich wie­der ein­mal kräf­tig bemüht, den Ein­druck zu ver­wi­schen, als gin­ge sie mit Ent­schie­den­heit gegen Ver­het­zung und NS-Wie­­der­­be­­tä­­ti­­gung vor. Die Ermitt­lun­gen wegen des Ver­dachts der NS-Wie­­der­­be­­tä­­ti­­gung gegen den Pres­se­spre­cher der FPÖ Wien, Ste­fan Got­scha­cher, wur­den ein­ge­stellt und das Ver­fah­ren wegen Ver­het­zung gegen den FPÖ-Gemein­­de­rat Wolf­gang Kitz­mül­ler (Kirchschlag/OÖ) ende­te mit einem Freispruch. […]

11. Jul 2013

Ste­fan Got­scha­cher hat­te auf sei­nem Face­book-Kon­to nicht nur merk­wür­di­ge Freun­de, son­dern auch merk­wür­di­ge Zita­te gesam­melt. Bei sei­nen Neo­na­zi- Face­book-Freund­schaf­ten Ger­hard Itt­ner und Mein­olf Schön­born half ihm die Begrün­dung, sie sei­en „durch­ge­rutscht“.

Als der „Fal­ter“ dann Got­scha­chers Lieb­lings-Zita­te ver­öf­fent­lich­te, been­de­te die FPÖ das Dienst­ver­hält­nis und die Staats­an­walt­schaft nahm auf Betrei­ben des Ver­fas­sungs­schut­zes Ermitt­lun­gen gegen den Pres­se­spre­cher der FPÖ Wien auf. Jetzt gab die Staats­an­walt­schaft bekannt, dass das Ver­fah­ren ein­ge­stellt wur­de. Begrün­dung: der Vor­satz konn­te nicht nach­ge­wie­sen wer­den. Got­scha­cher hat­te erklärt, er habe die Zita­te aus Inter­net­fo­ren kopiert, ohne deren Ursprung zu prüfen.

„Durch­ge­rutscht“ also oder anders her­um: einem FPÖ-Pres­se­spre­cher traut die Staats­an­walt­schaft durch­aus zu, dass er nicht weiß, was er schreibt.


„Tanz­or­ches­ter Immer­voll” ist der Ali­as-Name der Neo­na­zi-Band „Land­ser“
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Ähn­li­ches gilt für den FPÖ- Gemein­de­rat Wolf­gang Kitz­mül­ler aus Kirch­schlag (OÖ). Er hat­te auf Face­book gepos­tet: „Ich hab’s schon mal zum Aus­druck gebracht: ab mit den Schwuch­teln hin­ters Voest-Gelän­de“.

Der his­to­ri­sche Kon­text war deut­lich: auf dem Gelän­de der Voest befan­den sich wäh­rend der NS-Dik­ta­tur drei KZ –Außen­la­ger. Ein Gut­ach­ten des oö. Lan­des­ar­chivs bestä­tig­te, dass der Spruch „Ab in die Voest“ des­halb von Neo­na­zis ger­ne ver­wen­det werde.

Der ange­klag­te frei­heit­li­che Gemein­de­rat erklär­te aller­dings vor Gericht, von frü­he­ren KZ-Außen­la­gern nichts gewusst zu haben. Er habe den Wei­kerl­see gemeint, wo sich Homo­se­xu­el­le ger­ne tref­fen wür­den. Mit sei­nem Spruch habe er nur sei­nen Unmut äußern wol­len, dass die Stadt Linz der Homo­se­xu­el­len Initia­ti­ve (HOSI) 140.000 Euro an Miet­schul­den erlas­sen wollte:

„Ich mein­te, dass sie sich an einem bil­li­ge­ren Ort an der Peri­phe­rie ansie­deln sol­len“ (Kurier OÖ, 11.7.2013). — Aha!

Für den Staats­an­walt blieb die­se Erklä­rung unglaub­wür­dig, der Rich­ter ent­schied aller­dings, dass zwi­schen „hin­ter“ und „in“ der Voest ein Unter­schied sei und sprach den FPÖ-Gemein­de­rat im Zwei­fel frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Aber auch dort, wo die Jus­tiz schon ein­deu­tig geur­teilt hat, gibt es für Beam­te noch eine hilf­rei­che Ein­rich­tung: die Disziplinarbehörde.

Otto­kar B., ein Zöll­ner aus West­ös­ter­reich (Kurier, 11.7.2013) hat­te von sei­nem Dienst-PC aus im Inter­net-Forum einer Zei­tung flei­ßig gegen Aus­län­der gehetzt, Hit­ler gehul­digt und gefor­dert, dass man die „Volks­ver­rä­ter Fay­mann, Spin­de­leg­ger und Fek­ter… an die Wand stel­len und erschie­ßen“ solle.

Dafür ver­ur­teil­te ihn laut „Kurier“ ein Straf­ge­richt zu 12 Mona­ten Haft. In Fol­ge der straf­recht­li­chen Ver­ur­tei­lung soll­te die Dis­zi­pli­nar­be­hör­de sein Fehl­ver­hal­ten dienst­recht­lich ahn­den. Dabei ging es offen­sicht­lich nur um den Spruch des Zöll­ners mit dem Erschie­ßen, nicht aber um die Ver­ur­tei­lung wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung und Verhetzung.

Die Dis­zi­pli­nar­be­hör­de ers­ter Instanz ver­häng­te näm­lich über den Zöll­ner nur eine Geld­stra­fe über 10.000 Euro, weil er reu­mü­tig und unbe­schol­ten (!!) sei. Eine Ver­ur­tei­lung wegen NS- Wie­der­be­tä­ti­gung und Ver­het­zung zählt da offen­sicht­lich nicht….

Der Dis­zi­pli­nar­an­walt berief des­halb gegen das Urteil, aber die Dis­zi­pli­na­rober­kom­mis­si­on folg­te dem Spruch der ers­ten Instanz. Damit ist bis auf wei­te­res klar, dass sich ein öster­rei­chi­scher Beam­ter nach dem NS-Ver­bots­ge­setz wie­der­be­tä­ti­gen und sei­nen Chefs das Erschie­ßen andro­hen darf, ohne des­we­gen den Job zu ver­lie­ren! (Kurier, 11.7.2013)