Die untergetauchten Neonazis (II)

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In Öster­reich haben sich in den letz­ten Jah­ren eini­ge Neo­na­zis durch Flucht einer Haft­stra­fe oder einem Gerichts­ver­fah­ren zu ent­zie­hen ver­sucht. Es gibt aber auch Neo­na­zis und Rechts­extre­me aus ande­ren Her­kunfts­län­dern, die in Öster­reich abtauchen.

Eine „merk­wür­di­ge Geschich­te“ nann­ten wir die Fest­nah­me von Özer Tom­bo­li (40), der im Okto­ber 2012 am Bren­ner an die ita­lie­ni­schen Sicher­heits­be­hör­den über­ge­ben wur­de. Öster­reichs Medi­en igno­rier­ten die Fest­nah­me des flüch­ti­gen Neo­na­zi Anfang August 2012 in Inns­bruck weit­ge­hend. Dabei wäre es durch­aus von all­ge­mei­nem Inter­es­se zu erfah­ren, war­um ein flüch­ti­ger Neo­na­zi völ­lig unbe­hel­ligt sie­ben Jah­re hier leben konnte.

Tom­bo­li war als Akti­vist der neo­na­zis­ti­schen Skin­heads Tirol Sek­ti­on Meran im Jahr 2005 in Ita­li­en zu einer Haft­stra­fe ver­ur­teilt wor­den und tauch­te vor Haft­an­tritt unter – in Axams bei Inns­bruck. Im Juli 2012 hat­ten ihn Fahn­der der ita­lie­ni­schen Anti-Ter­ror-Spe­zi­al­ein­heit DIGOS in Öster­reich auf­ge­spürt. „Auf­ge­spürt“ ist dabei viel­leicht der fal­sche Begriff, denn Tom­bo­li hat­te sich nicht gro­ße Mühe gege­ben, unter­zu­tau­chen. Unter sei­nem Namen war er seit 2008 auf Face­book unter­wegs — öffent­lich. Mit sei­ner Freun­din in Süd­ti­rol pfleg­te er nicht nur eine pla­to­ni­sche Bezie­hung, son­dern nutz­te auch den klei­nen Grenzverkehr.


Özer Tom­bo­li auf Facebook

Ver­mut­lich ist die Aus­for­schung und Ver­haf­tung von Tom­bo­li durch den Umstand beschleu­nigt wor­den, dass im Juli 2012 in deut­schen Medi­en bekannt wur­de, dass der jetzt als NSU-Hel­fer ange­klag­te Neo­na­zi Ralf Wohl­le­ben mehr­mals an Tref­fen der Skin­heads Tirol Sek­ti­on Meran, des Süd­ti­ro­ler Kame­rad­schafts­rings und auch der Vene­to Fron­te Skin­heads teil­ge­nom­men und dabei auch Geld für Kame­ra­den, die sich in Schwie­rig­kei­ten befin­den, über­ge­ben hat­te. Bei einem die­ser Tref­fen im Jahr 2008 wur­de auch „über die Mög­lich­keit der Durch­füh­rung frem­den­feind­li­cher ‚exem­pla­ri­scher Aktio­nen’ dis­ku­tiert und eine detail­lier­te Kar­ten­aus­wer­tung vor­ge­nom­men, um Geschäf­te (Kebaps und ande­re) aus­fin­dig zu machen, die von außer­eu­ro­päi­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen geführt wer­den“. Die Par­al­le­len zwi­schen den Mord­ak­tio­nen des NSU und den geplan­ten Aktio­nen der Süd­ti­ro­ler Neo­na­zis sind auf­fäl­lig. Die Pla­nun­gen der Süd­ti­ro­ler Neo­na­zis wur­den durch eine Ver­haf­tungs­ak­ti­on der ita­lie­ni­schen Behör­den 2008 verhindert.


Bild­quel­le: Anti­fa Meran

Seit der Über­ga­be an die ita­lie­ni­schen Behör­den im Okto­ber 2012 ist es jeden­falls wie­der ruhig gewor­den um Tom­bo­li und die Bezie­hun­gen zwi­schen Süd­ti­ro­ler, deut­schen und öster­rei­chi­schen Neo­na­zis. Das ver­wun­dert, denn im Zug der Aktio­nen der ita­lie­ni­schen Sicher­heits­be­hör­den im Jahr 2008 gab es auch eine Haus­durch­su­chung bei Andre­as M. in Lich­ten­au (NÖ), der dann im Jahr 2009 noch einen öffent­li­chen Auf­tritt beim Neonazi-„Fest der Völ­ker“ in Pößneck /Thüringen hat­te, bevor er 2010 wegen Wie­der­be­tä­ti­gung vor Gericht stand. Das „Fest der Völ­ker“ wur­de von Ralf Wohl­le­ben und Tho­mas Ger­lach ali­as „Ace“, dem Kon­takt­mann zur öster­rei­chi­schen Neo­na­zi-Sze­ne, mit­or­ga­ni­siert.

Die Bezie­hun­gen zwi­schen deut­scher, öster­rei­chi­scher und Süd­ti­ro­ler Neo­na­zi-Sze­ne und dazwi­schen ein Neo­na­zi, der sie­ben Jah­re in Öster­reich unter­tau­chen konn­te, ohne wirk­lich abge­taucht zu sein – das ist tat­säch­lich eine „merk­wür­di­ge Geschich­te“, die noch der Auf­klä­rung harrt. Es ist nicht die ein­zi­ge aus den letz­ten Jahren.

➡️ Die unter­ge­tauch­ten Neo­na­zis (I)