Salzburg: Nicht nur Nazi-Lieder

Nicht nur die Head­lines, die einige Medi­en der Prozess-Berichter­stat­tung über den jun­gen Neon­azi gaben, der sich vor einem Jugendgeschwore­nen­gericht in Salzburg wegen NS- Wieder­betä­ti­gung und etlich­er ander­er Delik­te ver­ant­worten musste, waren etwas irreführend. Auch die Angaben des Jugendlichen selbst.

Der junge Pinz­gauer (17) war schon vor dem Prozess kein unbeschriebenes Blatt mehr. Seit er strafmündig ist, wurde er bere­its vier­mal wegen unter­schiedlich­er Delik­te verurteilt. In der Nacht auf den 1. April kam noch einiges dazu. Bei ein­er Woh­nung­sein­wei­hungs­feier wurde er nach einem Stre­it von seinem Fre­und vor die Tür geset­zt. Im Stiegen­haus sang er daraufhin Nazi-Lieder und skandierte mehrmals, dass Hitler sein bester Fre­und sei. Als ihn ein Haus­be­wohn­er zur Rede stellte, dro­hte er diesem mit Ver­prügeln, beschimpfte ihn als „Kanaken“, schrie „alle Asy­lanten gehören ver­gast“ und ver­suchte, ihm einen Faustschlag zu ver­set­zen. Der Erfolg kön­nte möglicher­weise an den „18 Bier und eini­gen Mis­chgetränken“ gescheit­ert sein, die er zu diesem Zeit­punkt nach eige­nen Angaben intus hatte.

Obwohl auch die Polizei kein Prob­lem gehabt haben dürfte, ihn einzuord­nen, betonte der mit Mil­itärhose, Springer­stiefeln (mit weißen Schnürsenkeln natür­lich!) und Glatze kostümierte Jugendliche den Beamten gegenüber, „ein beken­nen­der Rechter“ zu sein.

Auf der Wach­stube beschimpfte er die Beamten, hob die Hand zum Hitler-Gruß, brüllte mehrmals „Sieg Heil“ und dro­hte einem Beamten, er werde ihn wie einen Juden auf einem Baum aufhän­gen. Ein völ­lig betrunk­en­er Nazi-Skin? Irri­tierend daran ist, dass der Jugendliche den Polizis­ten auch noch die Titel und Inter­pre­ten von den vier Nazi-Songs (darunter den „Polak­en ‑Tan­go“ der „Landser“), die er im Stiegen­haus gebrüllt hat­te, aufzählen konnte.

Vor Gericht hörte sich das anders an. Er sei damals schon ziem­lich betrunk­en gewe­sen, betonte der Angeklagte selb­st: „Ich kenne die Lieder nicht wirk­lich. Nur Bruch­stücke, die ich bei Fre­un­den gehört habe. Ich traue mir zu schwören, dass ich das nicht gesun­gen habe.“

Da er einen Tag nach dem Vor­fall auch noch einen Ein­bruchs­dieb­stahl began­gen hat­te, wurde neben der lan­gen Lat­te von angeklagten Delik­ten (NS-Wieder­betä­ti­gung, ver­suchte Nöti­gung, ver­suchte Kör­per­ver­let­zung, gefährliche Dro­hung, ver­suchter Wider­stand gegen die Staats­ge­walt) auch dieser mitver­han­delt. Das Resul­tat: 18 Monate Haft, davon sechs Monate unbe­d­ingt. Da auch eine alte Bewährungsstrafe wider­rufen wurde, kom­men weit­ere drei Monate Haft dazu. Außer­dem wurde eine sta­tionäre Alko­ho­len­twöh­nungs­ther­a­pie ange­ord­net. Das Urteil ist bere­its rechtskräftig.

Der Jugendliche ist nicht nur wegen einiger Nazi-Lieder verurteilt wor­den. Dem Gericht ist auch kein Vor­wurf zu machen wegen des Strafaus­maßes. Über das soziale Umfeld des Jugendlichen war nur zu lesen, dass er zumeist in ein­er Notschlaf­stelle schlief und ohne Vater aufwuchs. Die Nazi-Songs hat er nach eige­nen Angaben bei Fre­un­den aufgeschnappt. Gesamthaft betra­chtet ist es allerd­ings unbe­friedi­gend, dass die Haft­strafe bei einem 17-Jähri­gen das einzige Zeichen bzw. Instru­ment der Gesellschaft sein soll, das ihm und anderen klar­ma­cht, dass Nazi-Parolen und – Songs nicht toleriert wer­den. Schließlich tut sich die gle­iche Gesellschaft um einiges schw­er­er, Wieder­betä­ti­gung, Ver­het­zung und Anti­semitismus zu brand­marken, wenn sie von Poli­tik­ern mit Augen­zwinkern und Unschuldsmiene ange­boten werden.