Wien: Unpolitischer Neonazi?
Wien: Mit Drogen ins Gericht
Klagenfurt: Nazi-Tattoo am Hals
Wien: Unpolitischer Neonazi?
Am 27. Jänner ging es im Wiener Landesgericht um einen 28-jährigen Mann, der beschuldigt wurde, mehrmals vor Polizist*innen den Hitlergruß gezeigt zu haben, einmal auch bekleidet mit einem passenden Pullover mit Reichsadler- und „Deutsches Reich“-Aufdruck. Er sei aber dennoch ein unpolitischer „ganz normaler Bürger“. Herr S. soll eine erfolgreiche Karriere in der Tourismusbranche, gehabt haben, bevor er durch seine Drogenabhängigkeit auf die schiefe Bahn geraten war.
„Haben Sie Vorstrafen?”, will der Vorsitzende wissen. „Zwei, glaub i. Also von zwa waas i.” – „Ich weiß von vier!”, erhöht Bauer das Angebot. „Dann waas i von drei”, versucht S. zu scherzen, Bauers Blick macht ihm aber klar, dass der Richter humoristische Angeklagte eher gar nicht goutiert. Seit 2018 gab es Vorstrafen für Suchtmittelvergehen, Sachbeschädigungen, ein Vergehen gegen das Waffengesetz durch Besitz einer Schreckschusspistole, zuletzt im vergangenen Juni eine Vorstrafe wegen Körperverletzung. Seinen Kontrahenten hat er dabei zweimal als „Scheißneger” beschimpft, merkt die Staatsanwältin an. (derstandard.at, 27.1.25)
Bei einer Hausdurchsuchung wurden einschlägige Videos und Chatnachrichten gefunden, über die S. angab, dass ihm alles egal gewesen sei und er keinen Zusammenhang mit dem Dritten Reich gesehen habe. Der oben erwähnte Pullover sei sein einziges Kleidungsstück während seiner Obdachlosigkeit gewesen und den habe er unwissentlich auf einer normalen Internetseite gekauft.
Trotz seiner Absicht, wieder in Teilzeit zu arbeiten und einer erfolgreichen medikamentösen Therapie gegen seine Suchterkrankung, verurteilen die Geschworenen den Mann fast einstimmig zu einem Jahr bedingter Haft mit verpflichtender Bewährungshilfe.
Wien: Mit Drogen ins Gericht
Der Prozess gegen R.N. startete mit Verzögerung: Zum angesetzten Verhandlungsbeginn war der Angeklagte nicht im Verhandlungssaal, weil er, wie sich später herausgestellte, bei der Eingangskontrolle im Gericht festgehalten worden war. Bei ihm wurden in einer Zigarettenpackung Drogen gefunden.
Dem 23-jährigen, mehrfach vorbestraften Mann wurde vorgeworfen, auf Instagram ein Posting der „Zeit im Bild“ zu Anne Frank mit den Sätzen kommentiert zu haben: „tja, was jz die israelische Regierung macht. Hit.er wusste Bescheid, dass die dieser Welt nicht gut tun würden.“ Das trug dem beschäftigungslosen Mann eine Anklage nach § 3h VerbotsG ein: Gutheißung des Holocaust. Die Verteidigerin kam mit der Strategie, N. wäre zum Zeitpunkt des Postens betrunken gewesen, nicht weit. Er habe auch nicht „Hitler“, sondern „Hit.er“ geschrieben. „Das macht man nicht im Vollrausch“, erwiderte die Staatsanwältin trocken.
Er könne sich wegen seines Alkoholkonsums an das Posting nicht erinnern, und außerdem hätten mehrere Personen Zugang zu seinem Account gehabt, sodass auch jemand anderer den Kommentar verfasst haben könnte, gab N. im Laufe der sehr forsch vorgetragenen Befragung durch die Richterin an.
Richterin: „Sie haben was mitgebracht ins Gericht. Wie kommt man auf die Idee?“
Angeklagter: „Ich habe eine Tschick-Packung von einem Freund mitgenommen, da war ein wenig Haschisch drin.“
Richterin: „Sie wussten es also nicht, was da drin ist?“
Angeklagter: „Nein.“
Richterin: „Sie wissen nicht, wer ihren Instagramm-Account benützt, Sie wissen nicht, was in Ihren Zigarettenpackungen drin ist. Welchem Freund gehören die Zigaretten?“
Angeklagter: „Sein Name ist Benjamin. Seinen Nachnamen weiß ich leider nicht.“
Eindeutig fiel dann der Wahrspruch der Geschworenen aus: ein einstimmiger Schuldspruch und 18 Monate unbedingter Haft. Da sowohl die Verteidigerin als auch die Staatsanwältin auf Rechtsmittel verzichteten, ist das Urteil bereits rechtskräftig.
Wir danken prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Klagenfurt: Nazi-Tattoo am Hals
Mit beachtlichen 29 Vorstrafen im Gepäck musste sich der Klagenfurter Wolfgang P. am 28. Jänner vor dem Landesgericht verantworten – seine letzte Haft konnte der 46-Jährige Angeklagte erst vor eineinhalb Monaten verlassen, und er wird vermutlich in nicht allzu langer Zeit dorthin zurückkehren müssen. Angeklagt war ein Tattoo auf seiner rechten Halsseite, das deutlich als „88“ (Code für „Heil Hitler“) zu erkennen war. P. hatte Fotos dieses Tattoos großzügig auf seinen vielen Facebook-Accounts verteilt; einige zeigen ihn damit auch in der Öffentlichkeit.

P. hatte seine 29 Vorstrafen wegen vieler diverser Delikte eingesammelt: Einbruch, Waffengesetz, Urkundenfälschung, Kindesentziehung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Sachbeschädigung, aber auch Wiederbetätigung zählen dazu.
Sein Hals-Tattoo stamme aus 2011, er habe es sich im Gefängnis stechen lassen. 2012 habe er es – erneut im Gefängnis – abändern lassen, weil ihn ein Mitinsasse auf die Problematik aufmerksam gemacht hatte: „Des is deppert.“ Zwischen die beiden „8“ kam ein Punkt, darunter die Initialen eines seiner sechs Kinder. Die Bedeutung der „88“ kenne er nicht, mit dem Nationalsozialismus habe er nichts am Hut, wer die Bilder ins Netz gestellt hat, wisse er nicht mehr, und überhaupt habe er zu seinen Facebook-Profilen keinen Zugang mehr, denn in der Haft habe er alle Passwörter vergessen.
Weder die Staatsanwältin noch die Geschworenen zeigten sich von P.s Einlassungen beeindruckt. „Gestern war der Tag zur Befreiung von Auschwitz, und wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen und Herrn P. als schuldig verurteilen“, führte die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer aus. Das Votum der Geschworenen fiel einstimmig aus. Wolfgang P. erhielt einen Schuldspruch und 30 Monate unbedingt – nicht rechtskräftig.
Wir danken prozess.report für die Prozessbeobachtung!