100 Redner*innen aus 30 Ländern und sechs Kontinenten waren vertreten auf dieser Konferenz, wie die Website der CPAC stolz unter dem Motto „Das Zeitalter der Patrioten ist gekommen“ vermerkt. So weit ging Kickl nicht – schließlich war er gerade bei seiner Regierungsbildung gestolpert. In seiner Rede vor den laut Veranstaltern 4.000 Teilnehmer*innen musste er daher seinen rhetorischen Bogen weit spannen, um das Motto der Veranstaltung zu treffen.
Wir sind hier nicht zusammengekommen, um belanglos miteinander zu plaudern und uns unverbindlich auszutauschen. Nein, wir sind hier, weil wir wissen, wir alle haben einen Auftrag, wir sind im politischen Ausnahmezustand, denn die Globalisten haben ihre Handschuhe längst abgelegt.
Wo sind die Globalisten und Imperialisten?
Der Parteichef der FPÖ kennt da keine Gnade, keinen Pardon. Nicht zum Händeschütteln ist er nach Budapest gereist, sondern um vor den „Globalisten“ zu warnen. Aber wer sind die Globalisten? Kickl will die handschuhlosen Globalisten ja schon mit freiem Auge erkennen können.
Früher einmal war für Blaue ganz klar, dass man sich unter den „Globalisten“ die USA, konkret die „Ostküste“, ein Synonym für jüdisches Finanzkapital, vorzustellen hatte. Das Böse war definiert: die USA und diskret antisemitisch die „Ostküste“. Aber heute, mit einem von den meisten Rechtsextremen geliebten Präsidenten Trump? Nicht die USA sind für Kickl die „Globalisten“, und das gilt auch für Putins Russland – obwohl Kickl gegen „die Untergrabung nationaler Souveränität“ wettert und „überall Zerstörung, überall Zerstörung, soweit das Auge reicht“, sieht.
Natürlich meint Kickl nicht Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern die „echten“ Imperialisten und Globalisten, die er in der Europäischen Union ausmacht: „Die erste Frontlinie im Kampf gegen die Globalisten verläuft gegenüber Brüssel.“
Bannon, Brüssel und Stalingrad
Mit dem kriegerischen Bild von der Frontlinie gegen Brüssel argumentierte schon ein anderer vor Kickl. Der Rechtsextreme Steve Bannon meinte 2019 in einem Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ (16.5.19): „Nach der Wahl wird jeder Tag in Brüssel Stalingrad sein.“
Wobei bei Bannon, ein eifriger Redner bei Konferenzen der CPAC, seit seiner letzten Rede auf der CPAC im Februar 2025 in Washington, wo er nach der Beschwörung „Fight,fight, fight!“ seine Rede mit dem Hitlergruß beendete, nicht auszumachen ist, auf welcher Seite der Front in Stalingrad er sich gerade sieht.
Kickls Rede in Budapest war eine einzige Kampfansage gegen die EU,
gegen eine Europäische Union, die nicht verbindet, sondern unterdrückt, gegen eine Einheitspartei, die nur nach Einheitsmeinungen und Einheitslösungen duldet, gegen eine Monokultur des Ungeistes, gegen Massenmigration, gegen Genderumerziehung, Klimakommunismus und gegen die Mainstream-Medien, die die letzten Verbündeten und Beschützer dieser verirrten Politikerkaste sind.
In diesem Duktus zog sich die ganze Rede dahin, wobei der Höhepunkt wohl jene Passage war, in der Kickl einen wachsenden Widerstand „gegen diese pervertierte Form des Brüsseler Imperialismus“ beschwörte. Wie bitte?
Imperialismus ist nach gängiger Definition jene Herrschaftsform, die bestrebt ist, ihre Macht auf andere Länder territorial, ökonomisch oder politisch auszuweiten. Die aktuellsten Beispiele dafür sind Russland mit seinem Expansionskrieg gegen die Ukraine, dessen Ziel die Ausweitung des eigenen Territoriums und die Übernahme der politischen Macht in der Ukraine ist, und die USA, deren Präsident Trump die Annexion Grönlands und Kanadas erreichen will. Diesen tatsächlichen Imperialismen erwähnt Kickl mit keinem Wort. Aber die EU – imperialistisch?
Wo gibt es die digitale Diktatur?
An anderer Stelle seiner Rede spricht Kickl vom „Aufbau einer digitalen Diktatur“ und dem Versuch „totaler Überwachung“ in Europa: „Die Bürger sollen in dieser Vorstellung gläsern und nackt sein. Das Imperium selbst hüllt sich in Dunkeln und hält alle Fäden in der Hand.“
Da ist es wieder, das Imperium! Im Dunkeln, ohne Handschuhe, mit allen Fäden in der Hand, aber durchschaut von Kickl. Wer genau ist das Imperium? Die Kommissionpräsidentin von der Leyen? Der Europäische Rat, also die Regierungschefs der Mitgliedsländer? Kickl legt sich natürlich nicht fest, schwurbelt lieber. Klar ist für ihn nur: Es sind mehrere.
