Mit dem Dinghofer-Institut, seinen Preisverleihungen 2024 und der dort anwesenden blauen Prominenz hat sich das DÖW (11.24) ausführlich auseinandergesetzt. Wir haben alle Berichte darüber studiert, sogar FPÖ-TV konsumiert, aber einen nicht entdeckt: den früheren Chefredakteur. Wobei: Beim „Eckart“ heißen die Chefredakteure in treudeutscher Manier natürlich „Schriftleiter“. Also, der Schriftleiter, der zwischen 2018/19 und 2022 den rechtsextremen Laden schupfte, fehlte bei der Preisverleihung. Daher machten wir uns auf die Suche nach ihm.
Kurze Vorgeschichte
Im Vorjahr wurde „Der Eckart“ 70 Jahre alt. Nicht nur für den Trägerverein, die rechtsextreme Österreichische Landsmannschaft (ÖLM), war das ein Grund zum Feiern. In der Jubiläumsnummer 10/23 wurde zurückgeblickt, allerdings nur sehr verschwommen. Wir widmen uns vorrangig einer Periode, die im Rückblick des „Eckart“ als „Interregnum“ bezeichnet wurde. Eine spannende Periode!
Bis 2002 hieß die Zeitschrift „Eckartbote“. Vor seiner Neugründung im Jahr 1953 begleitete das Vorgängerblatt „Der getreue Eckart“ den Aufstieg des Nationalsozialismus zum Terrorregime. Nach dessen Niederlage fanden sich viele Unterstützer*innen des Nazi-Regimes aus dem Bereich der Kultur im „Eckartboten“ wieder, um, wie es in der Jubiläumsausgabe heißt, „eine Phase der ‚Selbstfindung‘ einzuleiten“. Man fand sich rasch und das im äußersten rechten Eck der Zweiten Republik – mit gelegentlichen Ausflügen in die Holocaustleugnung.
In den 2000er-Jahren verlor der ziemlich altbackene „Eckartbote“, der weitgehend in Frakturschrift gedruckt wurde und die einzelnen Ausgaben auch mit ihren germanischen Monatsnamen kennzeichnete (z.B. Eismonat für Jänner), innerhalb des rechtsextremen Lagers deutlich an Relevanz. Durch die Umbenennung auf „Der Eckart“, die Umstellung auf moderne Schrifttypen, Farbdruck, mehr politische Kommentare und Vereinsaktivitäten der ÖLM versuchte man der Bedeutungslosigkeit zu entkommen. Der Deutschnationalismus, die Verbindung zu den (schlagenden) Burschenschaften und zur FPÖ waren über die „Schriftleitung“ durch Thomas Hüttner zwischen 2008 und 2018 garantiert.
Das braune „Interregnum“ zwischen 2019 und 2022
2018 migrierte Hüttner zur AfD nach Deutschland, und beim „Eckart“ begann eine Art „Interregnum“. Anzunehmen ist, dass der Verfasser des Rückblicks, ein Autor, der sich als „Cornelius von der Mühlen“ bezeichnet, um die Bedeutung dieser Bezeichnung Bescheid wusste. Er nannte alle „Schriftleiter“ namentlich, aber den zwischen 2019 und 2022 nicht. Mit gutem Grund: Es war der seit Jahrzehnten bestens in der Neonazi-Szene verankerte Andreas Thierry, eine „Größe des Rechtsextremismus“, die es sogar zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht hat. Dort aber fehlt nicht nur das Foto, das Anfang 2007 wieder aus den braunen Untiefen aufgetaucht ist und den ziemlich frischgebackenen Chef der FPÖ, Heinz-Christian „Heinrich“ Strache, fast ins Straucheln gebracht hätte, weil es ihn mit Andreas Thierry und einigen anderen Neonazis der frühen 1990er-Jahre bei und nach paramilitärischen Übungen zeigte.
Im Wikipedia-Eintrag fehlt ebenso ein erheblicher Teil der politischen Biographie von Thierry. Vielleicht, weil die Verfasser*innen gedacht haben, dass Thierry nicht so wichtig und ohnehin schon Schnee von gestern ist? Details der politischen Biographie des Neonazi Thierry sind auf der Website des DÖW (1) zu erfahren, allerdings fehlen weitgehend die Jahre ab 2010 nach seinem Ausstieg als Vorstandsmitglied der deutschen Neonazi-Partei NPD, wo er als Vertreter des radikalen Flügels quasi die Funktion eines Chefideologen ausgeübt hatte.
➡️ Der Eckart und sein versteckter Chefredakteur (II): Thierry und Reisinger
Fußnote
1 doew.at, April 2015: Wilhelm Lasek, Funktionäre, Aktivisten und Ideologen der rechtsextremen Szene in Österreich (s. 162ff)
doew.at, Jänner 2007: Straches Spielkameraden