Mit Hetze Geld verdient
Gegen drei Gruppen – Muslime, Afghanen und gleichgeschlechtlich Liebende – hatte der Angeklagte Arthur K. gehetzt und dazu Bilder ins Internet gestellt. Ein Künstler, speziell ein Satiriker, will der 62-Jährige, schon 19-mal Vorbestrafte sein. Neben der ohnehin schon widerlichen Befriedigung durch Hetze, die der Angeklagte gerne als „Satire“ interpretieren würde, gibt er am 4. November am Landesgericht Wien aber auch noch ein anderes Motiv preis:
„Ich versuche, mir mit meinen sozialen Netzwerken ein paar Euro dazuzuverdienen. 1200 Euro sind nicht viel. Und mit normalen Postings generiert man keine Follower!“ Mittlerweile poste er ohnehin keine derartige „Satire“ mehr, versichert der Angeklagte am Ende noch und stellt klar: „Ich möchte mich bei denen entschuldigen, die sich durch die Beiträge verletzt gefühlt haben. Das war nie meine Absicht!“ (derstandard.at, 4.11.24)
Mit seiner Hetze wollte der Angeklagte also auch noch „ein paar Euro“ dazuverdienen. Dafür gibt es zwar Vorbilder, denen das deutlich mehr Geld, bei besonders widerlicher Hetze unter Umständen sogar einen Präsidentenjob einbringt, aber das macht die Sache nicht weniger widerlich.
Der Richter sieht das ähnlich, verhängt wohl deshalb auch eine Geldstrafe, die allerdings den geldgierigen Hetzer nicht besonders treffen dürfte:
Er verhängt eine gänzlich unbedingte Geldstrafe von 600 Tagsätzen à vier Euro. Sollte K. diese 2400 Euro nicht begleichen können, drohen ihm 300 Tage Haft oder der gleiche Zeitraum gemeinnützige Leistungen. Nach kurzer Überlegung ist der Angeklagte damit einverstanden. Da der Staatsanwalt keine Erklärung abgibt, ist das Urteil nicht rechtskräftig. (derstandard.at, 4.11.24)
Bemerkenswert ist, dass der selbsternannte Satiriker auch für ein Sujet bestraft wurde, das immer wieder unter FPÖ-Fans und ‑Funktionär*innen kursiert: Schweine, die durch eine Montage den Schriftzug „Fuck Islam“ darstellen.
Problematische Verteidigung bei Holocaust-Gutheißung
Der Prozess gegen M.C. am 7.11 im Landesgericht Wien war schon deshalb bemerkenswert, weil hier der Verteidiger ein größeres Problem darstellte als der Angeklagte selbst. Der verstieg sich in seinem Eröffnungsplädoyer zu einer erschreckenden Verharmlosung.
Konkret hatte der Angeklagte (26), ein bislang unbescholtener Reinigungstechniker, das Instagram-Posting der Jüdischen Österreichischen Hochschüler*innen mit dem Text „Hier gibt es keinen Platz für Antisemitismus“ mit „Gas wir brauchen gas“ kommentiert. Während der Angeklagte, der schon im Ermittlungsverfahren geständig war, sich auch vor Gericht schuldig im Sinne der Anklage, also eines Verstoßes gegen § 3h Verbotsgesetz, bekannte, versuchte es der Pflichtverteidiger mit einer gleich mehrfach problematischen Argumentation.
In seinem Eröffnungsplädoyer legte er damit los, dass der Angeklagte kein Neonazi sein könne, weil er türkischer Abstammung sei. Weiß der studierte Jurist tatsächlich nicht, dass ein Delikt nach § 3h Verbotsgesetz nicht an eine NS-Gesinnung bzw. die Absicht, sich nationalsozialistisch zu betätigen, gebunden ist und dass auch Nichtdeutsche bzw. Nichtösterreicher eine Nazi-Gesinnung haben können? Aber dem Verteidiger fiel zum Vergasungskommentar unter einem jüdischen Account noch etwas ein:
Wenn ich heute neue Vergasung für gut befinde, dann ist das was Neues, fällt vielleicht unter Verhetzung oder Gutheißung einer mit Strafe bedrohten Handlung. Zum Beispiel in den Vereinigten Staaten haben sie die Todesstrafe in Gaskammern vollzogen in den 60-er, 70-er, 80-er Jahren. Man kann der Meinung sein, dass die Todesstrafe eine gute Sache ist, dass die Hinrichtungsform der Gaskammer eine gute ist. Also auch die Äußerung „Ihr gehört vergast” fällt meines Erachtens nicht unter §3h Verbotsgesetz. (Prozessmitschrift)
Ist das noch ein zulässiges Plädoyer oder schon Verharmlosung nach § 3h Verbotsgesetz? Da ruft einer wegen eines Postings jüdischer Hochschüler*innen nach Vergasung, bestreitet das auch nicht, aber sein Verteidiger sieht darin keinen Rückfall in die NS-Praxis der Ermordung von Menschen durch Gas, weil sie Jüdinnen und Juden waren, sondern vergleicht es mit der zweifellos grausamen und unmenschlichen Tötung von Menschen durch einen Staat nach schweren Verbrechen und interpretiert den Kommentar daher als zulässig.
Währenddessen wirken die Antworten des Angeklagten auf die Fragen der Richterin ehrlich.
Angeklagter (A): „Ich hab einfach das geschrieben was mir als erstes in den Kopf gekommen ist.“
Richter ® „Was haben Sie gemeint?“
A: „Dass sie verschwinden.“
R: „Sie sind bei der Polizei gefragt worden was Sie gemeint haben. Da haben sie gesagt, dass das Gas zum Judenvergasen verwendet werden soll und – Zitat: „Ich hoff meine Ehrlichkeit bringt mich nicht um!”
A: „Ich bin Pazifist, ich bin kein perfekter Mensch, ich war aufgebracht, ich kann es nicht ändern.“
R: „Nachdem da andere was geschrieben haben gegen den Islam, waren Sie so aufgebracht, dass Sie das gepostet haben?“
A: „Ja“
R: „Aber die Gaskammern sind Ihnen schon ein Begriff?“
A: „Ja”
Der Angeklagte, der seine Social Media-Accounts mittlerweile gelöscht hat, beteuerte, ein derartiges Posting nicht noch einmal verfassen zu wollen.
In den Fragen an die Geschworenen wurde als Eventualfrage (falls § 3h nicht gegeben sein sollte) gefragt, ob Verhetzung vorliegt. Die Eventualfrage wurde aber nicht benötigt, denn die Geschworenen waren sich einig, dass der Angeklagte schuldig im Sinn der Anklage nach § 3h, Abs. 1 und 2 des Verbotsgesetzes, ist. Das verhängte Strafmaß: ein Jahr bedingt, dazu noch die Weisung, eine Führung in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen zu absolvieren. Das Urteil war zu Verhandlungsende noch nicht rechtskräftig, weil sich die Staatsanwaltschaft Bedenkzeit erbeten hat.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!