Sie kämpfen schmutzig, sie kämpfen dirty, sie kämpfen nur nach ihren eigenen Regeln und jetzt liegt es an uns, es liegt nur an uns, den Verteidigern der Nation, der Identität, der Wahrheit, ihnen mutig die Stirn zu bieten, sie zurückzudrängen, ihre Anmaßungen zurückzuweisen, ihre Pläne, ihre Strategien und ihre Taktik zu durchkreuzen und am Ende für unsere Heimat zu siegen.
Dass zu den schmutzigen Tricks des Imperiums der Aufbau einer digitalen Diktatur gehört, ist eine Enthüllung, die wir nur Kickl verdanken. Hat Gastgeber Viktor Orbán bei dieser Passage aufgehorcht, da er mit dem Aufbau einer Diktatur innerhalb der EU schon ziemlich weit fortgeschritten ist? Auch bei der digitalen Diktatur hält Orbán innerhalb der EU die Spitzenposition, nachdem die rechtskonservative PiS-Partei in Polen durch ihre Abwahl an deren weiteren Aufbau mittels Bespitzelung durch Pegasus-Spionage-Software derzeit verhindert ist. In Polen wurden von der PiS nicht nur Journalist*innen und Oppositionelle ausspioniert, sondern auch die eigenen Parteifreunde überwacht. Gleiches gilt für Ungarn – mit dem Unterschied, dass dort die Bespitzelung munter weitergeht.
Vorbild Orbán?
Dass Ungarns autoritärer Regierungschef Viktor Orbán das Vorbild für Kickl ist, hat Kickl schon oft genug betont. Auch bei der CPAC macht er zu Beginn seiner Rede einen rhetorischen Diener, spricht von dessen Standhaftigkeit und dem Inbegriff des Widerstands: „Ich danke Ministerpräsident Viktor Orbán und ich danke dem großartigen ungarischen Volk für seinen Mut, für seine Tapferkeit, denn Tapferkeit bedeutet für seine Überzeugung, auch Verwundungen hinzunehmen.“
Dieser Satz ist fast genauso missverständlich wie jener vom „Aufbau der digitalen Diktatur“. Welche „Verwundungen“ des ungarischen Volks meint Kickl denn? Die vom Vertrag von Trianon etwa, mit dem das frühere ungarische Königreich damals einen Großteil seines Territoriums verlor? Als aus Deutsch-Westungarn das Burgenland wurde? Orbán ist ein Anhänger der Idee des alten Großungarn, provoziert damit immer wieder hauptsächlich Rumänien, wo eine große ungarische Minderheit lebt.
Diese ungarische Minderheit in Rumänien litt in den letzten Wochen allerdings eher unter dem Großungarn Viktor Orbán, der den rechtsextremen rumänischen Präsidentschaftskandidaten und Ultranationalisten und offenen Ungarnhasser George Simion vor der Wahl als seinen Verbündeten anpriesen hatte, um nach heftigen Protesten der ungarischen Minderheit in Rumänien wieder kleinlaut abzuschwören. Vermutlich hat Kickl mit seiner Andeutung von Verwundungen des ungarischen Volkes nicht darauf anspielen wollen, auch weil sich beide, Kickl und Orbán, darin einig sind, dass Minderheiten jeder Art ein Problem darstellen.
Noch ein Vorbild – Bannon?
Bannon ist wie Kickl auch ein großer Verehrer von Viktor Orbán, den er 2024 neben Marine Le Pen als Vorbild, als die wahre Brücke zu seinem weiteren Vorbild Donald Trump bezeichnet hat. Ein Brückenpfeiler ist ihm allerdings nach seinem „Fight,fight, fight!“ mit Hitlergruß weggebrochen. Marine Le Pens Nachfolger als Parteichef vom Rassemblement National, Joran Bardella, hat nach Bannons Rede seine eigene Rede bei CPAC Washington abgesagt: „Ein Redner habe sich, ‚um zu provozieren, eine Geste erlaubt, die auf die Nazi-Ideologie anspielt‘, begründete Bardella seine Absage“, schrieb die „Frankfurter Rundschau“ (25.2.25).
Wie beendete Herbert Kickl seine Rede bei der CPAC in Budapest? Auf Englisch mit: „Fight, fight, fight and knock the globalists out!“ Sicher nur bloßer Zufall und keine Anspielung auf Bannon!

FPÖ-Teilnehmer*innen bei der CPAC 25 in Budapest
Parteichef Herbert Kickl, Generalsekretär und NR-Abg. Christian Hafenecker, die EU-Abgeordneten Harald Vilimsky und Petra Steger, die NR-Abgeordneten Susanne Fürst, Barbara Kolm, Maximilian Weinzierl und Axel Kassegger (mit einem eigenen Stand des „Freiheitlichen Bildungsinstituts) und der Wiener Landtagsabgeordnete Maximilian Krauss.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.